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Ausgabe:

1995

Spalte:

223-225

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Transzendenz 1995

Rezensent:

Feil, Ernst

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223

Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 3

224

Einschränkend muß jedoch gesagt werden, daß - abgesehen
von den vielen Fällen, in denen die biographischen Parameter
nicht vollständig erfüllt werden konnten oder Mängel aufweisen
- die Religionsindizes doch etwas verwirrend sind. Mindestens
der deutsche Leser erwartet unter einem "Survey of Religions"
u.U. etwas anderes. Deshalb ist darauf hinzuweisen, daß das
Religionenverzeichnis nicht etwa nach den generalisierenden
Begriffen Christentum, Judentum, Islam, Buddhismus Hinduismus
usw. geordnet, ist die dann evtl. weiter untergliedert werden
, sondern nach über 200, natürlich ins Englische übersetzten
und oft kurz gefaßten Bezeichnungen der verschiedenen Religionsgemeinschaften
, Denominationen, bzw. Kirchen.

So findet man in alphabetischer Folge gleichberechtigt nebeneinander z.B.
die folgenden Benennungen: '"Aetherius Society", "African Church of the
Holy Spirit", "Anglican", "Atheist",. "Bahä'f". "Baptist: Southern", "Buddhist
: Zen", "Christian Church". "Church of Wales", "Druze", "Evangelical",
"Evangelical Reformed", "Evangelical Lutheran", "Greek Orthodox", "Jar-
thosti", "Jcwis: Ashkenazi", "Lutheran". "Muslim: Hanafl", "New Age",
"United Methodist", "United Free Church of Scotland", "Shinto", "Subud".
"Zoroastrian" usw. Der jeweils Religionsfremde dürfte sich bei dieser Ordnung
- vor allem in dem Gewirr der christlichen Konfessionen. Denominationen
und kirchlichen Organisationen - nur schwer zurechtfinden, was freilich
zugegebenermaßen auch in der Natur der Sache begründet ist.

Ein wirklich gravierendes Problem dieses biographischen
Nachschlagewerkes liegt aber darin, daß man offensichtlich
keine strengen Kriterien für die Auswahl der aufgenommenen
Personen angewandt hat. Hier waltete weithin das Zufallsprinzip
. Im Vorwort wird allerdings auch auf diesen Umstand mit
vorsichtiger Kritik hingewiesen. Es heißt da, daß in einigen Fällen
Religionen durch Persönlichkeiten repräsentiert würden, die
nicht in jedem Fall bedeutende Positionen inne haben, man aber
vor allem darauf achten wollte, daß die verschiedenen Religionen
und Richtungen überhaupt vertreten sind.

So ist es beispielsweise erfreulich, daß Oswald Bayer (unter
"Evangelical") und andere protestantische deutsche Theologen
(oft ohne vollständige Titel) aufgeführt werden. Daß dann aber
z.B. Eberhard Jüngel und Wolfhart Pannenberg fehlen, verwundert
. Ebenso verhält es sich mit den deutschen protestantischen
Bischöfen. In Blick auf Auswahl und Zahl der die verschiedenen
Religionen, Denominationen und Organisationen repräsentierenden
Personen müßten für die nachfolgenden Auflagen
neben den selbstverständlichen Aktualisierungen und Fehlerberichtigungen
ganz grundsätzliche Änderungen vorgenommen
werden.

Nur so könnte dieses von der Intention her interessante und
nützliche Werk auf Dauer für internationale Organisationen
aller Art, Bibliotheken, Universitäten, Presse-Organistionen
und Forschungsinstitute unentbehrlich werden, wie es im Einführungstext
heißt.

Leipzig Annette Weidhas

[Kremer, Klaus:] Transzendenz. Zu einem Grundwort der
klassischen Metaphysik. Hg. von L. Honnefelder u. W.
Schüßler. Paderborn: Schöningh 1992. 317 S. gr.8°. Lw. DM
98,-. ISBN 3-506-73959-X.

Die Anfrage, das Buch „Kremer, Transzendenz" zu besprechen,
erweckte mein Interesse. Nach Erhalt des Bandes stellte sich
heraus, daß es sich nicht um eine Arbeit von, sondern eine Festschrift
für Klaus Kremer handelt. Diese enthält ein recht umfangreiches
Spektrum von Beiträgen zu diesem „Grundwort der
Metaphysik"; sie setzen ein mit Piatons Formel bzw. Formulierung
„EJtexeiva rfjq otiaiac;" (R. Schaeffler) und deren Rezeption
durch Heidegger (W. Beierwaltes) - nicht ganz in die Reihe
paßt eine Überlegung zum Poros-Penia-Mythos Piatons (N.
Hinske) -, schreiten fort zu Aristoteles und Thomas von Aquin

(H. Seidl), Origenes (Fr. Ricken), Plotin (Th. Kobusch) und
Augustinus (N. Fischer), gehen über zu Duns Scotus (L. Honnefelder
), Meister Eckhart (W. Schüßler) und Cusanus (J. Stallmach
), wenden sich dann Kant (A. Winter), Fichte (D. Schmi-
dig) und Schelling zu (A. Franz), finden so etwas wie eine
Zusammenfassung in einer Überlegung zum deutschen Idealismus
(J. Möller) und schließen gleichsam als Epilog mit Überlegungen
zur Typologie der Mystik, der Erläuterung der Tauschformel
, daß Gott Mensch geworden ist, damit der Mensch Gott
wird (A. M. Haas).

Der Überblick zeigt, daß hier die wichtigsten Positionen
behandelt werden, die bei dem vorausgesetzten Verständnis von
Transzendenz in Frage kommen. Dieses geht von einer grundsätzlichen
Äquivalenz verschiedener Terminologien und einer
folglich durchgängigen Präsenz der Transzendenzthematik aus.
„Transzendenz ist das Stichwort für ein Thema, mit dem sich
die Philosophie seit ihren Anfängen auseinandersetzt", heißt es
zu Beginn (Vorwort der Hg., I 1), und gegen Ende: „Transzendenz
, das ist das Wort für das Geschehen (sie!) der Metaphysik"
(Möller, 265). Dieses Stichworl wird offensichtlich schon liii
die Antike angenommen: für die lateinische, wofür bes. Augu-
stins ..transcende et te ipsum" steht (Fischer, 117), aber auch für
die griechische, wie an Piatons „eitexetva" exemplifiziert wird,
liegt dieses doch „jenseits' all dessen, dem wir eine .Wesenheit
' (.OUOUX') zusprechen" (Schaeffler, 13). Ein solcher -
allem Anschein nach im Grunde homogener und kontinuierlicher
- Transzendenzbegriff setzt sich fort bis zu Heidegger, der
Piatons „EJtexeiva" aufnimmt (Beierwaltes, 47), ohne allerdings
seine (selbst)widersprüchliche Einstellung zu Piaton (40)
und erst recht zum Neuplatonismus (541) hinter sich zu lassen.
Dafür steht dann auch ein „Zurückführen" auf „das .Warum'
einer Sache" bei Aristoteles, ein nicht unwichtiges Beispiel
eines „Akt(es) des ,Trans/.endierens"' (Kobusch, 94).

Aber mehr noch: Hinter diese Tradition zurück läßt sich in
der griechischen Patristik, nämlich bei Origenes, „nach biblischen
Ausdrucksformen des Transzendenzglaubens suchen"
mit dem Ergebnis, daß uns der „Transzendenzbegriii" in der
Einleitung des Dekalogs (Ex 20,3-5) begegnet (Ricken, 76).
Der Transzendenzbegriff erscheint somit bereits als alttesta-
menlliche Kategorie.

Die Kontinuität des Transzendenzbegriffs wird noch nicht
einmal durch Kant ernsthaft unterbrochen, selbst wenn dieser,
wie natürlich nicht verkannt wird, eine „Transzendentalphilosophie
" konzipiert hat (Winter, bes. I97f). Aber in seiner Autonomie
-Konzeption kehrt der „alte Transzendenzgedanke" wieder
(Möller, 267) - wirklich?

So wundert nicht eine weitere Differenzierung der Transzendenz
, ihre Aufteilung in eine „oben" und eine „innen" (Fischer,
130). in eine „epistemologische" und eine „kausale" (Honnefelder
, 148), in eine „erkenntnistheoretische" und eine „theologisch
-metaphysische" (Winter, 211) und schließlich in eine
fünffache, eine „erkenntnistheoretische", eine „metaphysische",
eine „des Vorgriffs auf das Sein im Ganzen", eine „theologische
" der Verborgenheit Gottes und eine „.strikt theologische'"
der ungeschuldeten Hinordnung auf Gottes Gnade (ebd. 1991.
als Zitat von K. Lehmann).

Transzendenz also allenthalben. Es macht keinen Unterschied
- jedenfalls wird keiner vermerkt -, daß es bei Fichte
„das Absolute" heißt (Schmidig, 228f u.ö.). Und wenn man
einen Hinweis findet, daß etwa ein Autor den Terminus nicht
verwendet (Seidl, 65, für Aristoteles und Thomas; Fischer, 115,
für Augustinus; Winter, 193, für Kant), so nützt dies nichts:
Allen wird nachgewiesen, daß sie gleichwohl eben von „Transzendenz
" handeln. Am weitesten vorangetrieben wird die Terminologie
zur Differenzierung der Positionen von Thomas und
Scotus nicht nur durch die Unterscheidung einer „ganzheits-
theoretische(n)" und einer „reihcntheoretische(n) Bezugnahme"