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Ausgabe:

1993

Spalte:

163-164

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Becker, Dieter

Titel/Untertitel:

Karl Barth und Martin Buber 1993

Rezensent:

Plathow, Michael

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163

Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 2

164

Nessan, Craig L.: Dynamics of Polarization: North American Critics
Versus Liberation Theology (CThMi 18, 1991,432-438).

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The Liturgical Press 1992. 167 S. 8° = A Michael Glazier Book. Theology
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Padgett, Alan G.: God, Eternity and the Nature of Time. New York: St.
Martms Press 1992. XI, 173 S. 8°. geb. $ 35.-. ISBN 0-312- 06813-1.

Reumann. John: A New Way for Reading Confessional Documents on
Bishopsand Ministry (CThMi 18, 1991,245-255).

Rhoads, David: The Role of the Church in the Care of the Earth (CThMi
18. 1991,406-414).

Ruether, Rosemary Radford: Imago Dei, Christian Tradition and Feminist
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Schneider. Michael: Wege des neuen Lebens. Modelle christlicher Existenz
. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1992. 217 S. 8°. Kart. DM 26,80.
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Silier, Hermann [Hg.|: Suchbewegungen. Synkretismus - Kulturelle
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Strunk. Reiner: Tor ins Weite. Vom Geheimnis des Glaubens. Stuttgart:
Ouell 1991. 303 S. 8°. geb. DM 38,-.

Theissen, Gerd: Pax Romana et Pax Christi. Le christianisme primitif et
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Track, Joachim: Fundamentalismus im Christentum (PTh 81, 1992,
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Weier, Reinhold: Christsein als „eschatologische Existenz" (TThZ 101,
1992, 161-170).

Zinger, Don H.: Lutheran reflections on nature: prolegomena to a theology
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Systematische Theologie: Dogmatik

Becker, Dieter: Karl Barth und Martin Buber - Denker in
dialogischer Nachbarschaft? Zur Bedeutung Martin Bubers
für die Anthropologie Karl Barths. Göttingen: Vanden-
hoeck & Ruprecht 1986. 279 S. gr.8o = Forschungen zur
systematischen und ökumenischen Theologie, 51. DM 52,-.
ISBN 3-525-56258-6.

Dem Verhältnis von Karl Barth und Martin Buber einmal
nachzugehen - gerade aufgrund der theologischen Überlegungen
zu „Kirche und Israel" von K. Barth und besonders von
einem Teil seiner Schüler - dieser Aufgabe hat vielleicht mancher
sich schon stellen wollen. D. Becker ist dieser Herausforderung
in seiner Heidelberger Dissertation von 1982 nachgegangen
.

D. Becker zeichnet zum einen M. Buber in interessanter Weise
in die philosophische Strömung des dialogischen Personalismus
ein (39-60). Zum andern will er die „dialogische Nachbarschaft"
von K. Barth und M. Buber nachweisen. Nun sind die direkten
Bezugnahmen K. Barths auf M. Buber im Werk K. Barths nicht
überreich; der Vf. trägt sie S. 63-65 zusammen. Auch begegneten
sich Barth und Buber persönlich nicht. Im indirekten Rückschluß
will deshalb der Vf. die „dialogische Nachbarschaft" aufzeigen.
Besonderes Gewicht erfährt die im Frühjahr des WS 1943/44
gehaltene Anthropologie-Vorlesung K. Barths, als er im Baseler
Kolleg unter der Überschrift „Des Menschen Menschlichkeit"
einen bis heute unveröffentlichten Abschnitt vortrug zu M. Bubers
Schrift „Ich und Du": „Barth markiert die „soteriologische
Differenz", ohne seine Nähe zur Position Bubers in der zwischenmenschlichen
Dimension anzuzeigen" (32). Barth grenzt
sich vornehmlich von Buber ab (30- 33); dennoch aber lassen
sich „eine Reihe Verbindungslinien zwischen beiden Denkern"
(20) nachweisen. „Das Verhältnis zwischen den anthropologischen
Denkern Barth und Buber genauer zu untersuchen, ist deshalb
eine unerledigte Aufgabe für die heutige Theologie" (38).

B.s These lautet: „In ihrer Grundstruktur ist Karl Barths Sicht
vom Menschen in Beziehung der dialogischen Anthropologie

Martin Bubers verwandt" (134); der Unterschied wird dort offenkundig
„wo Barth diese anthropologische Kernstruktur
...streng auf Jesus Christus als dem ausschließlichen und alles in
sich versammelnden Wort Gottes eingründen will" (214). Diese
These impliziert die „Spannung" (210), die „Differenz" (215)
zwischen „Barths Willen zur christologischen Fundierung und
seiner ausgeformten Anthropologie" (215).

Diese These deutet auch auf das leitende Interesse des Vf.s -
gewiß durch seinen Doktorvater Albrecht Peters mitgeprägt -, K.
Barth in eine viel größere Nähe zu E. Brunner (202), - mit Fr.
W. Graf und J. Moltmann (193-202) - zur idealistischen Philosophie
, - mit W. Härle (206-210) - zur „Christo-Ontologie" und
eben auch zum dialogischen Personalismus einzuweisen als K.
Barth sich selbst von seiner Christozentrik her verstand (215).

Betonte Aufmerksamkeit verlangt die darlegende Begründung
des Vf.s. Methodisch geht er von sieben Merkmalen für
das menschliche Sein in der Begegnung aus. Hatte M. Theunis-
sen in „Der Andere" die Unmittelbarkeit, die Gegenseitigkeit
und das Zwischen als personale Grundstruktur herausgestellt,
hatte R. Roessler in „Person und Glaube" Aktualität, Verba-
lität, Personalität, Relation und Dialektik genannt, so stellt B.
(218, Anm. 21) mit B. Langemeyer „Das dialogische Denken"
folgende Merkmale des Menschseins in Begegnung heraus:
Relationalität, Dualität, Interaktionalität, Verbalität, Subjektivität
, Analogizität und Perspektivität (13-15).

Diese sieben Merkmale entdeckt der Vf. in dem unveröffentlichten
Diskurs K. Barths über M. Bubers „Ich und Du" von
1943/44 (32-35) bei der erwähnten dezidierten Distanzierung
K. Barths von M. Buber (30-32). Mit diesen sieben Kennzeichen
befragt der Vf. das „Menschsein in der Dimension der
Begegnung bei Buber" (70-95). Mit diesen sieben kategorialen
Merkmalen dialogischen Seins durchmustert der Vf. K. Barths
Anthropologie in der Kirchlichen Dogmatik. Dabei kommt er
zu dem Ergebnis, daß - bei der unterschiedlichen Perspektive,
aus der Menschsein in der Begegnung beschrieben wird: „Buber
geht aus von der Perspektive des angesprochenen Menschen
. Barth beschreibt Menschsein gleichsam aus der Perspektive
des den Menschen anredenden Gottes" (1300 - beide
Denker in der „Grundstruktur" dialogischen Menschseins „verwandt
" sind (134). Im Kap. IV (135-190) „durchkämmt" der
Vf. abermals „Barths theologische und christologische „Fundierung
" der Anthropologie - den Barthschen Argumentationsgang
gleichsam gegen den Strich bürstend - auf diese dialogischen
Elemente" (187) und begründet so im Rückschlußverfahren
seine These: die „Spannung" (210) oder „Differenz" (215)
„zwischen Barths ausgeformter Anthropologie und seiner Forderung
nach deren christologischer Ableitung" (210). „Für die
wissenschaftliche Theologie dürfte es förderlich sein, wenn sie
- trotz Barths eigener, die Distanz betonender Aussagen - den
Dialogismus Bubers als ein dem Barthschen Werk gleichzeitiges
und dieses in vielem beeinflussendes Denken nicht länger
übersieht" (216).

Die Ergebnisse B.s werden gewiß einerseits nicht unumstritten
bleiben (vgl. M. Weinrich: Ein uneingestandener Erbe der
Ich-Du-Philosophie?, in: Zeitschrift für Dialektische Theologie
8, 1992, zumal B. dann Charakterisierungen der Barthschen
Theologie wie „doppelter Ansatz" (212), „Analogia entis"
(214) vornimmt und „Existentiale" in Barths theologischen
Entfaltungen entdeckt (214); A. Peters Brunner-Barth-Interpretation
wirkt hier prägend nach. Andererseits aber leitet die Ein-
zeichnung M. Bubers in die Geschichte des dialogischen Personalismus
und die - gewiß bisweilen schematisch wirkende -
Analyse der Parallelen kategorialer Merkmale dialogischen
Seins bei M. Buber und K. Barth zu Erkenntnisgewinnen, die
in Zukunft weiterverfolgt und diskutiert werden sollten.

Heidelberg Michael Plathow