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Ausgabe:

1993

Spalte:

1020-1022

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Letters from ancient Egypt 1993

Rezensent:

Blumenthal, Elke

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 12

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kein Gegenstück. A. erklärt den Hinweis auf das Fest des Apol-
lon mit seiner Bedeutung als Gott der Epheben und ihrer Aufnahme
unter die Bürger der Gemeinde, die für den Abschluß
der Telemachiehandlung wichtig ist.

Die kalendarische Bestimmung des entscheidenden Tages, an
dem Odysseus seine Herrschaft wieder antritt, setzt A. an die
Grenze eines Zyklus von 19 Jahren, des großen Jahres, an dessen
Ende der Neumond wieder in die Wintersonnenwende fällt,
und Sonnen- und Mondzyklus wieder in Harmonie miteinander
stehen. An diesem Punkte kosmischer Harmonie, zudem in der
Zeit beginnender Fruchtbarkeit im Frühjahr, entscheidet sich
die Frage nach der rechten Herrschaft; „Die Fruchtbarkeit des
Bodens kommt von ganz alleine, wenn Gottes Ordnung aufrecht
steht." (419).

Eine Stärke der Arbeit, deren mannigfache Aspekte hier nur
unzureichend referiert werden können, liegt in der Integration
verschiedener Ansätze der Religionswissenschaft und Kulturanthropologie
: Ein funktionaler Zugang, der der Annahme von
survivals kritisch gegenübertritt, die Deutung der Feste, der
Komplex der Initiation. Auch die Ergebnisse älterer Zugänge
finden Berücksichtigung, so in der Deutung des kalendarischen
Systems. Insofern ist das Werk in der ehrwürdigen Reihe
RGW eher den Versuchen als den Vorarbeiten zuzuordnen.

Die heuristische Fruchtbarkeit des Ansatzes erweist sich in
der Applikation an die Texte; ein schönes Beispiel ist die Darstellung
des Polyphem-Abenteuers (292-344).

Die Diskussion über das antike und vorderasiatische Königtum
ist von A. mit einem eigenständigen Beitrag bereichert
worden, nach dem im Zusammenhang von Herrschaft und
Gedeihen der Natur die Begrenzung der Herrschaft aufscheint,
ein Konzept, das zur Überwindung einiger Annahmen zum
sakralen Königtum dienen kann.

Kiel Udo Rüterswörden

Böhlig, Alexander: Gnosis und Synkretismus. Gesammelte
Aufsätze zur spätantiken Religionsgeschichte, Bd. 1 u. 2.
Tübingen: Mohr 1989. XXII, VI, 765 S. gr.8« = Wissenschaftliche
Untersuchungen zum Neuen Testament, 47 u. 48.
Lw. DM 128,-. ISBN 3-16-145299-2 u. 3-16-145454-5.

Nachdem schon im Jahre 1968 unter dem Titel „Mysterion
und Wahrheit" gesammelte Beiträge zur spätantiken Religionsgeschichte
von A. Böhlig erschienen waren, gibt es jetzt, umfangreicher
und in zwei Bänden, eine Art Fortsetzung (mit Aufsätzen
von 1966 an). Angeregt hat das, wie gleich zu Beginn
seinesVorwortes B. selbst sagt, sein Tübinger Kollege M. Hen-
gel, von dem auch der Gedanke stammt, etwas über die Relevanz
der hier gesammelt wieder vorzulegenden Dinge zu sagen;
und B. tut dies in Kürze und unter dem Gesichtspunkt der
Bedeutung der Orientalistik für die Theologie in dem Rest des
Vorwortes. Dabei werden die Kreise immer enger. Den meisten
Raum nimmt verständlicherweise der nächstengere Kreis ein,
wo es um die Wissenschaft vom Christlichen Orient geht (dem
Lehrfach des Autors), um dann schließlich auf den inneren
Kreis zu kommen, der die ganze Sammlung tatsächlich bestimmt
und zusammenhält, die Bedeutung der Erschließung
neuer orientalischer Quellen für die Kenntnis vom frühen Christentum
. B. darf ja als ein hervorragender Pionier der Arbeit auf
solch „jungfräulichem Boden" gelten, und er hat sich als solcher
gleich an zwei der (für diesen Bereich) sensationellen Funde
des Jahrhunderts erwiesen, nämlich durch Grundlagenarbeit
an den koptischen Manichaica aus Medinet Madi und der kop-
tisch-gnostischen Bibliothek von Nag Hammadi. In den Aufsätzen
bezieht sich B. immer wieder auf diese (damals und heute)
neuen Texte, besonders auf die, die er selbst herausgegeben

oder mitherausgegeben hat, d.h. die manichäischen Kephalaia,
die Titellose Schrift aus NHC II (UW), die koptisch-gnosti-
schen Apokalypsen aus NHC V (ApcPl; 1/2 ApcJac; ApcAd)
und das Ägypter-Evangelium aus NHC III und IV. Ja, in allen
diesen Aufsätzen geht es im wesentlichen um die sachliche
Auswertung dieser (und anderer) neuen Texte über die Editionen
hinaus und unter den verschiedensten Fragestellungen. So
bilden diese Aufsätze ihrerseits auch wirklich ein Corpus und
erweisen so die Legitimität ihrer Wiedererweckung aus den
„Gräbern" in den verschiedensten Festschriften oder an anderen
entlegenen Orten. B. bemerkt am Ende des Vorwortes, daß seine
hiesigen Aufsätze Revisionen im Vergleich zu ihrer Erstfassung
erfahren haben und ordnet sie unter sachlichen Gesichtspunkten
in vier große Gruppen, wie folgt:

[. Allgemeine Probleme (nämlich): „Zur Struktur gnostischen Denkens"
(3-24); „Einheit und Zweiheil als metaphysische Voraussetzung für das
Enkratieversländnis in der Gnosis" (25-53); „Zur Bezeichnung der Widergötter
im Gnostizismus" (54-70); „Der Name Gottes in Gnostizismus und
Manichäismus" (71-102); „Zur Frage der Prädestination in Manichäismus
und Christentum" (103-126), „Zu gnostischen Grundlagen der Civitas-Dei-
Vorstellung bei Augustinus" (127-134); „Zur Vorstellung vom Lichtkreuz in
Gnostizismus und Manichäismus" (135-163); „Jakob als Engel in Gnostizismus
und Manichäismus" (164-180); „Byzanz und der Orient Gedanken zu
ihrer Begegnung" (181-197); „Zur Rhetorik im über Graduum" (198-209).

II. Nag Hammadi: „Zur Frage nach den Typen des Gnostizismus und seines
Schrifttums" (213-228); „Zum .Pluralismus' in den Schriften von Nag
Hammadi. Die Behandlung des Adamas in den Drei Stelen des Seih und im
Ägypterevangelium" (229-250); „Die griechische Schule und die Bibliothek
von Nag Hammadi" (251-288); „Triade und Trinität in den Schriften
von Nag Hammadi" (289-311); .Zum Gottesbegriff des Tractatus Triparti-
tus. Nag Hammadi 1.5" (312-340); „Das Ägypterevangelium als ein Dokument
des mythologischen Gnostizismus" (341-370).

III. Philologisches zu Nag Hammadi: „Zur Ursprache des Evangelium
Veritalis" (373-394); „Zur Apokalypse des Petrus" (395-398); „Autogenes.
Zur Stellung des adjektivistischen Attributs im Koptischen" (399-413);
„Das Problem aramäischer Elemente in den Texten von Nag Hammadi"
(414-453).

IV. Manichäismus: „Zur religionsgeschichtlichen Einordnung des Manichäismus
" (457-481); „Der Synkretismus des Mani" (482-519); „Zum
Selbstverständnis des Manichäismus" (520-550); „Denkformen hellenistischer
Philosophie im Manichäismus" (551-585); „Das Neue Testament und
die Idee des manichäischen Mythos" (586-611); „Das Böse in der Lehre des
Manu und des Markion" (612-637); „Ja und Amen in manichäischer Deutung
" (638-653).

Mit dem dankenswert ausführlichen Stellen-, Autoren- und
Namen- und Sachregister am Ende (655-765), das auch die
Aufsätze von „Mysterion und Wahrheit" nachträglich mitaufschlüsselt
, ist die Chance gegeben, daß nicht eines von B.s
Worten „zu Boden fällt".

Berlin Hans-Martin Schenke

Meitzer, Edmund S. [Ed.]: Letters from Ancient Egypt. Transl.
by E. F. Wente. Atlanta: Scholars Press 1990. XII, 271 S. 8» =
SBL. Writings from the Ancient World, l. Kart. $ 16.95.

Es war zweifellos eine gute Wahl der Society of Biblical
Literature, die neubegründete Serie Writings from the Ancient
World mit einer Übersetzungssammlung ägyptischer Briefe zu
beginnen, denn dieser Teil der pharaonischen Überlieferung
war bisher für Fachfremde kaum erreichbar. Als Editor mehrerer
Einzelbriefe und als Übersetzer der Gruppe der Late Ramesside
Letters (Chicago 1967) stand ihr in E. F. Wente ein höchst
kompetenter Spezialist zu Diensten, so daß sich ein lobendes
Urteil über den Aufbau des Buches, die Auswahl der Texte und
die Qualität der Übersetzungen von selbst versteht.

Aus der Fülle des Überlieferten, die bereits 1970 in einer
Monographie von A. M. Bakir (Ancient Egyptian Epistologra-
phy, Le Caire) systematisch behandelt worden ist, hat Wente
Originalbriefe aus der Zeit vom Alten Reich (Ende 3. Jt. v.
Chr.) bis zur 21. Dynastie (Anfang 1. Jt. v. Chr.) zusammenge-