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Ausgabe:

1993

Spalte:

949-950

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Onasch, Konrad

Titel/Untertitel:

Reallexikon zur byzantinischen Kunst ; Bd. IV, Lfg. 29-32 1993

Rezensent:

Thümmel, Hans Georg

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 11

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kannteste, aber nicht das einzige ist. Der Band bildet deshalb
auch dankenswerter Weise noch die Portratzeichnungen und die
Landschaftsbilder ab. Künstlerisch stand Reuber dem Expressionismus
nahe, die Verwandtschaft zum Stil Ernst Barlachs
wird besonders deutlich. - Auf jeweils ganz verschiedene Weise
werden in den einzelnen Beiträgen Leben und Werk des
Planers. Arztes und Malers Kurt Reuber heutigen Rczipienlen
nahegebracht. Biographische Einzelheiten vermitteln die Beiträge
der Reuber-Kinder (7-13, 92-99). Sehr aufschlußreich ist
die ausführliche Wiedergabe von Briefen Reubers an die Familie
und den Lehrer Heiler mit Reflexionen über Parallelen zwischen
Stalinismus und Nationalsozialismus. Dazu kommen Zitate
aus Reubers theologischer Dissertation, Berichte vom Massensterben
an der Wolga im Winter 1943, Gedichte, Bildmeditationen
und sogar ein Beitrag über protestantische Marienfrömmigkeit
. Alle Beiträge verbindet, daß sie über die Würdigung
Reubers hinaus gegenwärtigen Aufgaben dienen wollen,
so etwa einer neuen Begegnung mit Osteuropa und einer durch
einen unmittelbaren Zeugen aktualisierte Aufarbeitung der
Kriegsereignisse gerade 50 Jahre nach der Schlacht bei Stalingrad
und somit spirituelle Ansätze geben können. An einigen
Stellen wäre dabei freilich eine größere Tiefenlotung noch wünschenswert
. Andererseits erscheinen die Porträtzeichnungen an
einigen Stellen überinterpretiert (27-28). Die Michaelsbruderschaft
hätte gleichfalls eine differenziertere Darstellung verdient
. Hier bleibt zu vieles nur angedeutet. Das Gleiche gilt von
Jürgen Jeziorowskis Beitrag über protestantische Marienfrömmigkeit
, der zu klischeehaft bleibt. Im ganzen aber ist es ein gelungenes
und wichtiges Buch, dem eine nicht zu kleine Leserschaft
zu wünschen ist.

Berlin Gerlinde Strohmaier-Wiederanders

Reallexikon zur byzantinischen Kunst. Begr. von K. Wessel
und M. Restle, hg. von M. Restle. Bd. V, Lfg. 33/34 = Kreuz
I - Kreuzigung Christi (Anfang). Stuttgart: Hiersemann
1991. 320 Sp. 40. ISBN 3-7772-9029-7.

Ist es Aufgabe eines Lexikons, den Forschungsstand in einem
Wissenschaftsgebiet in alphabetisch geordneten Stichworten zu
vermitteln, dann hat dieses Lexikon teil an einer Krise, von der
auch andere große Lexika betroffen sind. Das Erscheinen über
Jahrzehnte bringt es mit sich, daß ältere Artikel veraltet sind,
wenn die neueren erscheinen. Diese Lexika zerfallen dann in
eine Reihe von Monographien, bei denen nicht einsichtig ist,
warum sie in alphabetischer Reihenfolge erscheinen müssen.
Das Problem ist im Falle des RbK erkannt. Der Hg., M. Restle,
will das Lexikon bis 1996/98 abschließen.

Die vorliegenden Lieferungen bestehen im wesentlichen aus
dem 284 Spalten umfassenden Artikel „Kreuz". In Teil I (vor-
ikonoklastisch) liegt ein von E. Dinkler-v. Schubert fertiggestellter
Artikel E. Dinklers (t) vor, der als Zusammenfassung dessen
gelten kann, was eines der Hauptthemen im Lebenswerk Dinklers
ausmachte. Eine überwältigende Fülle (literarischer und)
monumentaler Denkmäler wird vorgestellt, die der Allgegenwart
des Kreuzeszeichens entsprechend den staatlichen und den sepul-
kralen, den liturgischen und den profanen Bereich, das Kirchengebäude
in seinem Dekor wie in seinem kreuzförmigen Grundriß
, aber auch das weite Gebiet der Frömmigkeit umfassen, weiterhin
das Kreuz als Attribut und vieles andere mehr. Große Aufmerksamkeit
ist den neutestamentlichen und frühchristlichen
Voraussetzungen und den frühen Wiedergaben gewidmet. Wichtig
ist die Erkenntnis, daß es nicht, wie eine spätere Zeit und auch
die ältere Forschung gern wollte, Kaiser Konstantin war. der den
weiten Gebrauch des Kreuzes in der Kirche veranlaßte, sondern
daß dies erst unter Theodosius geschah. Immerhin bleibt festzuhalten
, daß die Auffindung des „wahren Kreuzes" in der 1. Hälfte
des 4. Jh.s stattgefunden haben muß. Hervorgehoben zu werden
verdient auch die Behandlung der Numismatik. Die Bedeutung
des Kreuzeszeichens wird im Schutzcharakter, in Doxa,
Lebenskraft, Zeichen des Getauftseins, Verchristlichung von
Heidnischem, Kennzeichen der Nachfolge Christi u.a. oder auch
in einer gewissen Polyvalenz gesehen. Doch müssen alle solche
Bestimmungen hypothetisch bleiben.

G. Galavaris setzt in Teil II (nachikonoklastisch) die Bestandsaufnahme
fort. Zur Schilderung der vielfältigen liturgischen
Verankerung des Kreuzes gesellen sich die mannigfachen
Denkmäler, wobei Schwerpunkte das Kreuz in der Kirchdekoration
und das Kreuz als Attribut bilden.

Diese Ausführungen zum „Kreuz" stellen das Umfassendste
dar, was es zu diesem Thema gibt, und sie werden ihren Wert
als umfassende Dokumentation auf lange Zeit behalten. Lexikonartikel
müssen die Fülle des Materials bieten. Darin ist allerdings
die Gefahr beschlossen, daß das verschiedene Gewicht
der Erscheinungen wie Verschiebungen in der Bedeutsamkeit
nicht deutlich werden. So kommt nicht eigentlich zum Ausdruck
, daß das Kreuz seinen Charakter bei jenem Übergang
ändert, der nicht nur die Verehrung der Kreuzreliquien und die
Staurothek hervorgebracht, sondern auch aus dem heilbringenden
Zeichen den zu verehrenden (zu küssenden) Gegenstand
gemacht hat. Freilich ist die Kreuzreliquie bewußt ausgeblendet
(Sp. 16). Daß das Christusbild oder das es vertretende Christussymbol
schon im 5. Jh. seinen Platz an den Stellen hat, wo das
Gebäude aufgipfelt, in der Kuppel, im Scheitel des Gewölbes,
im Zenit der Bogenleibungen, daß es hier zu Wiederholungen
kommt, die Achsen solcher Darstellungen entstehen lassen, und
daß schließlich es gerade hier mannigfache Formen zwischen
Kreuz und Christus-Monogramm gibt, die gegeneinander austauschbar
sind, wird zwar angedeutet (vgl. Sp. 234), aber nicht
deutlich gesagt. Vielleicht liegt es an der Gliederung des Artikels
in vor- und nachikonoklastisch, daß Wichtiges aus der
Epoche des Bilderstreits unberücksichtigt geblieben ist. Es handelt
sich um die von Bilderfeinden verfaßten Gedichte über das
Kreuz, mit denen sich Theodoras Studites auseinandersetzt (PG
99, 435-478), sowie um drei klassische Denkmäler, in deren
Apsis das Kreuz dargestellt war oder noch ist, womit sich tiefgreifende
Probleme verbinden: Konstantinopel. H. Eirene;
Thessalonike, H. Sophia; Nikaia, Koimcsiskirche. Zum Problem
„Bild oder Kreuz" s. auch D. [. Pallas. Eine anikonische
lineare Wanddekoration auf der Insel Ikaria, in: Jahrbuch der
Österreichischen Byzantinistik 23, 1974, 271-314. Das Fragment
mit Blindenheilung in der Dumbarton Oaks Collcction
(Sp. 146) ist eine Fälschung. Ergänzen darf ich zwei eigene
Titel: Altarkreuz und Kreuzaltar, in: Studia byzantina = Wiss.
Beiträge d. M.-Luther-Univ. Halle-Wittenberg 1966/23 (K 1),
119-132; Kreuze, Reliquien und Bilder im Zeremonienbuch des
Konstantinos Porphyrogcnnctos, in: Thümmel, Bilderlehre und
Bilderstreit = Das östliche Christentum NF 40, 1991, 180-186.

Greifswald Hans Georg Thümmel

Steiger, Lothar u. Renate: Sehet! Wir gehn hinauf gen Jerusalem
. Johann Sebastian Bachs Kantaten auf den Sonntag Esto-
mihi. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1992. 261 S. gr.8°
= Veröffentlichungen zur Liturgik. Hymnologie und theologischen
Kirchenmusikforschung, 24. Kart. DM 74 - ISBN 3-
525-57185-2.

Die Vff. interpretieren Texte und Musik von Bachs vier Esto-
mihi-Kantaten. Im Vorwort benennen sie ihr Ziel: „Wo neben
dem musikologischen auch das theologische Verstehen gesucht
und vermittelt wird, steht die Interpretation zugleich im Dienst