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Ausgabe:

1993

Spalte:

1017-1019

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Auffarth, Christoph

Titel/Untertitel:

Der drohende Untergang 1993

Rezensent:

Rüterswörden, Udo

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1017

Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 12

1018

Albrecht, Clemens: Überwindung des Nationalismus? Zur Bedeutung
moderner Nationalideen in Deutschland und Frankreich (ZW 64, 1993, 92-
104)

Arnold. Matthleu: Entre la France et TÄllemagne: la Faculte de Theologie
Protcstante de Strasbourg de 1919 ä 1945 (RHPR 72, 1992, 391-412)

Hal/.er, Friedrich-Martin |Hg.]: Ärgernis und Zeichen. Erwin Eckert -
Sozialistischer Revolutionär aus christlichem Glauben. Bonn: Pahl-Rugen-
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Beintker, Michael: Ostdeutsche Befindlichkeiten im Vereinigungsprozeß
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Henrich, Dieter: Was ist die deutsche Nation? Versuch zur Selbstverständigung
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Horstmann. Kai: Informationstechnologie und Rede von Gott. Zur Eignung
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Janowski, Norbert: Umkehr statt Rückkehr. Das Ende des christlichen
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IMilik, Jözef Tadeusz:] Intertestamental Essays in honour of Jözef
Tadeusz Milik. Ed. by Z. J. Kapera. Krakow: Enigma Press 1992. 347 S., 1
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Alter Orient

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New York: de Gruyter 1991. XVIII, 655 S. m. Abb., 2 Falttaf.
gr.8° = Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten,
39. Lw. DM 228,-. ISBN 3-11-012640-0.

Der heimkehrende Odysseus vergleicht - noch in der Maske
des Bettlers - Penelope mit einem König, „welcher die Götter
fürchtet und über viele und kräftige Männer gebietet und Gerechtigkeit
übt; und es trägt die Erde, die schwarze, Weizen und
Gerste, von Frucht sind schwer belastet die Bäume, ständig
gebären die Schafe, das Meer gibt Fische in Fülle bei so trefflicher
Herrschaft, und unter ihm blühen die Völker."(Od. 19,
109f.; 527).

Die Vorstellungen dieses sog. Segensliedes, die das Königtum
mit dem Gedeihen der Natur verbinden, sind nach A. weder
im herkömmlichen Sinne eines sakralen Königtums zu verstehen
, noch als Überbleibsel (survival) einer vergangenen Epoche,
sondern sie haben eine Funktion sowohl innerhalb des Epos als
auch - im Rahmen der Feste - in der antiken Lebenswirklichkeit
.

Mit der Diskussion neuerer Konzepte über die Jahresfeste
setzt die Abhandlung ein. In ihnen kommt vielfach die Umkehr
der gewohnten sozialen Ordnung zum Ausbruch; dennoch greift
ihre Beschreibung als „Ventilfest" zu kurz; vielmehr versteht A.
Pesic als „Mitteilung, d.h. Kommunikation über die bestehende
Ordnung an die jüngeren Glieder der Gesellschaft, ihre spielerische
Umkehr durch die, die vor dem Eintritt in den Vollstatus
des Bürgers stehen. Vergewisserung der zuschauenden Gesellschaftsglieder
über die Berechtigung der Ordnung, in der
Umkehr der Hierarchie aber auch der Überprüfung dieser Normalordnung
mit der immanenten Möglichkeit, daß sich diese
nicht als die beste erweist." (31)

Ein Moment, das das Jahresfest durchspielen kann, ist die
Möglichkeit des Untergangs der Gemeinschaft. Hier sieht A.
den Ort für weite Bereiche der atl. und altorientalischen Schöpfungstheologie
. Für sie ist nach A. nicht die Frage nach dem Ursprung
bestimmend - dies ist vielmehr ein Kennzeichen der
griechischen Philosophie —, sondern vielmehr das Konzept der
Neuschöpfung bzw. der creatio continua (43), vor allem in der
Auseinandersetzung mit den Chaosgrößen. Deren Thema ist
nicht die Vernichtung der Feinde der kosmischen Ordnung, sondern
vielmehr die Frage nach der Legitimität der Herrscher. Es
existiert eine Tendenz der Kontrolle über den König, nach der er
Rechenschaft für seine Taten ablegen muß; die Gottheit zeigt
sich nur gnädig, wenn der König gerecht herrscht. So kann A.
für die Odyssee die Begrenzung der Macht als das Grundgesetz
der Gesellschaft umschreiben; „Nicht Sakralisierung im Sinne
einer Entfesselung der Macht, sondern ihre Begrenzung ist der
Sinn des Sakralen Königtums. Wenn diese Ordnung eingehalten
wird, wird sich auch der Friede in der reichen Fülle der Natur
einstellen."(589)

Daß es im Alten Orient und Alten Testament Anschauungsmaterial gibt,
das als Vorläufer und Begleiter dieses Konzepts des griechischen Epos plausibel
ist, kann kaum bestritten werden, jedoch dürften einige Thesen Widerspruch
auslösen. So ist es nach dem Enuma Alisch eine eher unwahrscheinliche
Vorstellung, daß Tiamat ihre Macht wiedergewinnen kann (49). Deutlich
redet das Epos in IV, 104.135 von dem Leichnam Tiamats. Es ändert
auch eine heftige Kritik an dem theologischen Umgang mit dem Begriff
„Schöpfung" nichts daran (38ff.), daß in der Priesterschrift Schöpfung als
einmaliger Akt und nicht als creatio continua beschrieben wird; daß hier die
Frage nach den Ursprüngen zum Ausdruck kommt, hat auch der von A. herangezogene
Gewährsmann Gunkcl (42f.) stets betont, wobei er sogar von
einer langen innerisraelitischen Überlieferungsgeschichte ausging. In diesem
Zusammenhang ist es mehr als ein formaler Mangel, wenn A. das Fragezeichen
hinter dem Aufsatztitel von Stähli in WuD 10 nicht mitzitiert
(604, 44).

Das Moment der Herrschaftslegitimation spielt nach A. auch
im Ezechielbuch eine Rolle; in den Sprüchen über und gegen
Tyrus werde der Götterliebling zum König erhoben; sein Scheitern
zeige an, daß es Zeit sei, daß der wahre Herrscher dem
öden, lebensvernichtenden Zustand der Welt ein Ende macht.

Von der Datierung in Ez 40,1 nach M und LXX ausgehend,
korreliert A. das israelitische Neujahr zeitlich mit dem babylonischen
Neujahrsfest, wobei eine Ümdeutung vollzogen ist: „Ein
Gegen-Fest, Jahwes Neujahrsfest, imaginierte er [Ezechiel] seinen
niedergeschlagenen Leidensgenossen. Chaos und Verkehrte
Welt der Ungerechtigkeit und Gottlosigkeit, die Ansprüche der
Möchte-Gem-Könige und endlich Sieg des scheinbar Unterlegenen
, ...das sind die drei Stadien, die seine Botschaft strukturieren
." (114f.). Die Machtausübung des irdischen Herrschers ist
im Verfassungsentwurf des Ezechielbuches durch die Bindung
an die Gerechtigkeit begrenzt; die Erwägungen A.s zu den Herrschertiteln
S. 95 Anm. 26 sind indes mißlungen.

Den Hauptteil der Arbeit nimmt die Untersuchung der Odyssee
ein, die A. in Verbindung mit dem Anthesterienfest setzt; die
verbindenden Züge sind der Ausgang der Toten, die Mädchen,
die am Strick hängen, die Umkehr der Ordnung, wonach die
Bettler und Sklaven den Herren spielen, den Herren indes, der in
Bettlerkleidern kommt, ungestraft beleidigen dürfen, die
Ankunft des Herren in einem Wunderschiff, die Königin, die die
Kontinuität der Herrschaft verbürgt (583).

Ein Problem liegt darin, daß die Wiederherstellung der Herrschaft
des Odysseus an der Grenze zwischen den Jahreszeiten
Winter und Frühling liegt: „Die verkehrte Herrschaft der tyrannischen
und angemaßten Hausherren, die doch in Wirklichkeit
Gäste sein sollten, spielt im Winter. Odysseus' Rache mit Hille
der Götter findet gerade dann statt, da der Frühling eintritt. Doch
dieses Datum ist noch genauer beschrieben: als Neumondtag
und als Fest des Apollon." (403). Dies fügt sich nicht zu den
Anthesterien, in denen der Gott Dionysos einen hervorragenden
Platz einnimmt; auch die Bogenprobe in der Odyssee hat hier