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Ausgabe:

1993

Spalte:

1058-1063

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Titel/Untertitel:

Überholte Verurteilungen? 1993

Rezensent:

Herms, Eilert

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1057

Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 12

1058

Farelly, M. John: Belief in (Jod in Our Time. Foundational
Theology L Collegeville, MN: The Liturgical Press 1992. 381
S. 8° = A Michael Glazier Book. Theology and Life Series,
35. ISBN 0-8146-5706-0.

Von einer Grundlegung der Theologie erwarte man sich nicht
die Vorstellung interner Erkenntnisquellen und Organisationsprinzipien
, nach denen das theologische Sprachspiel im weiteren
Aufbau der Dogmatik ungestört geregelt werden kann, sondern
eine Auskunft über das Recht, die Gründe oder doch wenigstens
die Plausibilitäten, die eine theologische Äußerung für sich
beansprucht. Diese verständliche Erwartung bedarf freilich der
philosophischen Bildung, damit sie sich nicht nur an einer Sorte
von Gründen orientiert. Zwischen Offenbarungspositivismus
und Letztbegründung könnte ja durchaus Raum sein für unterschiedliche
Gestalten der Fundamentaltheologie.

So versteht der amerikanische Benediktiner M. John Farelly,
der in Washington (D.C.) Theologie lehrt, seine "Foundational
Theology", deren erster Band nun vorliegt, als eine „kritische
Evaluation" der Bedeutung und Gründe unseres (!) Gottesglaubens
. Fundamentaltheologie ist hier nicht Apologetik als Überführung
der Ungläubigen, sondern eine gesprächsbereite Selbstverständigung
der Glaubenden im Blick auf die Schwierigkeiten
(5). die man „in unsrer Zeit" mit dem Glauben haben kann. Sie
bleibt von der kirchlichen Lehre der systematischen Theologie
unterschieden und ist doch eine Hinführung in diese.

Solche Schwierigkeiten sind nicht bloß theoretischer Natur,
sondern ergeben sich als Nebenprodukte kultureller Lagen. F. hat
dabei vor allem den sich in post-traditionalen Gesellschaften
ergebenden Naturalismus des historischen Bewußtseins im Blick:
die Überzeugung, nur die hier und jetzt gegebenen, innergeschichtlichen
Perspektiven hätten für das Leben Bedeutung (21).
Gegen sie hilft keine Überidentifikation mit einer früheren Kulturstufe
, wie es der Fundamentalismus versucht, vielmehr muß im
gegenwärtigen historischen Bewußtsein dasjenige Selbstverständnis
wieder freigelegt werden, das als praktisches und als
theoretisches von Haus aus auf Transzendenz verweist (24).

Als Teil eines Gesamtentwurfes teilt sich die Fundamentaltheologie
in: "Meaning and grounds of our faith in God" (I);
Taith in God through Christ" (II) sowie Ausführungen zu Beim
II und Norm der systematischen Theologie (III). Der vorliegende
erste Band enthält Teil I. Ein einführendes Kapitel behandelt
Grundprobleme, auf die in unserem Jahrhundert unterschiedliche
theologische Modelle geantwortet haben, deren
Wahrheitsmomente im Vaticanum II integriert sind (2. Kap.).
Das dritte Kapitel fragt nach der Rolle der Schrift, das vierte erhellt
die gegenwärtige Lage durch eine theologiegeschichtliche
Betrachtung (von der Patristik bis zu J. H. Newman). Mit dem 5.
Kap. beginnt die eigentliche Durchführung: der Weg zur Bekehrung
und die Selbsttranszendierung menschlichen Lebens (5.
Kap.) einerseits, die Struktur menschlicher Erfahrungserkenntnis
und der Glaube an Gott andererseits (6. Kap.) werden in Beziehung
gesetzt. Die Frage nach der Personalität Gottes ist ein
Anlaß auch für eine kulturübergreifende Auseinandersetzung
mit dem Buddhismus (7. Kap.). Nachdem in dieser Auseinandersetzung
die Personalität Gottes als transzendente Personalität
verstanden wurde, ergibt sich die Frage nach der Immanenz
Gottes als Frage nach seinem Verhältnis zur menschlichen Geschichte
, insbesondere in Gestalt der Theodizeefrage (8. Kap.).
Ausführungen zur religiösen und theologischen Sprache beschließen
den ersten Band.

Die katholische Diskussion um die Inkulturation des Glaubens
scheint geeignet, das Selbstverständnis apologetischer
Theologie nachhaltig zu verändern. Wird nämlich die kulturelle
Situation zur grundbegrifflichen Voraussetzung dieser Disziplin
gemacht, so ergibt sich eine Beschreibung ihrer Aufgaben, die
tendenziell das Wahrheits- durch ein Kontextualisierungspro-

blem zu ersetzen scheint. Die Apologeten der frühen Kirche sind
dann vor allem durch ihre Beziehung zur griechisch-römischen
Kultur ausgezeichnet (115ff), während etwa die reformatorische
Rückkehr zur Schrift als Ausschluß eben dieser kulturellen Welt
verstanden werden kann (127). Die europäische Aufklärung des
17. und 18. Jh.s wird als Auflösung der Kultursynthese ins andere
Extrem gelesen: während Luther mit der Betonung des Gottes
der Schrift die Philosophie ausschloß, wird nun auf den Gott der
natürlichen und der moralischen Erfahrung und gegen die
Schrift gesetzt (150). Mit dem Ende des 19. Jh.s ist auch in
Amerika der Unglaube zu einer Option innerhalb der Kultur
geworden, so daß die Religion nicht mehr den Status eines
"unifying and defining dement of the entire culture", sondern
den der Subkultur hat (J. Turner).

Die Frage, wie eine katholische Theologie auf diese Situation
antwortet und wie sie sich in dem Problemfeld 'Universalismus
versus Kulturrelativismus' bewegt, erhält konsequent die folgende
Gestalt (165): "How then in the modern world should we
attempt to mediate belief in God?" Und ihre Antwort besteht in
dem exemplarischen Hinweis auf die Umkehr gerade moderner
Menschen zu Gott (166-178), die als Selbsttranszendierung
("going beyond and above") mit einem modernen Verständnis
von Personalität kompatibel erscheint. F. meint, die Entwicklungspsychologie
Erik Eriksons mit der traditionellen Deutung
der Person verknüpfen zu können (183ff). Ist diese nach Thomas
v. Aquin auf dem Weg zu einer Erfüllung ihres Menschseins, so
enthält die Konstitution von Ich-Identität im Durchgang durch
den Lebenszyklus eine Selbstorientierung in Richtung auf eine
absolute Dimension des Seins als einer Tiefendimension des
Menschseins (202).

Doch ist diese Kombination von Psychologischem und Metaphysischem
nicht an der bloßen Individualidentität orientiert (cf.
307). Es besteht auch eine Beziehung zwischen der ursprünglichen
Sozialität des Menschen und der das eigene Selbst trans-
zendierenden Ausrichtung auf ein gemeinsames Gut. die an der
Diskussion der ethischen Begründung der amerikanischen Demokratie
, vor allem an den Veränderungserfahrungen im politischen
Kampf gegen Rassismus deutlich werden soll (205-214).
Dabei bestätigt sich: "The most sustained interpretation and cri-
tique in the modern world of human activity in the political Order
which takes into aecount the whole human being is that offe-
red by the social teachings of the Catholic Church" (212).

Eine Phänomenologie menschlichen Wissens, die sich einer
kognitionspsychologischen Entwicklungstheorie (Piaget u. J.
und E. Gibson) anlagert, wird in den Kontext der metaphysischen
Epistemologie Thomas von Aquins integriert (223). Insofern
nun die Gründe gegen den Gottesglauben sich aus dem antimetaphysischen
Affekt der Moderne speisen, dieser aber durch
die Einsicht überwunden werden soll, jede kognitive Interaktion
mit der Welt sei "implicitly metaphysical" (229), bestätigt sich
nicht nur aus der individualpsychologischen Entwicklung und
der unhintergehbaren Wertorientierung der Gesellschaft, sondern
auch im Rahmen der Erkenntnistheorie: "to be human is to
be oriented toward God" (335).

Frankfurt a.M. Michael Moxter

Lange, Dietz [Hg.J: Überholte Verurteilungen? Die Gegensätze
in der Lehre von Rechtfertigung, Abendmahl und Amt
zwischen dem Konzil von Trient und der Reformation -
damals und heute. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
1991. 136 S. gr.80. Kart. DM 19,80. ISBN 3-525-56830-4.

Der Band (im folgenden: ÜV) bietet die - für die Fakultät vom
Dekan herausgegebene - offizielle Stellungnahme des Professorenkollegiums
der Göttinger Theologischen Fakultät zu der öku-