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Ausgabe:

1993

Spalte:

127-130

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Weinfeld, Moše

Titel/Untertitel:

Deuteronomy 1 - 11 1993

Rezensent:

Lohfink, Norbert

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 2

128

heit bei Ezechiel. - Die Wortfolge ist auch in anderem Zusammenhang
zu beachten. So liegt z.B. bei 2Kön 8,27 (cons.
Imperf.) und 2Chr 22,3 (Perfekt) kein Gegensatzpaar vor, weil
gam hü vor dem Perfekt mitberücksichtig werden muß (100;
überhaupt müssen viele Beispiele und Zuordnungen auf lOOf.
überprüft werden).

Das alles schmälert das Verdienst von Rooker nicht. Die
Arbeit sollte vielmehr zu weiteren, ihre Methoden und Ergebnisse
klar darbietenden Arbeiten zur Sprachgeschichte des Hebräischen
anregen.

Berlin Ulrich Schröter

. Weinfeld, Moshe: Deuteronomy 1-11. A new Translation with
Introduction and Commentary. New York-London-Toronto-
Sydney-Auckland: Doubleday 1991. XIV, 458 S., 8 Taf. gr.8°
= The Anchor Bible, 5. Lw. $ 34.-. ISBN 0-385-17593-0.

Die Anchor Bible sollte einmal eine wissenschaftlich fundierte
Übersetzung mit knappen, vor allem philologischen und
orientalistischen Anmerkungen werden. Sie mausert sich immer
mehr zu einem breiten wissenschaftlichen Kommentar.
Das zeigt sich auch am ersten Teil des lange erwarteten Deu-
teronomiumskommentars des Jerusalemer Gelehrten Moshe
Weinfeld. Nach einer Einleitung (1-84) und einer Bibliographie
(85-122) folgen für Dtn 1-11, in Abschnitten gegliedert, jeweils
englische Übersetzung, "Textual Notes" (Textkritisches und
Philologisches), "Notes" (vor allem Semantisches, ferner Hinweise
auf biblische und außerbiblische Parallelen) und "Com-
ment" (ganzheitliche Auslegung) (123-455). Die Abschnitte
richten sich weder nach einer der Aufteilungen des masoreti-
schen Textes noch nach der im Text angelegten Buchstruktur,
sondern scheinen nach praktischen Gesichtspunkten vom Inhalt
, einzelnen Formbeobachtungen und Umfang her bestimmt
zu sein (1,1-5; 1,6-8; 1,9-18; 1,19-28; 1,29-46; 2,1-23; 2,24-37
usw.). Sondereinleitungen finden sich zum „historischen Überblick
" 1,6-3,29 (130), zum „zweiten Prolog des deuteronomi-
schen Gesetzbuches", 4,44-11,32 (2330 und zum Dekalog 5,6-
21(18) (242- 275). Praktisch ist die Kommentierung des Dekalogs
ein kleines Buch im Buche. Mitten im Buch wird man
nach S.272 durch 8 Hochglanztafeln überrascht. Sie enthalten
Landschaftsfotos, Landkarten, frühneuzeitliche Kunstwerke
und Fotos von Qumranfunden. Das scheint noch den Postu-
laten der früheren, eher populärwissenschaftlichen Konzeption
der Reihe zu entsprechen, ebenso wie die zum Teil in englischer
Übersetzung gegebenen Informationen bei hochspezialisierten
textkritischen und philologischen Ausführungen. Aus
der Einleitung ist mit Blick auf den Rückstand der Qumranver-
öffentlichungen der Abschnitt über den Text und die alten
Übersetzungen auf den zweiten Band (An-chor Bible 5A) verschoben
. Er soll dann den Kommentar zu Dtn 12-34 enthalten,
ferner die Indices zu beiden Bänden. Nicht nur der Reihe, auch
diesem konkreten Band sieht man wohl noch an, daß die
ursprünglich geplante Gestalt gesprengt wurde. Von der Bibliographie
(die umfangreich, trotzdem aber recht ungleichmäßig
ausgewählt ist) und von der Literaturbenutzung her habe ich
den Eindruck gewonnen, daß eine erste Fassung des Textes
spätestens Mitte der achtziger Jahre fertig gewesen sein muß.
In ihr wurden Quellentexte zitiert, aber relativ wenig auf Sekundärliteratur
zurückgegriffen. Dann wurde am Text in Auseinandersetzung
mit neu erscheinenden Arbeiten oder in Aufnahme
ihrer Ergebnisse weitergearbeitet - doch wurde dabei
nicht die gesamte ständig erscheinende Literatur aufgegriffen.
Aber was tuts? Wenn ein solches monumentales Werk nur
überhaupt herauskommt! Doch wäre zu wünschen, daß der
zweite Band bald erscheint, damit er das im ersten gesetzte
Maß nicht noch einmal sprengt.

Seit der 2. Aufl. des Kommentars von C. Steuernagel (1923)
ist kein wirklich ins Detail gehender wissenschaftlicher Kommentar
zum Dtn mehr erschienen. Der vor allem an den zahlensymbolischen
Geheimnissen des masoretischen Textes interessierte
, vielbändige Kommentar von C. J. Labuschagne (in der
Reihe "De prediking van het Oude Testament") ist noch nicht
vollendet. Der großangelegte Kommentar von L. Perlitt (in der
Reihe „Biblischer Kommentar") ist in seinen ersten beiden Lieferungen
, u.zw. ohne eine Einleitung, erst bis zu Dtn 2,7 gekommen
. Sollte der zweite Band von W. bald erscheinen, wird
dieses Werk einen Markstein in der Kommentierung des Dtn
darstellen. Seine Stärken lassen sich wohl jetzt schon benennen
: die breite Information über Textvarianten, vor allem aus
Qumran (unter "Textual Notes"), die gründlichen Diskussionen
zur Semantik von Wörtern und Wortverbindungen (unter "Notes
"), die Masse an herangezogenen Parallelen sowohl aus der
hebräischen Bibel als auch aus dem alten Orient, der griechisch
-römischen Welt und aus späteren jüdischen und christlichen
Texten (ebenfalls unter "Notes", aber auch unter "Com-
ment"), schließlich die Einblicke in die innerjüdische Wirkungsgeschichte
, vor allem im Bereich der jüdischen Liturgie (unter
"Comment"). Noch nicht voll abzusehen ist, wie W. mit dem dtn
Recht umgehen wird. Die genannten Schwerpunkte werden den
Kommentar auf lange Zeit unentbehrlich machen. Die Forschung
kann W. für die hohe Kompetenz und den ausdauernden
Fleiß, die hier sichtbar werden, nur applaudieren und danken
.

Das schließt jedoch nicht aus, daß man selbst da, wo der
Kommentar seine Stärken hat, auch an Grenzen stößt. Trotz der
Breite der textkritischen Information darf man keine Vollständigkeit
vermuten, kommt also an der Kontrolle der kritischen
Textausgaben nicht vorbei. Manchmal fehlen selbst Varianten,
auf die J. Hempel in dem viel eklektischer angelegten Apparat
der BHS hingewiesen hat (Beispiel: die Syndese-Asyndese-
Varianten des Samaritanus und der LXX für die Reihen von
Gesetzesbezeichnungen in 4,45; 5,31 [28]; 6,1; 7,11). Vor allem
dem samaritanischen Text scheint nicht die Aufmerksamkeit
zugewendet zu sein, die die Qumranfragmente erhielten. Man
darf auch nur ein Varianten-Inventar erwarten, keine Stellungnahme
. Kommt sie vor, dann fast stets zugunsten des masoretischen
Textes. Dabei stößt man z.B. in 2,8 anläßlich der von
vielen Exegeten für ursprünglicher gehaltenen Vorlage von
LXX und Vulgata auf das Gegenargument: "This reconstructed
reading requires too many corrections of the MT" (156). Bei
dem erstaunlich reichen Vergleichsmaterial aus Bibel und
Umwelt fehlt weithin eine Stellungnahme zur Art der anzunehmenden
Beziehung. Typische Formulierungen sind: "This cor-
responds to "Similarly, we find...", "This motif is also
found...", "Thus we read in the Hittite accounts of the forteenth
und thirteenth centuries B.C.E. that...", "It is indeed interesting
that both types of public anathema... are attested in Greek am-
phictyonic oaths..." Immer wieder vermißt man dann die zugreifende
Frage nach den historischen Zusammenhängen. Hilft
in solchen Fällen vielleicht die in der Einleitung entfaltete Gesamtsicht
weiter?

Leider hat die Einleitung ihre eigenen Probleme. Sie ist eher
essayistisch, nicht systematisch geschrieben. Es ist, als habe W.
die Kerne seiner zahlreichen älteren Arbeiten zum Dtn hintereinander
auf einem Faden aufgezogen und zu einer Kette verbunden
. Auch führen die Titel mancher Abschnitte in die Irre. Der
2. Abschnitt "Outline of Contents" stellt auch schon traditionsgeschichtliche
und literarkritische Thesen auf. Der 5. Abschnitt
"Composition and Structure" handelt allein von literarkritischen
Fragen, wobei er sich bald auf Dtn 27-28 konzentriert und für
diese Kapitel, vor allem mit Hilfe griechischer Analogien und
fast ohne spezifisch literarkritische Argumentation, die Theorie
einer Zweischichtigkeit aufstellt, von der man am Ende aber