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Ausgabe:

1993

Spalte:

1065-1067

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Welker, Michael

Titel/Untertitel:

Gottes Geist 1993

Rezensent:

Schwarzwäller, Klaus

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1065

Theologische Literaturzeitung 1 18. Jahrgang 1993 Nr. 12

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bereiten" will (137). Welche Schwierigkeiten das macht, zeigt
das vierte Kapitel, das die Christologie in ihrem Verhältnis zur
Trinitätslehre behandelt. Hier redet der Vf. davon, daß durch die
Inkarnation Wort und Geist in unserer menschlichen Geschichte
personalisiert seien. Das seien sie dann aber auch Gott gegenüber
, von dem sie ausgehen (184), während sie vor dem
Christusereignis „in Bezug zueinander und im Hinblick auf den
Vater noch nicht in einer interpersönlichen Beziehung stehen"

(195) , sondern „personalisierende Prinzipien in Gott" seien

(196) - was immer das sein mag, tres nescio quid, wie der Rez.
hier sagen muß. Was bleibt, ist ein zwiespältiger Eindruck. Die
pastorale Intention, die die Menschlichkeit Jesu in den biblischen
Texten betont, um zur Nachfolge dieses wahren Menschen
anzuleiten, beeindruckt ebenso wie die bibeltheologische
und dogmen- wie theologiegeschichtliche Gelehrsamkeit, die in
dem Buch ausgebreitet wird. Aber ich frage mich dabei, ob sich
beides miteinander verträgt: Eine erbauliche und auf Erbauung
ausgehende Darbietung der Jesusgeschichte hätte den theologischen
Scharfsinn nicht nötig, den der Vf. aufbieten muß, um die
Kompatibilität seiner Gedanken zur Geist-Christologie mit dem
klassischen christologischen Dogma nachzuweisen. Ob ihm das
gelungen ist, ob es überhaupt gelingen kann, darüber will ich
hier nicht urteilen.

Erlangen Friedrich Mildenberger

Welker, Michael: (iottes Geist. Theologie des Heiligen Geistes
. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 1992. 333 S.
80. ISBN 3-7887-1403-4.

Auf Gott den Schöpfer rekurrierte man bei dem Versuch, in
einer Epoche der Umbrüche grundlegende Ordungsgefüge zu
erfassen und theologisch auszuarbeiten. Es war Gott der Sohn,
in dem man als „die Offenbarung" und als Bringer des anhebenden
neuen Äons Sinn und Ziel in den Umbrüchen sowie Aufgabe
von Kirche und Glauben erfaßte. Und nun, da bestehende
Strukturen erdrücken und zerbrechende desorientieren, rückt
Gott der Heilige Geist in den Vordergrund. Seit den großen Arbeiten
von Congar und Mühlen mehren sich die einschlägigen
Monographien und Sammelbände. Wie der Forschungsüberblick
durch Schütz gezeigt hat, besteht Nachholbedarf, zudem
stimulieren die ökumenischen Gespräche (filioque-Debat-
te). So geschieht pneumatologische Arbeit innerhalb eines komplexen
Geflechtes ökumenischer Impulse, theologischer und
theologiegeschichtlicher Defizite und situationsbedingter Erwartungen
. Nur daß im Unterschied zur Deutlichkeit des Vaters
als des Schöpfers und Erhalters und zur Konkretheit des Sohnes
als eines Menschen der Heilige Geist ebenso ungriffig wie ung-
reifbai ist So stellt sich die Aufgabe, einen kategorialen Rahmen
zu gewinnen, der eine adäquate pneumatologische Entfaltung
ermöglicht - sei es im Rückgriff auf die Tradition (z.B.
Mühlen) oder auf die Schrift (z.B. Noordmans), auf die Zeitgegebenheiten
(z.B. Dantine) oder auch mehr phänomenologisch
(z.B. Taylor). Inhaltlich aber sind Person und Werk des Heiligen
Geistes als unverwechselbar herauszuarbeiten.

W.s Buch ist in Einleitung und fünf Teile gegliedert. Die Ein-
leitung (15-57) ist programmatisch: Angesichts der allgemeinen
wie der theologischen Situation wird abgrenzend eine „realistische
Theologie" konzipiert, deren spezifische Züge das Ernstnehmen
der biblischen Überlieferungen in ihrer Verschiedenheit
, das Uberprüfen von Gotteserfahrungen und Erwartungen
an Gott sowie das Aufschließen der Wirklichkeit Gottes aus der
Spannung zwischen Erwartungen und Überlieferungen darstellen
(54f.)- Naturgemäß erhebt sich die Frage nach der pneumato-
logischen Notwendigkeit des Programms. Für eine positive Antwort
wird Geschlossenheit der Durchführung nicht ausreichen
können, sondern wird es einer „Gegenrechnung" bedürfen, wie

sie z.B. Pannenberg im christologischen Teil seiner Systematischen
Theologie paradigmatisch durchfühlt.

Nach einer plerophoren Kennzeichnung des Heiligen Geistes
als Offenbarer der schöpferischen Macht, der Kraft des Erbarmens
und des Konfliktes Gottes mit den Mächten und Eigenmächtigkeiten
dieser Welt (16f) geht es sodann in Teil 1 (58-
108) insbesonder um das AT.

W. ist die Wirkung von „Solidarität und Loyalität" (64), die uneingeschränkte
Menschlichkeit der in Anspruch genommenen Personen (vgl. 66)
und das Aufbrechen bestehender Strukturen (vgl. 95) wichtig. Bei alledem
frappiert der zwar lebendige, aber methodologisch kaum nachvollziehbare
Umgang mit der Schrift. Für die ..realistische Theologie" werden hier als
Kriterien genannt: die immer neue Überprüfung des herrschenden Geistes,
die Bereitschalt der Verbindung des eigenen Geschicks mit der eigenen Prophezeiung
sowie die theologische Ideologiekritik (90f); doch wenn dies z.B.
anhand des Aultretens des Micha ben Jinda so dargestellt wird, als gehe es
um die Vermittlung von Wahrheitserkenntnis an die Öffentlichkeit (94), so
überrascht die dabei begegnende Mischung aus Piatonismus. Pragmatismus.
Verzweckung der Wahrheit und Überspielen der konstruierten Aporie. Das
ergibt eine Flexibilität, wie sie die proponierte Methode schwerlich empfiehlt
.

Teil 2 (109-173) handelt vom „Geist der Gerechtigkeit und
des Friedens".

Dabei wird die Offenbarung wesentlich im Medium der Sozialgeschichte
nach dem Kriterium von Gerechtigkeit und Erbarmen (vgl. 150) erfaßt und
näherhin dreierlei ausgeführt: die Zusammengehörigkeit von Recht. Erbarmen
und Gotteserkenntnis als durch den Geist gewirkt; das jenseits jeder
Politik von unten oder von oben allumfassende erneuernde Wirken des Geistes
hin auf Erhöhung der Erniedrigten und auf Buße der Unterdrücker (vgl.
I24ff); die gemeinsame, politisch und sozial sich auslegende Erschließung
der von Gott beabsichtigten Zukunft (146), womit zugleich eine abstrakte
Allkausalität Gottes überwunden ist (1560- Insgesamt fügt der Geist in eine
umfassende Finalität hin auf Zeugnis und Lob Gottes ein (168).

Teil 3 (174-213) skizziert eine Geist-Christologie. Aus der
Fülle der gottlosen Menschen baut Jesus in der Kraft des Geistes
das Reich Gottes, und zwar im Medium der Verkündigung, die
für das Wirken des Geistes die Voraussetzung schafft

Dabei wird der Geist als der Christi identifiziert, der „in die unterschiedlichsten
Lebenszusammenhänge hineinwirkt, sie umgestaltet und durch sie
bzw. aus ihnen heraus Gottes Gegenwart kenntlich werden läßt" (208). und
das abermals in Recht, Eirbarmen und Gotteserkenntnis.

Teil 4 (214-258) behandelt die Ausgießung, durch die
Getrenntes aufeinander bezogen wird und ein „Kraftfeld" (ab
220) des gebenden und empfangenden Anteils an der vom Geist
gestifteten universalen Gemeinschaft entsteht.

Dieses tritt zunehmend in den Vordergrund, wobei der platonisch-offenbarungstheologische
Gesamtrahmen sich in Ethisierung und Entsprechung
(die Liebe z.B. „entspricht" dem Geist, 233) erweist. Letzlich läuft es darauf
hinaus, daß es dank des Geistes zur Erfüllung des Gesetzes komme (vgl.
239). allerdings nicht auf dem Boden der deutlich markierten Voraussetzung
, daß das Gesetz in Christus bereits erfüllt und überboten ist; die Erfüllung
wird nun der Liebe zugeschrieben als der „Macht des Selbsterweises
Gottes" (240). wie in Jesus Christus offenbar. Die offenbarungslheologische
Grundfigur des „Wissen und Verwirklichen" (E. Chr. Hirsch) ist am Tage.

Teil 5 endlich (259-313) handelt, nachdem bis dahin die Ökonomie
im Blick war, von der Person, die W. „konkretisiert und
realisiert" sieht in der Gemeinschaft derer, die „eines Geistes
mit dem Auferstandenen und Gekreuzigten werden" (285f), was
darin sich erweist, daß sie nicht selbstzentriert ist und den vielfältigen
Gefährdungen unserer Welt entgegenwirkt, (vgl. 283).

Deutlich differenziert W. zwischen ihr und dem Geist, zugleich aber lehnt
er eine allein innertrinitarische Erfassung ab, insofern zur Person ein Resonanzbereich
gehört. Dieser ist für den Sohn der Geist, für diesen aber besagte
Gemeinschaft (289f). so daß der Geist „öffentliche Person" (Überschrift)
ist. Damit freilich werden Welt und Geschichte zu Prädikaten der mit der
ökonomischen und in sie hinein verfließenden immanenten Trinität. Wenn
sodann Sündenvergebung und Wiedergeburt - traditionell dem Geist appro-
priiert - als befreiende Inanspruchnahme des menschlichen Lebens für
Recht. Barmherzigkeit und Gotteserkenntnis (bes. 294f) gedeutet werden, so
ist das zugleich umgekehrt eine Präzisierung der bisherigen Aussagen; und
der Satz: „Unzweideutig wurde das Wirken des Geistes in seiner Bindung an
den gekommenen Messias, in seiner Bindung an das Wirken Jesu Christi"
(310) markiert noch einmal Sach- wie Erkenntnisbasis des Vorgelegten. -
So weit zum Inhalt.