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Ausgabe:

1993

Spalte:

959-961

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Sullivan, Francis Aloysius

Titel/Untertitel:

Salvation outside the Church? 1993

Rezensent:

Slenczka, Reinhard

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 11

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fältig, beinahe umständlich, schält S. seine originale Position
aus dem Umkreis naheliegender anderer Lösungsmöglichkeiten
seines jeweiligen Problems frei.

S.s Argumentationsweise läßt sich am besten durch Vorführung
eines Beispiels erfassen: Daß Heil durch media salutis
vermittelt sein muß, ist als Prinzip ja nicht bestritten, solange es
um Christus als Mittler zwischen Gott und dem, was nicht Gott
ist, geht. Da hat man die Mittlung, die sich in Christi Menschwerdung
, seinem Leben, seinem Dienst, seinem Tod und seiner
Auferstehung vollzieht, im Blick. Das ist Herzpunkt christlichen
Glaubens. Solche Mittlung ist aber zugleich allumfassend und
doch auch ausschließend. Allumfassend, d.h.: Christus vermittelt
die Schöpfung ebensowohl wie die Erlösung. Die ausschließende
Art der Mittlerschaft Christi liegt darin, daß Er nur
durch Gottes Offenbarung an Israel mittelt. Würde die Exklusivität
der Mittlerschaft Christi von seiner Inklusivität getrennt,
würde das zu einem christlichen Exklusivismus führen, zu
einem Absolutismus, der Anlaß zu Fanatismus gäbe. Man würde
nicht mehr seine Mittlerschaft jenseits der Inanspruchnahme
Jesu als Erlösungsmittler sehen.

Die Mittlungsinstrumente sind das Wort und die Sakramente.
Alle Sakramente versteht S. als Taufaktualisationen, ob es sich
um Eucharistie, um Beichte oder um Ordination handelt. Obwohl
die Vollzüge der Kirche so formenreich sind, fallen sie
doch nicht als zusammenhangslose Einzelakte auseinander.
Vielmehr: Das Eine, das die Vielzahl der göttlichen Mysterien
in der Kirche zusammenhält, ist die Schlüsselgewalt, die sich in
ihrer Handhabung reich ausdifferenziert.

Ein stilistisches Moment prägt des Autors Gedankengang:
Dualitäten sind immer wieder Subjekte oder Objekte seiner Sätze
. Wort und Sakrament erwecken Glaube und Kirche. Der Vermittlertätigkeit
Christi eignet Inklusivität und Exklusivität. Die
Sakramente sind Zeichen und Instrumente. Es gibt eine Imme-
diatite ontique und eine Immediatitie mediatisee de la foi. Der
Kirche eignet Universalite und Particularite. Das griechische
Ekkaleo, aus dem der Begriff Ekklesia gebildet ist, hat zweifache
Bedeutung: Herausrufen und Zusammenrufen. In Gottes
Handeln gibt es promesse und aecomplissement. Christus ist
auleur und contenu der Sakramente. Die Not des Menschen ist
detresse spirituelle und detresse psychique.

Der spirituellen Not (coram Deo) hilft die Beichte ab, der psychischen
Not (coram se ipso und coram hominibus) die Psychotherapie
. Durch die Beachtung solcher Dualitäten wird S.s
Gedankengang nie einfach, im Sinne von Simplizität, sondern
bleibt stets mehrstrahlig.

Heidelberg Friedrich Heyer

Sullivan, Francis A.: Salvation Outside the Church? Tracing
the History of the Catholic Response. New York-Mahwah:
Paulist Press 1992. V, 224 S. gr.8Q. Kart. $ 12.95. ISBN 0-
8091-3304-0.

Daß es außerhalb der katholischen und apostolischen Kirche
weder Heil noch Vergebung der Sünde gibt, ist der von Papst
Bonifaz VII. in der Bulle „Unam Sanctam" 1302 proklamierte
Grundsatz, der in der dogmatischen Definition endet: „Porro
subesse Romano pontifici omni humanae creaturae declaramus,
dieimus, et definimus, omnino esse de necessitate salutis."
Wenn auch im „Denzinger" zu der anmaßenden Zweischwertertheorie
dieser Bulle bemerkt wird: "Non meretur nisi historicam
aestimationem" (DS 870), so gilt der Grundsatz „extra eccle-
siam nulla salus", bezogen auf die römische Kirchengemeinschaft
, doch als eindeutige und verbindliche kirchliche Lehre.
Weil er jedoch diesen Grundsatz ernergisch vertreten und gegen
die liberale Einstellung des Erzbischofs Cushing von Boston

den Vorwurf der Irrlehre erhoben hatte, wurde der Professor für
Homiletik am Jesuitenseminar Weston/Mass., Leonard Feeney,
am 04. Februar 1953 exkommuniziert. 1948 war er bereits wegen
Ungehorsams aus seinem Orden ausgeschlossen worden.
Dieser Vorfall ist der Anlaß für die hier vorgelegte Untersuchung
zur Geschichte und Interpretation dieses Dogmas.

Auf die unmittelbaren geschichtlichen Hintergründe und die
Persönlichkeit von Feeney wird kaum eingegangen. Deshalb ist
es gut zu wissen, daß P. Feeney seit den zwanziger Jahren als
Publizist mit mehreren Bestsellern, durch Zeitschriftenartikel
und öffentliche Vorträge eine enorme Wirkung ausgeübt hatte.
In der Nachkriegszeit hatten seine Donnerstagsvorlesungen im
St. Benedict Center einen enormen Zulauf, wenn er die Integrität
der katholischen Glaubenslehre gegen die gesellschaftlichen
Auflösungserscheinungen eines protestantischen Liberalismus
mit Witz und Beredsamkeit verteidigte. Die Aktionen seiner
Anhänger richteten sich auch gegen interkonfessionelle
Sportmannschaften einer katholischen Universität: "The firsl
sign of your approaching damnation is that Notre Dame has Pro-
testants on its football team." (Vgl. dazu Mark Massa, On the
Uses of Heresy: Leonard Feeney, Mary Douglas, and the Notre
Dame Football Team. In: HTR 84, 1991, 325-341).

Im Hintergrund der Position von Feeney steht die absorbierende
Kraft der pluralistischen amerikanischen Gesellschft. Es ist
eine persönliche Tragik, wenn der radikale Verfechter des Grundsatzes
, daß es außerhalb der römischen Kirchengemeinschaft kein
Heil gebe, aus dieser Kirchengemeinschaft ausgeschlossen wurde
. Neunzehn Jahre nach seiner Exkommunikation wurde er im
Alter von 75 Jahren wieder mit seiner Kirche versöhnt, ohne daß
er jedoch seine Auffassung revozieren mußte. Das ist ein Hinw eis
auf das Unbehagen, das diesen Vorgang bis heute begleitet.

Die von dem Fall Feeney ausgehende Untersuchung von Sullivan
, selbst Jesuit und lange Jahre Professor für Dogmatik an
der Gregoriana in Rom, verfolgt eine klare These, mit der gezeigt
werden soll, "that at an earlier period a dogmatic truth
might be expressed incompletely or imperfectly, and only later,
when considered in a broader context of faith or human know-
ledge, reeeive a fuller and more perfect expression" (199). Mit
anderen Worten: Die Dogmeninterpretation wird auf einen dogmatischen
Satz angewandt, an dem sich entscheidet, ob es überhaupt
eine konstruktive Begegnung mit den nicht-römischen
Kirchen und mit anderen Religionen geben kann. Damit steht
alles auf dem Spiel, was sich in neuerer Zeit zwischen dein Vaticanum
I von 1869/70 und dem Vaticanum II 1962-65 entwickelt
hat und was sich vor allem durch den derzeitigen Papst im kirchlichen
Lehramt sowie in zwischenkirchlichen und interreligiösen
Beziehungen durchgesetzt hat.

Um diese These zu belegen, wird ein umfangreiches Material
ausgebreitet von den frühchristlichen Apologeten bis zu den
päpstlichen Lehrschreiben nach dem Vaticanum II. d.h. vom
zweiten Jahrhundert bis zur Missionscnz.yklika „Redemptoris
Missio" vom 7. Dezember 1990. Schon in dieser Hinsicht ist das
Buch eine Fundgrube.

Bei der Interpretation der verschiedenen Texte wird immer
wieder auf wechselnde Situationen und Aufgaben hingewiesen,
wobei besonders aufschlußreich die theologischen Äußerungen
im Zusammenhang der Jesuitenmission in Südamerika und Asien
sind. Allerdings wird sorgfältig darauf geachtet, daß die Situation
nicht aus sich selbst eine normative Funktion hat. was
auch durch den Grundsatz, der Unveränderlichkeit der Kirchenlehre
ausgeschlossen wäre.

Was außerhalb der römischen Kirchengemeinschaft zu dem
Satz „extra ecclesiam" geäußert worden ist, wird nur in wenigen
Ausnahmefällen und dann recht kurz gestreift. Dies betrifft Calvin
mit seiner Lehre von der doppelten Prädestination, außerdem
kurze Hinweise auf Karl Barth, Hendrik Kraemer oder „Lutheraner
".