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Ausgabe:

1993

Kategorie:

Praktische Theologie

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 1 18. Jahrgang 1993 Nr. 12

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„< rrenze" zu den Menschen am Rande der Kirche und außerhalb
der Kirche bewußt offen zu halten. Dem ordnet sich beider Offenheit
für die Tiefenpsychologie ein.

Zwar kommt Kerstin Voigt mehrfach auf Haendlers Strukturbegriff
zurück und schreibt: „Von grundlegender Bedeutung für
Otto Haendlers Seelsorgeversttadnis ist seine Beschreibung der
Praktischen Theologie als .Strukturtheologie der gegenwärtigen
Kirche'" (226). aber diese Feststellung gilt nicht nur für die Seelsorge
, sondern grundsätzlich für alle Zweige, für das gesamte
Verständnis der Praktischen Theologie.

Wenn Haendler gegen ein eingeengtes Verständnis Praktischer
Theologie auf den Methodenaspekt schreibt: „Vor dem Wie steht
das Wo, und wer nicht erfaßt hat. welch unentbehrlich bleibende
Grundlage das ist, der hat die ganze Praktische Theologie nicht
verstanden" (Grundriß, 13), so erhellt daraus ja die überragende
Bedeutung, die er der theologischen und anthropologischen,
einschließlich der psychologischen Analyse dieses „Wo" beigemessen
hat. wobei er in seiner Theologie und Anthropologie
liehen Paul Tillich auch stark durch Adolf Schlatter angeregt war,
was insbesondere die Predigtmonographie erkennen läßt.

Seine durchaus eigengeprägte Theologie, die Kerstin Voigt
m.E. zutreffend als eine stark vom Inkarnationsdenken geprägte
Theologie charakterisiert, wird aber leider von ihr nicht wirklich
zusammenfassend dargestellt.

So sehr dieses Fehlen einer expliziten Darstellung seines Verständnisses
der Praktischen Theologie als Strukturtheologie der
Kirche und ihres theologischen Hintergrundes m.E. auch zu bedauern
ist, so sehr ist hervorzuheben, daß implizit davon doch
Wesentliches deutlich wird. Es handelt sich - nach meinem Urteil
- insgesamt durchaus um eine kongeniale, Haendler weitestgehend
gerecht werdende Darstellung, der im Interesse des Faches
nur aufmerksame Beachtung gewünscht werden kann. Ich kann
mich als Rez. bei der Autorin nur sehr für diese verständnisvolle
Würdigung meines Lehrers und Vorgängers Otto Haendler bedanken
.

Ui'l-I IM

Hans-Hinrich Jcnssen

Hofft Gcsinc- Ehclos oder Allcinlcbend? Vom Ehczentrismus zur Eigenständigkeit
einer Lebensform (PTh 82. 1993. 223-238)

Lindemann, Friedrich-Wilhelm: Der alte Wunsch nach Bedeutung. Pastoralpsychologische
Überlegungen zum Trauritual (PTh 82, 1993. 212-222)

Staehelin. Balthasar: Mensch und Menschensohn. Vom Gesetz der Organentsprechung
zwischen Mensch und Gott anhand der Psychosomatischen
Basistherapie. Cuxhaven: Junghans 1992. 187 S. 8". ISBN 3-926848-25-1.

Ökumenik: Allgemeines

Frieling, Reinhard: Der Weg des ökumenischen Gedankens.

Eine Ökumenekunde. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
1992. 376 S. 8° = Zugänge zur Kirchengeschichte. 10. Kleine
Vandenhoeck-Reihe. 1564. Kart. DM 25,80. ISBN 3-525-
33582-2.

Die wechselvolle und kaum noch überschaubare Entwicklung
der ökumenischen Bewegung in den letzten Jahrzehnten hat es
mit sich gebracht, daß es kaum zusammenfassende Überblicke
und Darstellungen dieser Zeit gibt. Hervorragende Beispiele
sind die Fortsetzung des Standardwerkes von Rouse-Neill „Die
Geschichte der ökumenischen Bewegung 1948-1968" von Harold
E. Fey (deutsch 1974) und das vierbändige „Handbuch der
Ökumenik" von Hans Jörg Urban und Harald Wagner (1985-
1987). Nicht unerwähnt bleibe aber auch die meisterhafte Abhandlung
von Reinhard Slenczka, die sich im „Handbuch der
Dogmen- und Theologiegeschichte" Bd. 3 (1984), 426-603 findet
. Auch das 1987 in 2. Aull, in der ehemaligen DDR erschienene
Handbuch „Orientierung Ökumene" von Hans-Martin Mo-
derow und Matthias Sens hat sich als äußerst informativ und
verläßlich bewährt.

Jetzt hat Reinhard Frieling, Direktor des Konfessionskundli-
chen Instituts in Bensheim, einen neuen Versuch unternommen,
die Vielfalt ökumenischer Erscheinungsformen und Aktivitäten
zu erfassen und in ihren Schwerpunkten wie in ihren Verflechtungen
einsichtig zu machen. Dabei haben die Entwicklungen auf
globaler Ebene den Vorrang vor der „in mancher Hinsicht sehr
bedeutsamen Ökumene in Deutschland" (die dann aber doch auf
den Seiten 117-122 konzentriert dargestellt wird). Ebenso sollen
„die Wechselwirkungen von Welt und Kirche, von säkularen Bewegungen
und ökumenischer Bewegung" besondere Beachtung
finden (6).

Das Buch ist in zwei Teile gegliedert. Der erste Teil enthält
einen Überblick über die Geschichte der ökumenischen Bewegung
(17-181). der zweite schildert in sieben Kapiteln - durchgehend
belegt mit zielgerecht ausgewählten Zitaten aus ökumenischen
Dokumenten - die theologische Entwicklung des ökumenischen
Gedankens (182-351). Nach einem Abriß über den „Weg
des ökumenischen Gedankens" vom ersten bis zum 19. Jh. wird
das Hauptgewicht auf das 19. und 20. Jh. gelegt, wobei „die Konfessionen
und die Ökumene" einen breiten Raum einnehmen
(123-181), denn „an der Existenz getrennter Konfessionen hat
sich im wesentlichen nichts geändert" (123). Man könnte hinzufügen
: Im Gegenteil! wir erleben heute eine neue konfessionelle
Identitätssuche, die den hier gebotenen Rückblick besonders
aktuell und hilfreich erscheinen läßt.

Nach dem historischen Teil soll nun der zweite Teil „themenorientiert
die Entwicklung des ökumenischen Gedankens in der
Theologie nachzeichnen" (182). Das geschieht zunächst in einem
Kapitel „Liturgische Bewegung und ökumenische Spiritualität"
(183-197). Hier wird vor allem auf die Gebetsgemeinschaft unter
Christen Bezug genommen („Das gemeinsame Gebet ist das Her/
der Ökumene", 183), wobei der Gebrauch des Begriffs „Liturgische
Bewegung" in diesem Zusammenhang doch wohl mißverständlich
sein dürfte.

Das zweite Kapitel führt an die innerste Motivation der ökumenischen
Bewegung heran: „Bibelbewegung und Bibelauslegung
" (198-218), die in den einzelnen Konfessionen und in der
Ökumene bis hin zu den modernen kontextuellen Bibelauslegungen
befreiungstheologischer, materialistischer, tiefenpsychologischer
(Drewermann!) und feministischer Prägung verfolgt
werden.

Unter der Überschrift ..Lehrbewegung und Lehrkonsens" wird
im dritten Kapitel (219-265) die Frage nach der unaufgebbaren
Substanz und nach dem variablen Freiraum subjektiver Auslegung
in den einzelnen Kirchen aufgeworfen und auf Grund des
multilateralen Dialogs beim ORK sowie der zahlreichen bilateralen
Lehrgespräche „beispielhaft an den Themen .Glaubensbekenntnis
', .Abendmahlsgemeinschaft'. .Amt' und .Einheitskonzeptionen
' nachgezeichnet" (219). Dabei werden auch brisante
Fragen wie Papstamt und Frauenordination nicht ausgelassen.

Das vierte Kapitel wendet sich der Missionsbewegung und den
Missionstheologien zu (266-286). Hier wird der Wandlung der
..Westmission" zur ..Weltmission" und dem Unterschied zwischen
der „heilsgeschichtlichen" und der „verheißungsgeschichtlichen
" Methode im ökumenischen Gespräch nachgegangen.

Ebenso kommen die theologischen Prämissen eines Dialogs
zwischen den Religionen in ihrer Problematik eingehend zur
Sprache. Der Vf., sonst mit eigenen Urteilen eher zurückhaltend,
nimmt hier eindeutig Stellung: „Nur eine Christenheit, die radikal
das Evangelium von Jesus Christus und nicht sich selbst als Heil
der Welt verkündigt, hat der Menschheit etwas /n sagen (286).