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Ausgabe:

1993

Spalte:

961-962

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Titel/Untertitel:

Eschatologie und Jüngstes Gericht 1993

Rezensent:

Hildebrandt, Bernd

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Seite 1

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961

Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 11

962

Freilich führt die Konzentration auf einen Grundsatz dann auch
dazu, daß die weiteren dogmatischen Zusammenhänge dieses
Themas wie z.B. Schöpfung und Erhaltung, Gnadenmittel, Ver-
kiindigungsauftrag und Endgericht (vgl. Act 17,16-34) in ihrer für
dieses Sachproblem wesentlichen Funktion kaum berücksichtigt
werden.

Das Schreiben des Sanctum Officium vom 8. 9. 1949 an den
Erzbischof von Boston, mit dem nicht der Grundsatz, sondern die
von Feeney vertretene radikale Deutung zurückgewiesen wird,
bildet den Angelpunkt für die neuere Dogmeninterpretation.
Denn dieses Schreiben kann unter dem Pontifikat von Pius XII.
als Kommentar zur Enzyklika „Mystici Corporis" von 1943 angesehen
werden, und es zeigt, daß die bislang umstrittene oder auch
abgelehnte Zuordnung zur Kirche „voto vel desiderio" sich
durchgesetzt hat. Freilich wird auch darauf hingewiesen, daß ein
Unterschied zwischen nicht-katholischen Christen und Nichtchri-
sten in dem Schreiben nicht vorgenommen wird, sondern erst in
den Dokumenten von Vaticanum II erscheint (139).

Mit dieser Ausweitung, die vom Vf. ausdrücklich als Entfaltung
ohne Veränderung verstanden wird, kommen aber dann auch
theologische Auffassungen zur Sprache, die zu einem ekklesiolo-
gischen und religiösen Relativismus führen. Dies betrifft die
Theologie eines religiösen oder theozentrischen Pluralismus, wie
sie von dem Protestanten John Hick und dem Katholiken Paul
Knitter (The Myth of God Incarnate) u.a. vertreten wird. Mit gutem
Grund wird diese Auffassung abgelehnt, weil in ihr die Einzigartigkeit
der Gottessohnschaft Jesu Christi und die der Kirche
übertragene Aufgabe der Heilsverkündigung in aller Welt aufgehoben
wird. Mit abwägender Zurückhaltung wird auch in
Begründung und Widerspruch auf die Diskussion um Karl Rah-
ners These von den „anonymen Christen" eingegangen.

Das systematische Ziel dieser weitgespannten und material-
reichen Untersuchung besteht darin, die Unveränderlichkeit
kirchlicher Lehre in aller geschichtlichen Veränderung nachzuweisen
. Dabei ist ein Irrtum prinzipiell ausgeschlossen, bzw. er
wird, wie im Fall Feeney, eben ausgeschlossen. Die Heilige
Schrift als kritisches Gegenüber mit der Unterscheidung von
Gottes Wort und Menschenwort spielt hier keine Rolle mehr.
Wenn stattdessen die Entwicklung als „Horizonterweiterung"
gegenüber einer früheren „Getto-Mentalität" (202) beschrieben
wird, liegt die Vermutung nahe, daß der geschichtliche Entwick-
lungs- und Fortschrittsgedanke zum impliziten Kriterium wird.
Der Fall Feeney aber zeigt, und das ist keineswegs auf die römische
Kirchengemeinschaft beschränkt, daß, wenn um die Wahrheit
nicht mehr vom Wort der Heiligen Schrift her gerungen
wird, der Konformismus disziplinarisch und juridisch durchgesetzt
wird nach dem Maßstab von dem, was in die Zeit paßt oder
was die Zeit fordert.

Wenn aber der Satz „extra ecclesiam nulla salus" biblisch mit
Act 4,12 verstanden wird, dann ist er heilsnotwendig; und wenn
dies unter Theologen weitgehend abgelehnt oder zurückgenommen
wird, dann werden Grund und Inhalt der Heilsvcrkündi-
gung aufgehoben, und es bleibt als kirchliche Funktion lediglich
die Sicherung einer pluralistischen Gesellschaft. Dieses alle Kirchen
betreffende dogmatische Problem ist ernst, sofern es überhaupt
noch gesehen wird.

Erlangen Reinhard Slenczka

Walter, Nikolaus. Wenz, Gunter, u. Oswald Bayer: Eschatologie
und jüngstes Gericht. Hannover: Luth. Vcrlagshaus
1991.103 S. 8° = Bekenntnis. Fuldaer Hefte, 32. Kart. DM
19,80. ISBN 3-7859-0624-2

Das vorliegende Heft, von R. Rittner hg. und mit einem instruktiven
Vorwort versehen, dokumentiert die auf der Jahrestagung
1990 iles TKAB gehaltenen Vorträge. Ein Nachwort von

F. Hauschild resümiert die Vorträge, die wichtigsten Einwände
und die Hauptdiskussionspunkte der Tagung.

Allen Beiträgen ist die Zusammenschau von Rechtfertigung
und Jüngstem Gericht auf dem Hintergrund von Verantwortlichkeit
und Rechenschaftsplicht des Menschen einerseits, Verheißung
und Hoffnung für ihn andererseits wichtig. In der
Durchführung indes sind z.T. erhebliche Unterschiede, die das
Gesamtverständnis der Eschatologie berühren, bemerkbar. So
weitet Bayer in seinem Vortrag „Die Zukunft Jesu Christi zum
Letzten Gericht" den erwähnten Zusammenhang ins Kosmologi-
sche aus und spricht vom Zurechtbringen der Schöpfung entgegen
der als häretisch bezeichneten Lehre von der annihilatio
mundi. Die kritische Theorie Horkheimers und Adornos ist ihm
ein wichtiger Gesprächspartner für diese eschatologische Perspektive
. Aber im Gegensatz zur Kritischen Theorie erwächst
für christliches Denken diese Perspektive nicht aus der Verzweiflung
über die Wirklichkeit, sondern resultiert aus der
schon gemachten Erfahrung der Güte (88f.).

Über die im Nachwort kritisch dazu angesprochene Analogi-
sierung von Schöpfung und Vollendung hinaus möchte der Rez.
fragen, ob eine solche Einheitsschau von individueller und universaler
Eschatologie noch wirklich verstehbar ist und nicht eher
eine existentiale Deutung des Jüngsten Gerichts sinnvoll erscheint
. N. Walter versucht in seinem Vortrag „Die Botschaft
vom Jüngsten Gericht im Neuen Testament" dem Rechnung zu
tragen, indem er auf die eschatologische Entscheidungssituation,
in welcher sich der Mensch angesichts des Zukommens Jesu
Christi befindet, verweist. Ob es allerdings dem Ernst der Ent-
scheidungssituation und dem untrennbaren Zusammenhang von
Rechtfertigung und Gericht entspricht, die Rede vom Jüngsten
Gericht nur als Einrahmung und faktische Voraussetzung des
Eigentlichen, nämlich des Heilsangebotes, gelten zu lassen,
dürfte wohl nicht nur in der Diskussion zu diesem Vortrg kritisch
vermerkt worden sein.

G. Wenz bemüht sich in seinem Beitrag „Forum internum"
um die Rückgewinnung des transmoralischen Charakters der
eschatologischen Aussagen. Dieser liegt für Wenz darin, daß
dem Menschen Letztinstanzlichkeit qua Gewissen abgesprochen
wird. Er ist vielmehr davon befreit, sich selbst als Subjekt zu
konstituieren und bleibenden Bestand vor Gott schaffen zu müssen
(67). Rechtfertigung und Jüngstes Gericht sind somit als
Einheit im Zurechtbringen des Menschen zu begreifen.

Was das Evangelium des Gerichts ist. ist in den Beiträgen des
Buches hinreichend und überzeugend deutlich geworden. Was
aber ist der bleibende Stachel des Gerichts? Oder darf diese Frage
nicht mehr gestellt werden?

Greifswald Bernd Hildebrandt

Systematische Theologie: Ethik

Hunold, Gerfried W., u. Clemens Kappes [Hg.]: Aufbrüche in
eine neue Verantwortung. Eine annotierte Bibliographie katholischer
Beiträge für die interdisziplinäre Diskussion ethischer
Fragen der Humangenetik und Embryonenforschung.
Ergebnisse aus einem Forschungsprojeket der Arbeitsgemeinschaft
katholisch-sozialer Bildungswerke in der Bundesrepublik
Deutschland (AKSB). Freiburg-Basel-Wien: Herder
1991. 430 S. gr.80. Kart. DM 48,-. ISBN 3-451-22580-8.

Die Bibliographie ist im Rahmen eines vom Bundesministerium
für Forschung und Technologie geförderten Forschungsprojekts
„Humangenetik, Embryonenforschung und Ethik" der Arbeitsgemeinschaft
katholisch-sozialer Bildungswerke entstan-