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Ausgabe:

1993

Spalte:

945-947

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Balthasar, Hans Urs von

Titel/Untertitel:

Nochmals - Reinhold Schneider 1993

Rezensent:

Zimmermann, Ingo

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 11

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(a.a.O., 900) schon angefragt hatte, ob Zwingiis Gotteslehre
wirklich „mehr biblisch als philosophisch" sei, wäre auch hier
erneut als Problem anzumerken, da die Wurzeln des von Erasmus
und anderen Humanisten her Denkenden nicht in extenso
aufgegraben werden.

Biblische Grundorientierung (138), theozentrische Theologie
(141). eindeutige Zuwendung zur Reformation (142), das sind
für St. die Voraussetzungen des sozialen, politischen und praktischen
Reformers (144-147). Der Gottesbegriff im Zentrum seiner
pastoralen Reformation (147) laßt den trinitarischen Theologen
erkennen (148). Von dort her darf gelten, was als gefächerte
Wirkung für das Lebenswerk Zwingiis festzuhalten ist: "His was
a reformatio!! that was educational and practical in method, and
personal, social, and political in scope." (a.a.O.) Zwingli wandte
sich der Gesellschaft genauso engagiert zu wie dem Individuum,
aber Quelle und Ziel für dieses alles war ihm die Ehre Gottes.

St. hat eine in sich geschlossene Sicht des Lebenswerkes
Zwingiis vorgestellt. Wer hier weiter nachgraben will, ist durch
das reichzitierte Quellenmaterial dazu instand gesetzt.

Görlitz Joachim Rogge

Christliche Kunst und Literatur

Balthasar, Hans Urs von: Nochmals Reinhold Schneider.

Einsiedeln-Freiburg: Johannes Verlag 1991. 314 S. 8o. Lw.
DM 48 - ISBN 3-89411-296-4.

Blattmann, Ekkehard, u. Klaus Mönig [Hg.]: Über den „Fall
Keinhold Schneider". Mit Beiträgen von A. Doering-Man-
teuffel, E. Blattmann, L. Lütkehaus. München-Zürich: Schnell
& Steiner 1990. 136 S. 8° = Schriftenreihe der Kath. Akademie
der Erzdiözese Freiburg. Kart. DM 28 - ISBN 3-7954-
0277-8.

Das Reinhold-Schneider-Gedcnkjahr 1993 (35. Todestag am
6. April - 90. Geburtstag am 13. Mai) bietet Gelegenheit, auf
zwei jüngere Publikationen einzugehen, die in verschiedenartiger
Weise das Bild des bedeutenden Schriftstellers und christlichen
Zeitzeugen Reinhold Schneider (1903-1958) beleuchten.

1953, zum 50. Geburtstag Reinhold Schneiders, veröffentlichte
der bekannte Schweizer katholische Theologe Hans Urs
von Balthasar seine Deutung des bis dahin von Schneider vorliegenden
dichterischen Werkes unter dem Titel „Reinhold
Schneider. Sein Weg und sein Werk". Das Buch erschien bei
Jakob Hegner in Köln zusammen mit einer vierbändigen Werkauswahl
. Balthasars Interpretation systematisierte das Schaffen
Schneiders und brachte theologische Kriterien in die Werksicht.
Reinhold Schneider selbst sprach zwar im Vorwort seiner 1954
erschienenen Selbstdarstcllung „Verhüllter Tag" von einer
„ungemein hilfreichen Interpretation, die Urs von Balthasar
meinen Arbeiten gewidmet hat," scheint aber nicht zuletzt
durch Balthasars Buch in dem Entschluß bestärkt worden zu
sein, eine eigene Darstellung seines Lebens und seiner Zeit zu
geben. Für die in Schneiders Denken damals schon unverkennbar
einsetzende Wandlung, die dann sein bedeutsames
Spätwerk bestimmte, fehlte in Balthasars Buch noch das Gespür
. Schneider betonte in einer vom 4. März 1953 datierten
„Autobiographischen Notiz": „Meine Arbeit ist kein Bau oder
System, sondern ein Weg; er endet im Zusammenstoß des radikalen
christlichen Ethos mit der weltlichen Macht und einem
jeden Versuch, sie zu vergötzen." (Leben und Werk in Dokumenten
. Olten/Freiburg: Walter 1969, 37).

Was bewog Balthasar, last 40 Jahre nach dem Erscheinen
seines Reinhold-Schneider-Buches. 1991 eine überarbeitete und

ergänzte Neuausgabe unter dem Titel „Nochmals Reinhold
Schneider" vorzulegen? Im Vorwort zur Neuausgabe stellt B.
eine Beziehung des „entscheidenden tragischen Konflikts zwischen
Weltleben und Transzendenz" bei Schneider und dem
Grundanliegen der seinerzeit neu in der Kirche zugelassenen
Weltgemeinschaften her, nämlich „evangelischen Radikalismus
mit vollem Einsatz in der weltlichen Arbeit zu verbinden und
den beschriebenen Konflikt in sich auszutragen". B. hält „die
objektive Botschaft der großen Werke" Reinhold Schneiders
keinesfalls für überholt, weshalb er den Haupttteil seiner Darstellung
von 1953 im wesentlichen unverändert stehenläßt. Daß
der Dichter damals die gleiche schicksalhafte Wende wie Kierkegaard
vollzogen und nicht mehr aufgehört habe, mit seiner
eigenen Existenz zu argumentieren, erscheint B. insofern bedenklich
, als Schneider damit „sein Werk der Termitenarbeit
einer mehr oder weniger tiefen Psychologie" preisgegeben habe
. Es ging B. mit der Neuausgabe seines Interpretationsvei sn
ches um Bewahrung und Wiedervermittlung eines Leitbildes an
geistiger Haltung, an Tradition als „Überlieferung des Evangeliums
und der Grundhaltung Christi und der in seine Nachfolge
Gerufenen gegenüber den Überwältigungen irdischer Macht",
wie es in dem neu hinzugekommenen Kapitel „Vorhang" am
Schluß des Buches heißt. In diesem neuen Kapitel, in dem B.
das letzte halbe Jahrzehnt im Leben und Schaffen Schneiders
betrachtet, ist es ihm vornehmlich um die Abwehr von Mißverständnissen
und die Erhellung des Vermächtnisses aus dem
Geist des vorausgehenden Gesamtwerks zu tun. B.s Reinhold-
Schneider-Deutung gewinnt einen schon klassisch zu nennenden
Stellenwert, macht jedoch, vor allem unter dem Aspekt des
Spätwerks, auch andere und von neuen Gesichtspunkten bestimmte
Sichtweisen auf das Werk Schneiders erforderlich.

Ein biographisch noch nicht hinlänglich bearbeiteter Zeitraum
verdient Reinhold Schneiders Friedensengagement vom
Ende der vierziger bis zur Mitte der fünfziger Jahre genannt zu
werden. Die Überzeugung des Dichters, daß Jesus uns für diese
Erde nichts verheißen habe außer seinem Frieden, ließ ihn zum
Kritiker herkömmlicher Christlichkeit und kirchlicher, auch
moraltheologischer Lehren werden. Dabei steht außer Zweifel,
daß es Reinhold Schneider im christlichen Sinne um eine
Durchdringung der Welt im Geiste unermüdlicher Liebe ging.
I i sah in der Spaltung der Welt in feindliche Lager eine permanente
Friedensgefährdung und versuchte, „dem Unglauben der
Macht den Glauben der Machtlosigkeit entgegenzusetzen", wie
es in seinem letzten Buch „Winter in Wien" (1958) heißt. Das
Vorhandensein atomarer Waffen sei ihm zum Seelenleid geworden
, bekannte er. Mit dieser Haltung geriet Reinhold
Schneider Anfang der fünfziger Jahre zwischen die Fronten des
kalten Krieges.

Ein Titel in der Schriftenreihe der Katholischen Akademie
Freiburg „Über den ,Fall Reinhold Schneider'" enthält drei
Akademievorträge aus dem Spätjahr 1987, die sich mit Reinhold
Schneiders Stellung in den Auseinandersetzungen der
Konfrontationsära beschäftigen. Den weitaus breitesten Raum
nehmen dabei die Ausführungen von Ekkehard Blattmann zu
dem Thema „Über den ,Fall Reinhold Schneider' im Lichte von
Reinhold Schneiders Kollaboration mit den Kommunisten" ein.
Der Titel verrät bereits die Tendenz des zwar materialreichen,
in der Argumentation aber grobschlächtigen und einer wissenschaftlich
nicht akzeptablen Schwarz-Weiß-Methode huldigenden
Beitrags.

Von erheblich höherem Interesse ist dagegen der in dem
Band enthaltene Aufsatz von Anselm Doering-Manteuffel über
„Kirche, Katholiken und die Wiederbewaffung in den frühen
fünfziger Jahren". Die kenntnisreichen Darlegungen Doering-
Manteuffels zum katholischen Umfeld des Streites um Reinhold
Schneider münden in die bemerkenswerte Feststellung, „daß es
im Kreis der katholischen Kritiker und Gegner der Aufrüstung