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Ausgabe:

1993

Spalte:

969-970

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Großmann, Klaus

Titel/Untertitel:

Schröer, Henning [Hg.], Auf den Spuren des Comenius 1993

Rezensent:

Müller, Werner

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Seite 1

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969

Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 11

970

nach dem Gerechtigkeitsmaßstab des fairen Kompromisses zu entscheiden
. Er fordert deshalb, den Zuzug von Wirtschafts- und Armutsflüchtlingen
nach utilitaristischen Kriterien mit den materiellen
Interessen der Hinheimischen kompatibel zu machen und (statt
über das Asylrecht) durch ein Einwanderungsgesetz zu steuern.
Alle diesbezüglichen politischen Vorschlage (inklusive der Zuer-
kennung der Staatsbürgerschaft für „ausländische Inländer" auf
der Basis des ius soli) sind vernünftig und notwendig. Es bleibt
aber leider vage, wie der Vf. den deontologisch verbindlichen
Kern des starken personalen Anspruchsrechts auf Asyl, das er für
die Gruppe der de-facto-Flüchtlinge öffnen möchte, näher abgrenzt
. Das Kriterium des „immateriellen Interesses" (200f) dürfte
hier ebensowenig zureichend sein, wie das andere der „von der
Sache her für jedermann moralisch einsichtigen" „personalen
Grundbedürfnisse" (241). Die Unklarheit an diesem Punkt geht
darauf zurück, daß es der Vf. „weder für möglich noch für nötig"
gehalten hat, „die äußerst komplizierte Diskussion um die naturrechtliche
Begründung der Menschenrechte, insbesondere des
Asylrechts, differenzierter zu erörtern" (225). Auch den Versuch
einer Präzisierung des Begriffs des Politischen, der dem neuzeitlichen
Institut des Verfolgtenasyls sein Profil gegeben hat, sucht
man vergebens. Darin kommt eine Unterbestimmung der Differenz
zwischen Liebesethos und Gerechtigkeitsmoral zum Ausdruck
, die aus protestantischer Sicht ebenso zu befragen wäre, wie
der fundamentalethische Ansatz bei naturalen Gegebenheiten
(196ff).

T. hat eine gut lesbare, materialreiche und engagierte Arbeit
vorgelegt. Die gegen den aktuellen politischen Trend gerichteten
Konkretionen des Buches verdienen von sciten evangelischer
Ethik volle Untersützung, auch wenn man es nicht als „Die Antwort
der christlichen Sozialethik" bewertet.

Heidelberg Hans-Richard Reuter

lösen damit ihr Anliegen ein, dem interessierten Leser einen
ersten Zugang zu Comenius zu eröffnen. Sie schreiben so, daß die
von ihnen ins Auge gefaßten Zielgruppen (Schüler der Sekundarstufe
II, studentische Ausbildung, Erwachsenenbildung) gut mit
den klar strukturierten Überlegungen arbeiten können.

Den einführenden systematischen Überlegungen folgen im
Hauptteil des Bandes Quellentexte zu Leben und Werk von
Comenius. Aus Briefen und der Autobiografie ergeben sich interessante
Einblicke in einzelne Stationen seines Lebens. Stich-
wottc wie „Theologie des Kindes", „Die Chance des frühen Lernens
", „Die dreifache Aufgabe der Erziehung", „Weise, gesunde
Erziehung", „Elementares Verstehen", „Die Bedeutung des freien
Spiels", „Praktisches lernen", „Musikalische Früherziehung",
„Religiöse Früherziehung", „Erziehung in früher Kindheit als
Aufgabe von Elternhaus und Gemeinde", „Die Bedeutung des
Vorbildes", sowie „Gehorsam und Zucht" werden durch Zitate
illustriert. Die durch Comenius vorgenommene Unterscheidung
von sieben Lebensstufen wird durch die anthropologischen Aspekle
„Die Bestimmung des Menschen", „Die Lernfähigkeit des
Menschen" und „Vom Lernen in den Lebensstufen" erläutert.
Seine schulreformerischen Überlegungen kommen ebenso zur
Sprache wie seine Gedanken zur Kirchenreform und „Weltver-
besserung". Überschriften wie „Friedenspädagogik". „Theologie
der Schöpfung", „Ökumenisches Lernen", „Ganzheitliches
Denken" und „Bildung für alle" unterstreichen die Jahrhunderte
übergreifende Bedeutung von Comenius.

In einem abschließenden, sehr knappen Teil wird die Wirkungsgeschichte
angedeutet. Auch hier liegt den Autoren nicht
an Vollständigkeit. Sie präsentieren vielmehr Äußerungen, die
Einzelaspekte hervorheben und so das Gespräch und die Auseinandersetzung
mit Comenius anregen können. Der Band endet
mit dem Hinweis auf weiterführende Literatur.

Leipzig Werner Müller

Praktische Theologie:
Katechetik/Religionspädagogik

Goßmann, Klaus, u. Henning Schröer [Hg.]: Auf den Spuren
des Comenius. Texte zu Leben, Werk und Wirkung. Göttingen:
Vandenhoeck & Ruprecht 1992. 174 S. m. 22 Abb. 8« = Sammlung
Vandenhocck. Kart. DM 24-.ISBN 3-525-01613-1.

Anläßlich des 400. Geburtstages des Theologen und Pädagogen
Johann Arnos Comenius (1592-1670) haben Klaus Goßmann
und Henning Schröer Texte unter dem Titel „Auf den
Spuren des Comenius" zusammengestellt. Sie nutzen das Gedenken
, um den vielseitigen und bedeutenden Denker des 17.
Jh.s anschaulich vorzustellen und selbst sprechen zu lassen.

Die Konzeption des Bandes ist schlüssig: In einem ersten
Schritt wird der zeitgeschichtliche Hintergrund in knapper und
übersichtlicher Form dargestellt. Den Daten der politischen Geschichte
folgt der Lebenslauf des Comenius. Dann werden die
wesentlichen Etappen in der Geschichte der böhmisch-märischen
Brüderunität markiert. Den geistesgeschichtlichen Bezugsrahmen
erhellen die Ausführungen zu den Merkmalen und
Erscheinungsformen des „Umbruchs zur Neuzeit".

In einem zweiten Schritt werden die philosophischen, pädagogischen
und theologischen Hauptgedanken des Comenius kurz,
beschrieben. Sein Verhältnis zu Descartes, der pädagogische Ansatz
und die theologischen Anliegen gewinnen in überblicksartigen
Zusammenfassungen Profil. Mit diesen beiden ersten Teilen
ist den Autoren auf knapp 50 Seiten eine gut verständliche Einführung
in Umfeld, Leben und Werk des Gelehrten gelungen. Sie

Schweitzer, Friedrich: Die Religion des Kindes. Zur Problemgeschichte
einer religionspädagogisehen Grundfrage. Gütersloh
: Mohn 1992. 458 S. 8°. ISBN 3-579-01752-7.

Das „Jahrhundert des Kindes" scheint in der Evangelischen
Theologie doch noch einige späte Blüten zu treiben. Nach der
Arbeit P. Müllers über Kinder im Neuen Testament von 1991
liegt nun die Tübinger Habilitationsschrift von F. Schweitzer
über „Die Religion des Kindes" vor. Der Untertitel verrät, daß
es sich in erster Linie um eine problem- bzw. ideengeschichtliche
Untersuchung handelt. Gleichwohl ist Schweitzers Intention
eine systematische. Seine Leitfrage - im Schnittpunkt von Pädagogik
, Entwicklungspsychologie, Phänomenologie, Religionspädagogik
und Theologie - lautet,„wie die Religionspädagogik
in ihrer Geschichte das Kind und seine religiöse Entwicklung
aufgefaßt und zu berücksichtigen versucht hat" (20). Das
schließt die Frage nach dem Vorhandensein einer Vorstellung
vom Kindsein und von kindgemäßen Glauben bzw. nach deren
geschichtlichen Voraussetzungen und theologischem Kontext
ein. So leistet Sch.s Untersuchung gleichzeitig einen Beitrag zur
Anthropologie des Kindes und zur Geschichte der Kindheit.

Unter diesem Blickwinkel arbeitet der Vf. die Geschichte der
reformatorischen Tradition von Luther bis in die Mitte dieses
Jh.s in detaillierter Weise, vor allem in einer Fülle von ineinandergreifenden
Studien zu einzelnen Persönlichkeiten auf (erster
Teil: „Umgang mit der modernen religionspädagogisehen Kindheitsvorstellung
" von 1830 bis 1950). Der dritte, abschließende
Teil der Arbeit behandelt die „Religion des Kindes als religionspädagogische
Grundfrage - Ergebnisse und Perspektiven". Hier
werden in vier Kapiteln der Zusammenhang von Lehren. Lernen
und Verstehen als religionspädagogischem Grundmotiv, das