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Ausgabe:

1993

Spalte:

165-168

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Ratschow, Carl Heinz

Titel/Untertitel:

Von der Gestaltwerdung des Menschen 1993

Rezensent:

Fischer, Hermann

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165

Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 2

166

Ratschow, Carl Heinz: Von der Gestaltwerdung des Menschen
. Beiträge zu Anthropologie und Ethik. Hg. von C.

Keller-Wentorf u. M. Repp. Berlin-New York: de Gruyter
1987. VIII, 398 S. gr.8<>. Lw. DM 178,-. ISBN 3-11-010911-5.
-: Von den Wandlungen Gottes. Beiträge zur Systematischen
Theologie. Zum 75. Geburtstag hg. von C. Keller-Wentorf u.
M. Repp. Berlin-New York: de Gruyter 1986. VIII, 405 S.
gr.8o. Lw. DM 162,-. ISBN 3-11-010912-3.

Seit einiger Zeit liegen zwei Bände mit Vorträgen und Aufsätzen
von Carl Heinz Ratschow vor, deren Herausgabe nicht
auf ihn selbst zurückgeht, sondern von seiner Schülerin Christel
Keller-Wentorf und seinem Schüler Martin Repp angeregt und
auch durchgeführt worden ist. Die Verantwortung scheint sogar
noch weiter zu reichen. Da beide Bände nicht nur bisher schon
veröffentlichte Publikationen, sondern auch unveröffentlichte
Materialien enthalten, bedurfte es der Auswahl und der Bearbeitung
, die weithin wohl von den Herausgebern besorgt worden
sind. Im gleichlautenden Vorwort zu beiden Bänden heißt
es, daß Ratschow den Herausgebern nicht nur „die Auswahl aus
seinen unveröffentlichten wie veröffentlichten Studien zur Herausgabe
" anvertraute, sondern ihnen auch in enger Zusammenarbeit
mit ihm selbst die Überarbeitung der ausgewählten Manuskripte
für den Druck überließ. „Dabei kam es uns darauf an,
den Stil des mündlichen Vortrags zu erhalten".

Die unterschiedlichen Titel der beiden Bände machen Schwerpunkte
der Arbeit Ratschows sichtbar, signalisieren aber durch
ihre leichte Unbestimmtheit, daß die Formulierung nicht zu eng
verstanden werden will. Der „Von den Wandlungen Gottes. Beiträge
zur Systematischen Theologie" betitelte Band bringt nach
Auskunft des Vorworts den „zentralen Gedanken der dogmatischen
Beiträge" zum Ausdruck, während der zweite Band „Von
der Gestaltwerdung des Menschen" mehr anthropologisch und
ethisch ausgerichtet ist. Dementsprechend lautet der Untertitel
„Beiträge zur Anthropologie und Ethik".

Der L Band („Von den Wandlungen Gottes") ist noch einmal
thematisch untergliedert in Beiträge „Zur Theologie als Wissenschaft
" (1-114), „Zur Theologie" (115-296) und „Zur Soteriolo-
gie" (297-395). Am Ende des Bandes finden sich dankenswerterweise
Register für Bibelstellen, Personen und Begriffe; die
ursprüngliche Paginierung bereits veröffentlichter Arbeiten ist
allerdings (für beide Bände) nicht dokumentiert. Die ausgewählten
Studien, jeweils 9 bereits veröffentlichte und nicht veröffentlichte
, unterscheiden sich nach Umfang und auch Gewicht
voneinander. Neben Publikationen mehr grundsätzlich-systematischen
Charakters stehen andere, die ihre Entstehung aus einem
bestimmten Anlaß noch deutlich erkennen lassen oder mehr
theologiegeschichtlich ausgerichtet sind. Auffällig an ihnen ist
das starke religionswissenschaftliche und -philosophische Interesse
Ratschows, das der Argumentation einen weiten Horizont
vorzeichnet.

Eröffnet wird der Band durch den Aufsatz „Das Christentum
als denkende Religion", der erstmals 1963 in der neu betitelten
„Neue(n) Zeitschrift für Systematische Theologie und Religionsphilosophie
" erschienen ist und damals zugleich der neuen
religionsphilosophischen Profilierung der Zeitschrift dienen
sollte. Nach R. ist das Christentum wie alle Religion denkende
Religion, sofern die Erfahrung Gottes zu theoretischer Aussage
drängt. Aber während in den Religionen der theoretische Ausdruck
die Gottheit völlig zu vergegenwärtigen vermag, gelingt
das im Christentum nicht. „Es kann einerseits auf die geistige
Aneignung nicht verzichten, und es kann andererseits daraus
keine Methode der Vergegenwärtigung machen" (20). Diese
„unerhörte Spannung" markiert nach R. die Differenz des Christentums
als denkender Religion zu den anderen Religionen. Es
folgen einige Abhandlungen, in denen R. Grundlagenprobleme
evangelischer Theologie erörtert („Schrift und Tradition";

„Evangelische Theologie in einer sich wandelnden Welt"; „Die
theologische Existenz des Gemeindepfarrers in ihrer Bedeutung
für die Weiterbildung der Theologie"; „Bestimmung der sogenannten
Praktischen Theologie und ihrer Eigenart aus der Sicht
der Systematischen Theologie"). In einem breit angelegten Vortrag
über die Barmer Theologische Erklärung von 1934 („Theologische
Erklärung zur gegenwärtigen Lage der Deutschen Evangelischen
Kirche. Barmen-Gemarke 29. bis 31. Mai 1934"! vertritt
R. die eigentümliche These, Gegenstand dieser Erklärung
seien nicht theologische Inhalte, sondern das Methodenproblem
der natürlichen Theologie. Die Erklärung diene - zumindest in
der Perspektive K. Barths - der grundsätzlichen Zurückweisung
der „natürlichen Theologie" in einem theologiegeschichtlich sehr
weiten Sinne. Da aber die natürliche Theologie eine Methode sei
und keinen Inhalt habe, selbst wenn mit ihr inhaltliche Konsequenzen
verbunden seien, wird nach R. in den 6 Thesen der
Theologischen Erklärung nur der „Methoden-Horizont" abgesteckt
(98), und das sei ihre eigentliche Schwäche. Man wird R.
zustimmen können, wenn er die Abgrenzung der Thesen gegen
die natürliche Theologie hervorhebt. Aber die Reduktion der dagegen
gerichteten Aussagen auf lediglich methodische Grundsatzerklärungen
wird dem Gewicht der inhaltlichen Aussagen
kaum gerecht. Mehr theologiegeschichtlich ausgerichtet ist der
letzte Beitrag dieses ersten Komplexes von Aufsätzen „Weltbewußtsein
und Gottesgewißheit - in der Aufklärung des 18. Jahrhunderts
".

Die Studien des zweiten Teiles kreisen vornehmlich um Fragen
des Gottesverständnisses. Der diesen Teil einleitende Aufsat
/ ..Von den Wandlungen Gottes" hat dem Band den Titel
gegeben. In ihm setzt R. sich mit Gogartens religionsgeschichtlichem
, in dessen Säkularisierungstheorie begründetem Verständnis
auseinander, nach dem der Gott der außerchristlichen Religion
(angeblich) mit der Ordnung von Natur und Geschichte eine
Einheit darstelle, so daß die Gottesfrage den Charakter eines rein
christlichen Problems annimmt (123). R. weist diese scharfe Alternative
als unhaltbar zurück, sieht vielmehr in der Grundstruktur
des Gottesverhältnisses eine Analogie zwischen den außerchristlichen
Religionen und dem Christentum, verdeutlicht dann
aber am Beispiel der Offenbarung in Jesus Christus, wie Gott
sich in allen „Wandlungen", die die Bibel bezeugt, sich darin als
der gleiche erweist, daß er die schuldhafte Entfremdung des
Menschen wendet (138f.). Um die Gottesthematik kreisen einige
weitere Vorträge wie „Der Gott des 20. Jahrhunderts"; „Ist Gott
angesichts der Leiden in der Welt zu rechtfertigen?" sowie die
tiefbohrende Studie über den Vorsehungsglauben mit dem Titel
„Das Heilshandeln und das Welthandeln Gottes. Gedanken zur
Lehrgestaltung des Providentia-Glaubens in der evangelischen
Dogmatik". Der Aufsatz „Die Lehre von der Kirche" gehört insofern
in diesen Zusammenhang, als R. in ihm „Eine trinitarisch
aufgebaute dogmatische Skizze" (so der Untertitel, der aber nicht
genau mit dem im Inhaltsverzeichnis formulierten Untertitel übereinstimmt
) vorlegt. Einen stark religionsgeschichtlichen Einschlag
weist der Vortrag „Gottesreich und Geschichtswelt" auf.
Einige religionspädagogische Überlegungen „Von den anthropo-
morphen Vorstellungen des Glaubens und den anthropomorphen
Begriffen der Theologie" beschließen dieses zweite Teilstück des
Bandes.

Im abschließenden Komplex („Zur Soteriologie") erörtert R.
die seit der Aufklärung brennende Frage „Gott ja, aber wozu
Christus?" und das nicht minder bedrängende Problem „Von
der Auferweckung Jesu". Während die große Abhandlung über
„Rechtfertigung" einen wissenschaftlich-systematischen Zuschnitt
hat, mündet der Band mit mehr allgemeinverständlichen
Erwägungen über die Frage „Brauchen wir heute den christlichen
Glauben?" aus.

Auch der II. Band („Von der Gestaltwerdung des Menschen")
weist eine dreifache Gliederung auf. Neben Abhandlungen „Zur