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Ausgabe:

1993

Spalte:

1022-1023

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Early Iron Age through the ninth century BCE 1993

Rezensent:

Weippert, Helga

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 12

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stellt, eröffnet allerdings den Reigen mit der „Kemit", dem
Schulbuch des Mittleren Reiches, dessen Lehrstoff in einen
Musterbrief eingekleidet ist (Kap. I). Es folgen Briefe von und
an den König (II), von und an den Wesir (III) und chronologische
Kapitel mit Briefen aus dem Alten und frühen Mittleren
Reich (IV), aus dem späteren Mittleren Reich (V) und der 18.
Dynastie (VI), ferner drei Kapitel mit Briefen der Ramessiden-
zeit (VIII-X) und schließlich eine kleine Probe aus der 21.
Dynastie (XI). Kapitel XII gibt einen Einblick in die Briefe, die
vom Alten bis in das Neue Reich an Tote und im Neuen Reich
an Götter geschrieben wurden, um deren ungünstige Einflüsse
auf die Lebenden abzuwehren bzw. günstige zu erbitten oder
magisch zu erzwingen.

Mit Kapitel VII hat der Vf. das Auswahlprinzip der Authentizität
erneut durchbrochen und die literarische Streitschrift des
Papyrus Anastasi I eingeschaltet, einen von Wissen und Ironie
funkelnden, zum Kunstwerk gestalteten Musterbrief der Rames-
sidenzeit, und auch in andere Kapitel sind fingierte Schreiben
aufgenommen. Sowohl in Werken der Schönen Literatur (Briefwechsel
zwischen König Sesostris I und dem nach Syrien emigrierten
Helden in der Erzählung des Sinuhe: Nr. 8-9 S. 22f.),
als auch in Inschriften königlicher Geschichtsschreibung (Brief
des Hyksoskönigs an den Herrscher von Kusch auf der 2. Kamo-
sestele: Nr. 14 S. 26; Brief des Vizekönigs von Kusch an Ram-
ses II auf der Kubanstele: Nr. 19 S. 29; Brief des Hethiterkönigs
Muwatallis an Ramses II im sog. Gedicht auf die Schlacht von
Kadesch: Nr. 20 S. 29f.) werden Briefe als Stilmittel verwendet,
im Unterricht der Schreiberschulen dienen sie als Lehrstoff (Nr.
31-32, S. 34f.). Schon daraus geht hervor, daß der Bestand nicht
homogen ist. Er umfaßt Königsdekrete, die auf Gedenkstelen
publiziert, auf Grabwänden und -steinen von Beamten zum eigenen
Ruhm verewigt worden sind, aber natürlich vor allem Originalbriefe
und deren Kopien auf Papyrus bzw. - in den unteren
Bevölkerungsschichten - auf Ton- und Kalksteinscherben.
Sowohl zeitlich als auch räumlich ist das Material in Clustern
überliefert, wird also eindeutig dem Zufall der Erhaltung verdankt
. Dennoch lassen sich Unterschiede zwischen den Briefformularen
sowohl in chronologischer Hinsicht als auch nach dem
sozialen Stand von Empfänger und Absender ausmachen.

Wente hat 355 Briefe wechselnder Länge in seiner Anthologie
versammelt. Vorangestellt sind eine Zeittafel, eine Landkarte
und ein instruktives Vorwort (1-12), das von den Einleitungen
zu jedem Kapitel ergänzt wird. Am Ende findet man bibliographische
Nachweise zu den einzelnen Quellen (221-37), der von
Wente benutzten Sekundärliteratur (gleichzeitig eine Bibliographie
zum ägyptischen Briefwesen: 238-50), ein Glossar mit
Wort- und Sacherklärungen (251-54) und Indices der Götter und
wichtigsten Personen, Orte und Sachen (255-71), nur leider kein
Register der übersetzten Quellen.1

Zu den Bereichen, die gänzlich ausgeklammert wurden,
gehören das reiche originale Briefmaterial der Spätzeit und der
ptolemäisch-römischen Epoche und erst recht die Briefkultur
der koptischen Zeit, der A. Biedenkopf-Ziehner eine Studie
gewidmet hat (Würzburg 1983). Die Musterbriefe des Neuen
Reiches wurden nur in zwei Exemplaren berücksichtigt (Nr. 31-
32, s.o.), da sie in einer vorzüglichen Übersetzung von R. A.
Camonos zugänglich sind (Late-Egyptian Miscellanies, Oxford
1954); auch aus dem Korpus der Late Ramesside Letters, die
Wente selbst bearbeitet hat, ist nur ein Ausschnitt vertreten, freilich
in anderer sachlicher Ordnung und mit verbessertem Textverständnis
(Nr. 288-329, S. 171-202) und mit zwei neuen Quellen
(Nr. 330-331, S. 203f.). Völlig außer Betracht bleiben die
Werke der Schöngeistigen Literatur, denen der Brief als Rahmengattung
zugrundeliegt. Der Typus setzt mit dem Moskauer
Literarischen Brief im frühen l.Jt.v.Chr. ein und blüht vor allem
in der demotischen Erzählkunst zur Ptolemäer- und Römerzeit
.

Dem Bibelwissenschaftler, obwohl er einige Sorten von realen
und fiktionalen Briefen in seiner literarisierten und redigierten
Uberlieferung kennt, wird vor diesem Hintergrund bewußt werden
, wie viel von dem einst Vorhandenen verloren ist. Das betrifft
vor allem das Alltagsleben, da bisher aus dem antiken Palästina
zumindest der älteren Zeit kaum originale Schreiben vorhanden
sind. Zur Illustration dessen, was sich in der Korrespondenz der
kleinen Leute in Ägypten widerspiegelt, seien daher abschließend
einige Themen genannt, die in Wentes Auswahl aus den Funden
in der Handwerkersiedlung von Deir el-Medine im ausgehenden
2. Jt. Gegenstand brieflicher Kommunikation waren (Kap. IX; S.
132-70): Arbeit am Königsgrab, Löhne und Versorgung der
Arbeiter, Verwaltungsdinge. Probleme mit langsamen Arbeitern
und der Bezahlung von Eseln, Ausstattung von Wohnhäusern,
kultische Dienste, Glückwünsche, Leistungen der staatlichen
Wäscherei, Krankheit und Tod, Familie, Ehebruch, Kleinhandel,
Versorgung mit Schreibmaterial.

Leipzig Elke Blumenthal

' Die vier mit alten Nummern genannten Ostraka des Ägyptischen
Museums der Universität Leipzig sind mit folgenden Inventarnummern zu
verzeichnen: Nr. 183 S. 141 OLeipzig 11 = Inv. 1900: Nr. 203 S. 148 OLeip-
zig 12 = Inv. 1901; Nr. 207 S. 150 OLeipzig 5 = Inv. 1895; Nr. 214 S. 152
OLeipzig 16 = Inv. 1905.

Tappy, Ron E.: The Archaeology of Israelite Samaria. I: Early
Iron Age through the Ninth Century BCE. Atlanta: Scholars
Press 1992. XIX, 295 S. m. Abb. gr.80 = Harvard Semitic
Studies, 44. Lw. $ 44.95. ISBN 1-55540-770-6.

Unmittelbar nachdem 1957 der dritte und letzte Band mit den
in Samaria gemachten Grabungsergebnissen erschienen war
(Joint und British Expedition 1931-1933, 1935) setzte eine bis
heute nicht zur Ruhe gekommene Diskussion über die von den
Ausgräbern vorgeschlagenen Datierungen ein. Dabei ging es in
erster Linie um die Keramik aus den frühen Perioden [-D3, für
die K. M. Kenyon aufgrund stratigraphischer und historischer
Erwägungen Zeitansätze vorsah, die sich mit Beobachtungen an
anderen palästinischen Grabungsorten nicht vereinbaren ließen.
Kenyon hatte für ihre Datenfindung nur die in Fundamentgräben
und unter Böden entdeckten Scherben berücksichtigt, von denen
sie annahm, daß sie während des Bauens angefallen und damit
in etwa mit der Errichtung der Gebäude zeitgleich seien. Für die
historische Einordnung der Grabungsresultate ging sie von
lKön 16,24 aus und verstand diesen Vers so, daß Omri für seine
neue Hauptstadt einen bis dahin unbewohnten Hügel gekauft
habe. Zusammen mit der geschilderten stratigraphischen Methode
mußte diese historische Prämisse zu dem Schluß führen, daß
alle Tongefäße und Scherben, die unter der ersten Stadtanlage
aus der Eisenzeit entdeckt wurden, in die Zeit Omris und damit
in die erste Hälfte des 9. Jh.s v. Chr. gehörten. Auch die folgenden
Etappen in Samarias Baugeschichte interpretierte sie in
enger Anlehnung an atl. Aussagen und verteilte demnach die
ersten drei Perioden auf die Könige Omrik (I), Ahab (II) und
Jehu(III).

Die Kritik, die bislang gegen Kenyons stratigraphisches und
historisches Vorgehen geäußert wurde, hat der Vf. in seiner als
Dissertation an der Harvard University verfaßten Untersuchung
erneuert. Er beanstandet, wie viele vor ihm, daß die unter den
Bauten entdeckte Tonware zeitlich zu eng auf deren Errichtungsdatum
bezogen sei, obwohl sie lediglich einen terminus
post quem für die Bauaktivitäten liefere. Er vermißt Angaben zu
der auf den Böden vorgefundenen Keramik, die allein Auskunft
darüber geben könne, wie lange ein Gebäude bewohnt wurde.
Daß stattdessen Kenyon jede festgestellte Bauphase im Palastbereich
mit Hilfe biblischen Überlieferungen israelitischen Kö-