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Ausgabe:

1993

Spalte:

977-978

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

Wort, Sakrament

Titel/Untertitel:

Charisma 1993

Rezensent:

Stein, Albert

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 11

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dem er versucht zugleich, die „Wirkungsfaktoren" zu erfassen,
durch die sich die Kirche sowohl als Förderer wie als Hemmnis
der modernen Welt erwiesen habe (80-97). Angesichts dieser ambivalenten
Stellung der Katholischen Kirche zur staatlich-politischen
wie rechtlichen und wirtschaftlichen Moderne muß auch
die Frage, ob und inwieweit die Kirche in der ökologischen, wissenschaftlich
-technologischen und durch moralische Orientierungslosigkeit
gekennzeichneten Krise des modernen Bewußtseins
eine Hilfe sein könne, „zwiespältig ausfallen" (105). Diesem
Zwiespalt versucht der Vf. dadurch entgegenzuwirken, daß
er unbeschadet der deskriptiven Erfassung der Differenzierungsprozesse
der modernen Gesellschaft an dem vormodernen Gegenüber
von politischem Staat und Kirche festhalten will. „Eine
Institutionenbeziehung besteht zwischen Kirche und Staat als der
zur Einheit organisierten politischen Gemeinschaft." (187) Daher
sollte die Kirche „nicht darauf verzichten, dem Staat als solchem
gegenübcrzutreten"( 159). Dieses Plädoyer richtet sich negativ gegen
die systemtheoretische Auffassung, derzufolge die moderne
Gesellschaft im Zuge ihrer funktionalen Differenzierung in plura-
le Subsysteme mit jeweils Spezifischen Funktionen zerfalle (158).
In positiver Hinsicht rekurriert dieses Plädoyer auf die alteuropäische
Tradition der Politik (207), die der Vf. als universale Sichtweise
des Politischen im Anschluß an C. Schmitt (180) zu reformulieren
trachtet. Dieser Sichtweise soll „eine potentiell umfassende
...Ordnungs-, Integrations- und Entscheidungsaufgabe" des
Staates ebenso entsprechen wie der ,,universale(...) Anspruch" der
Kirche (158). die „nicht allein auf dem Boden der Gesellschaft
agiert.... vielmehr dem Staat... eigenständig als Repräsentant der
von ihm nicht (mehr) umgriffenen .geistlichen Zwecke' gegenü-
bertritt" (159). In diesem doppelten Anspruch kommt ein normativer
Staats- und Kirchenbegriff zum Ausdruck, der sowohl an
der Wirklichkeit der vom Wirtschaftssystem domonierten, gleichwohl
funktional differenzierten Gesellschaft als auch an der Realität
der konfessionellen Spaltung der Kirchen vorbeigeht, die der
Vf. ansonsten nüchtern zu beschreiben weiß. Der darüber hinaus
für die Kirche(n) bloß als „Anspruch" formulierbare „Status"
(161), geistliches „Gegenüber" (178) des politischen Staats zu
sein, wird zusätzlich dadurch in Frage gestellt, daß, wie der Vf.
zugleich betont, der Anspruch der kirchlichen Lehre „in der Praxis
der säkularen Gesellschalt nur von einer kognitiven Minderheit
getragen und akzeptiert" (169, vgl. III) werde. So hinterlassen
die historisch und systematisch durchaus erhellenden Analysen
zum Verhältnis von Kirche und Moderne und von Staat und
Kirche einen zwiespältigen Eindruck: Der sowohl dem alteuropäischen
Verständnis des Politischen wie einer „Theologie
der Politik" (2011 verpflichtete „konservative" Ordnungsdenker
fällt dem auf dem Boden des modernen rationalen Rechts argumentierenden
„Liberalen" ins Wort - et vice versa.

Wien Falk Wagner

Krämer, Peter: Kirchenrecht I. Wort - Sakrament - Charisma.
Stuttgart-Berlin-Köln: Kohlhammer 1992. 172 S. gr.8» =
Kohlhammer Studienbücher Theologie, 24,1. Kart. DM 26,-.
ISBN 3-17-010306-7.

Schon der jetzt anzuzeigende erste Band dieses Studienbuches
zum römisch-katholischen Kirchenrecht läßt erkennen, daß das
Werk nicht nur für Priesteramtskandidaten hilfreich, sondern auch
für evangelische Theologen interessant sein wird. Der erste Grund
lieg! in seinem vom Thema her einleuchtenden, für katholische
I csci aber ungewohnten Aulbau. Krämer folgt nicht dem Aufbau
des Codex Iuris Canonici von 1983, dessen Inhalt er den Lesern
nahebringen will, sondern weicht charakteristisch davon ab. Nach
einer einleitenden Besinnung über die Kirche und ihr Recht aus
katholischer Sieiii behandeil er nicht, wie sein Gesetzbuch.

zunächst deren ständische Gliederung und hierarchischen Aufbau:
vielmehr bespricht er das, was in der Gemeinde geschehen soll,
aus rechtlicher Sicht. Ein solcher Aufbau macht nicht nur die
Hauptsache zur Hauptsache, sondern kann auch eher das Ohr der
Studierenden erreichen als eine Darstellung kurialer oder episkopaler
Interna. Der Rez. hat seinerzeit auch seiner eigenen Darstellung
des evangelischen Kirchenrechts einen ähnlichen Aulbau
gegeben1.

Der zweite Grund ist sein gründliches und zwar katholisch-korrekt
, aber doch ökumenisch verständnisvolles Eingehen auf Praxisprobleme
in der gegenwärtigen katholisch-evangelischen Gemengelage
. So wird zwar den geltenden Regeln gemäß die eucha-
ristische Gemeinschaft abgelehnt, jedoch eine Lanze für die bessere
Würdigung ökumenischer Wortgottesdienste gebrochen
(66ff.). Daß der neue Codex immer noch eine Taufe von Kindern
gegen den Willen der Eltern erlaubt, wird bedauert (82). Die
Regelungen für die bekenntnisverschiedene Ehe werden verständnisvoll
ausgelegt (117), insbesondere auch für den Fall der
evangelischen Erziehung von Kindern (121 f.). Die seelsorgerliche
Problematik einer Zweitehe nach einer für die katholische
Kirche unwirksam erachteten zivilen Ehescheidung werden ausführlich
geschildert (135-139) und Lösungsmöglichkeiten erörtert
, ohne den Grundsatz der unwiderruflichen ehelichen Treue
preiszugeben.

Überraschend, aber überzeugend und erfreulich ist der neue
Ansatz des Vi s für die Behandlung der körperlichen Ehehinder-
nisse des kanonischen Rechtes; nicht mehr wie üblich die Sicherung
des Fruchtbarkeitszieles der Ehe, sondern das Recht auch
der Behinderten auf die Ehe (1291".). Für den evangelischen Leser
ungewohnt, aber doch klärend ist es, wenn das Recht der Orden
und religiösen Gemeinschaften unter dem Gesichtspunkt des
Charisma dargestellt wird (14411).

Man darf gespannt sein, welche neuen Aspekte der Vf. für die
Behandlung der kirchlichen Strukturen entwickeln wird. Schon
jetzt kann gesagt werden, daß mit dem neuen Studienbuch jeder
evangelische Leser gut fahren wird, der die kirchenrechtliche Einbindung
seines katholischen Gesprächspartners besser verstehen
möchte.

Hrühl Albert Stein

Albert Stein, hvangelisches Kirchenrecht. Lernbuch, Neuwied 119X0, 3.
Aull im Druck.

Vries, Jan: Gottesbeziehung und Gesetz. Grund. Inhalt und
Grenze kanonischer Normierung im Bereich des religiösen
Lebens des Gläubigen. St. Ottilien: EOS 1991. LXI, 308 S.
gr.8° = Münchener theologische Studien. III. Kanonistische
Abt., 44. ISBN 3-88096-344-4.

Anlaß für die Themenstellung dieser Arbeit war eine Wendung
in der Promulgationsbulle des C1C/1983 „Sacrae discipli-
nae leges" (25. 1. 1983), wonach der Codex als unerläßliches
Instrument anzusehen sei, durch dessen Hilfe die erforderliche
Ordnung im persönlichen Leben gewahrt werde. Anders als im
CIC/1917, der - einem Wort Ulrich Stutz' zufolge - „fast ausnahmslos
Geistlichkeitsrecht" enthielt, fasse der nunmehrige
CIC/1983 das Leben des Gläubigen ausdrücklich ins Auge. Ein
wichtiger Teil der das Verhalten des Gläubigen betreffenden
Gesetze berühre das persönliche religiöse Leben des einzelnen.
Der damit in Zusammenhang stehenden Problematik ist das
Buch gewidmet, wobei eine Begrenzung auf jene im geltenden
Recht verankerten Rechte und Pflichten vorgenommen wird, die
I. unabdingbar zum „Grundstatus" eines jeden Christifidelis
gehören und sich 2. unmittelbar an diese Gläubigen selbst richten
. Ausgeklammert werden daher die nur mittelbar (z.B. über