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Ausgabe:

1993

Spalte:

963-965

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Pawlas, Andreas

Titel/Untertitel:

Statistik und Ethik 1993

Rezensent:

Spiegel, Yorick

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963

Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 11

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den. Die Beschränkung der Bibliographie auf die internationale
Diskussion in der katholischen Kirche (unter Einschluß der
katholisch bestimmten philosophischen Diskussion) geschah,
weil die Forschungsstätte der evangelischen Studiengemeinschaft
(FEST) in Heidelberg das Forschungsprojekt „Evangelische
Ethik und Biotechnologie" durchgeführt hat und in zwei
Bänden eine Darstellung der deutschsprachigen und der internationalen
evangelischen Diskussion gegeben hat. Die nicht immer
durchgehaltene Beschränkung auf die katholische Ethik erweist
sich als ein - angesichts der 463 aufgezeichneten und zum
großen Teil in ihrem Inhalt dargestellten Titel - verständlicher
Mangel. Die große Zahl der aus dem Zeitraum von 1975-1990
aufgeführten Titel zeigt das „explosionsartig" angewachsene
Interesse an diesem Teil der Bioethik an, das sich nur zum Teil
aus der Entwicklung der neuen Biotechniken selbst erklärt.

Die „Abstracts" sind nach einem einheitlichen Dreischritt aufgebaut
, der einen Vergleich der Veröffentlichungen verschiedener
Autoren erleichtert. „In einer Exposition werden die zentralen
Kernaussagen prägnant zusammengefaßt; es folgt die Entfaltung
der Gedankengänge; den Abschluß bildet jeweils eine kritische
Kommentierung und Einordnung in größere Sinnzusammenhänge
." Vorausgestellt sind den Abstracts „Subject Hea-
dings" (sofern der Inhalt sich nicht klar aus dem Titel ergibt), die
sich nach den berührten naturwissenschaftlichen Sachverhalten
richten, dann eine Liste von sogenannten „Deskriptoren", die die
verhandelten Sachverhalte und ethischen Aspekte genauer" benennen
. Daraufbaut ein ausführliches „Deskriptorenverzeichnis"
auf, mittels dessen man schnell Beiträge zu einer Thematik
ermitteln und vergleichen kann. Noch detaillierter ist das fast 80
Seiten umfassende Schlagwortverzeichnis. So kann sich jeder
schnell einen Überblick über die ethische Diskussion einer Sachfrage
verschaffen. Begreiflicherweise war es - bei den auch im
katholischen Bereich recht unterschiedlichen Auffassungen in
ethischen Grundfragen und Methoden (worauf G. W. Hunold in
seiner Einleitung verweist) nicht leicht, die verschiedenartigen
Beiträge nach einem solchen Raster darzustellen und zu kommentieren
. Inwieweit das immer sachgerecht gelungen ist, entzieht
sich bei der Fülle der Literatur der Beurteilung des Rez.
Ohne Zweifel bietet dieses Werk aber eine hervorragende Grundlage
zur Orientierung in der kaum noch überschaubaren Fülle der
Literatur zu den im Untertitel genannten Sachgebieten und darüberhinaus
.

Bonn Ulrich Eibach

Pawlas, Andreas: Statistik und Ethik. Zur Problematik der
Integration statistischer Aussagen in der Ethik, dargestellt an
der Sozial- und Wirtschaftsethik Alexander von Oettingens.
Frankfurt/M.-Bern-New York-Paris: Lang 1991. XIV, 340 S.
8° = Europäische Hochschulschriften. Reihe XXIII: Theologie
, 431. Kart. DM 89,-. ISBN 3-631 -44101 -0.

Im Juli 1992 brachte DER SPIEGEL, interessiert an den religiösen
Einstellungen, wieder einmal Daten über den Glaubensstand
der Deutschen (25/1992). Dabei wurde als kirchlich allein
die Meinung eingestuft, daß gute Werke Gott gnädig stimmen
und daß es wörtlich zu verstehen sei, daß Jesus nach drei Tagen
auferstanden, sein Grab verlassen und zu Gott zurückgekehrt ist.
Diese zwei Aussagen als Form entschiedener Christlichkeit zu
behaupten, ist erkenntlich falsch, dennoch erfreuen sie sich in
den seit Jahren laufenden Befragungen immer wieder fröhlicher
Neubelebung.

Umso gespannter ist man auf eine Untersuchung, die einen
grundsätzlichen Beitrag zur Diskussion über das Verhältnis statistischer
Verfahren zur Theologie, genauer zur Sozialethik,
verspricht. Der Vf. zeigt gleich zu Anfang seine Absicht auf:

Erstens möchte er die Statistik als gewichtige Ergänzung zur
theologischen Urteilsbildung aufweisen. Dabei steht Alexander
von Oeningen im Mittelpunkt, aber es werden auch Vorläufer
seines Bemühens zitiert. Zum Zweiten möchte er auf die Möglichkeit
hinweisen, die die heutige Religionssoziologie, aber
auch die Soziologie überhaupt zur Erfassung von Lebensformen
erarbeitet hat. Zum Dritten schließlich will er die Theologie als
eine kritische Handlungswissenschaft begreifen, die sich durch
das Moment der Glaubensgewißheit auszeichnet und damit im
steten Gegensatz zu dem neuzeitlichen Ansatz steht, die Wissenschaften
, und damit auch Sozialstatistik und Soziologie,
durch die Vernunft zu begründen.

Bei den verschiedenen Fragestellungen, die der Vf. anspricht,
setzt er also immer bei Alexander von Oeningen ein. Dabei greif)
er in die Geschichte zurück, so wenn es sich um erste Erarbeitungen
statistischer Verfahren handelt oder wenn es um einfache
Ansätze von Kirchenstatistik geht. Aber er verfolgt auch manches
bis in die Gegenwart hinein, besonders in Bezug auf die in
Teil II (d-f) verhandelte Frage, ob denn die neueren Arbeiten zur
Kirchen- und Religionssoziologie das erwünschte statistische Niveau
erreichen. Dies verneint er, wobei allerdings z.B. die statistische
Aufbereitung in „Der Pfarrer im Amt" durch Ulrich Tei-
chert leider nicht berücksichtigt wird.

Solche Rückgriffe gelten auch der Wahrscheinlichkeitstheorie
und ihren Implikationen, an denen der Vf. die Einsicht
gewinnt, daß mittels der Statistik eben Grundsatzfragen letztlich
auch nicht entschieden werden können. Bei v. Oettingen
konzentriert er sich dann auf die Wirtschaftsethik, verfolgt aber
gleichzeitig die ersten Ansätze bei Aristoteles und Thomas von
Aquin. Zugleich verweist er über die Behandlung v. Oettingens
hinaus auch auf wirtschaftliche Probleme der Gegenwart. Ein
solches umfassendes Vorgehen erfordert große Bravour, aber
der Vf. bewältigt dies alles, wenn auch mit verschiedensten Ein-
und Beschränkungen, recht meisterlich.

Einiges fällt freilich auf, das in diese Zusammenschau nicht
recht hineinpaßt: So sieht der Vf. die Aufgabe der Statistik vor
allem darin, daß sie die Verfehlungen und die Sünde des „natürlichen
Menschen" darstellt (wobei „natürlich" hier den „gefallenen
" und nicht den „unverdorbenen" Menschen meint). So kann
er denn einig mit v. Oettingen Friedrich Schleiermacher jenen
traditionellen Vorwurf machen, dieser könne nicht das Zerstörende
, Widerspruchsvolle, Todbringende wahrnehmen und
in seiner Theologie berücksichtigen (was diesem nun wirklich
nicht gerecht wird). Das Heilshandeln Gottes ist dagegen nicht
statistisch zu erfassen. Geht v. Oettingen aber nicht den gleichen
Weg wie Schleiermacher, wenn entgegen der 1. Aufl. seine
„Moralstatistik" in der 3. Aufl. sehr verkürzt wird (290)?
Daß nämlich die Betrachtung der Sünde, und sei sie noch so
abgesichert, doch weniger bringt als das göttliche Handeln?

Aber wie immer die Beschränkung auf die Verfehlungen der
Menschen zu sehen ist, die moderne Religionssoziologie fragt
auch nach den Bildern, die Menschen sich von ihrem Gott und
dem Wirken Christi in dieser Welt machen. Der Vf. selbst hält,
wenn man seine vorsichtigen Äußerungen richtig interpretiert,
wie v. Oettingen an der Lehre von der gubernatio Dei fest.
Aber: Läßt sich diese nicht statistisch erfassen? Wie kommt ein
Christ zu seiner Glaubensgewißheit - ist dies nicht mengenmäßig
zu beschreiben? Gerade dieses Problem der subjektiven
Glaubenserfahrung und die Frage nach dem, was hinter ihr als
Wirklichkeit steht, kommt leider kaum zur Sprache.

Ein weiterer Punkt sei genannt, an dem der Vf. sich m.E.
unnötige Schwierigkeiten macht: Wenn er die Notwendigkeit
statistischer Verfahren für die theologische Argumentation untersuchen
will, warum wählt er dann gerade Grundsatzfragen
der Wirtschaft aus, bei denen statistische Aussagen keine Anwendung
finden können? Wenn ihm an dem Zusammenwirken
von Statistik und theologischer Ethik gelegen ist - so jedenfalls