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Ausgabe:

1993

Spalte:

928-929

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Biblical Greek language and linguistics 1993

Rezensent:

Schenk, Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 11

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zugänglich machen und für die Predigt aufschließen. Daraus
erklärt sich z.B. ein Index entsprechend dem (römisch-katholischen
) liturgischen Gebrauch. Darauf verweisen auch die Erklärungen
der elementaren Kategorien (19-31) mit Formulierungen
, die ihre didaktische Herkunft nicht verleugnen können
("...a similitude in-forms, a parable re-forms" 23 u.ä.). Dem
praktischen Zweck dient offenbar auch der Verzicht auf einen
Anmerkungsapparat und ausführlichere Literatur- und Quellenverweise
. Einen gewissen Ausgleich dafür schaffen kleine Bibliographien
am Ende jedes Kapitels.

Der Vf. nimmt Thesen und (Bibel-)Texte seines ersten
Gleichnisbuches wieder auf (Once More Astonished: The Para-
bles of Jesus; New York 1981) und verbindet in diesem Werk
einige weitere Studien zu einem Ganzen. Innerhalb des Werkes
sind die einzelnen Abhandlungen je für sich lesbar, daraus ergeben
sich aber auch einige Redundanzen u.a. bei den methodischen
Klärungen (vgl. 22f. mit 77-79).

L. geht so vor, daß er jeden Text zunächst unter literarkriti-
schem Aspekt auf seine vorausliegenden Stadien hin untersucht.
Zumeist folgt eine Interpretation auf der Jesusstufe. Ihr schließt
sich eine entsprechende Auslegung der späteren Schichten an,
wobei das Schwergewicht natürlich auf der Stufe der Mt-Redak-
tion liegt. Damit wird, ähnlich wie bei Weder, die redaktionelle
Überarbeitung nicht nur zum Steinbruch eines möglichen Urtextes
, sondern erhält ihr eigenes Recht als Endstadium innerkanonischer
Predigtgeschichte. Insofern bleibt L. entschieden bei dem
Ansatz seiner ersten redaktionsgeschichtlichen Arbeiten.

Dabei legt der Vf. besonderen Wert auf eine dreidimensionale
Sinndeutung jedes Gleichnisses in den Kategorien Einsicht,
Abkehr (von der eigenen unheilvollen Vergangenheit) und Umkehr
bzw. Entscheidung (zu einer dem Willen Gottes entsprechenden
Praxis). Sie finden sich in den meisten Gleichnisauslegungen
wieder - vorwiegend jedoch auf der Jesusstufe - und
erlauben L., das je postulierte Sprachereignis ("wordevent") inhaltlich
genauer zu beschreiben. Regelmäßig wird auch die Botschaft
des Gleichnisses auf dessen Sprecher zurückbezogen und
zumeist mit großer Sicherheit christologisch gedeutet. Immerhin
artikuliert der Vf. z.B. für Mt 25,1-10 eine bleibende Unsicherheit
(211), ob und wie das Gleichnis dem historischen Jesus
zugeschrieben werden darf.

In einigen Fällen, wie für Mt 25,31-46, korrigiert L. frühere Positionen
(249-284). Dieser Text scheint ihm heute ein reines Mt-Produkt ohne
erkennbare Vorstufe. Bei dem umstrittenen Bedeutungsumfang von „alle
Völker" (25,32) und „geringste Brüder" (25,40.45) entscheidet er sich jetzt
jeweils für die universale Deutung, die Juden, Heiden und Christen als
Adressaten des Gerichts bzw. als Repräsentanten des Menschensohnes
ansieht. Gelegentlich wird ausdrücklich eine zusätzliche Aktualisierung
angeschlossen (z.B. 84-86 in Aufnahme der Fragen zu Mt 20,1-15, S.69).

Die einzelnen Kapitel sollen und wollen wohl keine überraschenden
Ergebnisse bringen, sondern münden in Thesen, die
zumeist dem main stream der heute diskutierten Lösungen entsprechen
. Daß deren Sicherheit für den Mt-Redaktor höher ausfällt
als für die hypothetische Ursprungsstufe, kann niemanden
wundern. Die Tendenz des Redaktors wird durchgehend in einer
heilsgeschichtlichen und paränetischen Interpretation ge-sehen,
die ihren Bezugspunkt regelmäßig im Endgericht findet (286t).

Im Vergleich zu den anderen Passagen ist die Auslegung der
einzelnen Gleichnisse in Mt 13 sehr knapp geraten. Sie erscheint
erst nach der Behandlung der Gleichnisse von Mt 18-22,
um diese nicht mit der Parabeltheorie und den allegorischen
Deutungen dieses Kapitels zu belasten. Daß in dieser Rede dennoch
entscheidende und im Ablauf des Evangeliums neue
Akzente mt. Gleichnisdeutung und Theologie gesetzt werden,
gerät damit etwas aus dem Blick. Gleichfalls kann nicht genügend
deutlich herausgearbeitet werden, daß in diesem zentralen
Kapitel in nuce die Verstockung Israels und das zunehmende
Verstehen der Jünger enthalten sind, die sich im mt. Makrotext
erst allmählich herausbilden.

Problematisch erscheint mir auch die traditionelle Deutung
des Talentegleichnisses (217-244), die die Zinsnahme modernisierend
zu einem normalen und erlaubten Geschäft deklariert,
das sie sicherlich im antiken Judentum so nicht war. Obwohl L.
die Sentenz 25,29 formkritisch vom ursprünglichen Gleichnis
trennt, bezieht er es dann doch in der üblichen Weise auf die gebotene
Nutzung anvertrauter Gaben. Ist dieses Verständnis
wirklich sachgemäß?

Die Rückfrage nach dem historischen Jesus als dem Sprecher
der Gleichnisse dürfte legitim und notwendig sein. Dennoch
frage ich mich bei einigen Auslegungen, ob in ihnen nicht die
kaum mehr verhüllte Christologie, die L. in ihnen bereits auf
der Jesusstufe findet (z.B. 64.79.100), die Sprachgewalt des
„Wortereignisses" bedingt, statt daß sich aus der imaginativen
Kraft des Gleichnisses im Rückschluß die Kompetenz seines
Sprechers indirekt erschließt. Zugleich wird damit auch das
Phänomen verdeckt, daß die überraschenden Metaphern und
Gleichnisse Jesu in der Lehre des Matthäus bereits deutliche
Spuren der Konventionalisierung und des didaktischen Gebrauchs
von Bekanntem aufweisen. Erst auf dieser redaktionellen
Stufe wird ihre Autorität von der exousia des Kyrios abgeleitet
und beruht nicht mehr allein auf der Sprach- und Deutekraft
des in sich überzeugenden Textes.

Formal fällt dem Leser die konsequent inklusive Sprache auf
("he or she"), die man/frau so noch selten im Gebrauch wissenschaftlicher
Literatur erlebt. - Wohltuend berührt der Versuch,
den vom MtEv her naheliegenden Antijudaismus zu vermeiden.
Schon historisch-kritisch dürfte nach L. der Redaktor eher von
einer Trauer über das verlorene Heil des jüdischen Volkes wie
von einer kirchenkritischen Tendenz her zu verstehen sein (z.B
1031), als von einer schlichten Polemik gegen die feindliche
Mutterreligion.

So wird der Benutzer dieses Werkes eine Auslegung der mat-
thäisehen Gleichnisse finden, die im allgemeinen den Stand der
redaktionsgeschichtlichen Forschung zusammenfaßt und für die
exegetische Weiterarbeit durch gezielte Literaturhinweise Anregungen
gibt.

Leipzig Christoph Kahler

Porter, Stanley E., and D. A. Carson |Ed.|: Biblical Greek Lan-
guage and Linguistics. Open Questions in Current Research.
Sheffield: JSOT Press 1993. 217 S. 8« = Journal for the Study
of the New Testament, Suppl. Series 80. Lw. £ 35.-. ISBN
1-85075-390-3.

Die Society of Biblical Literature hatte 1990/91 Konsultationen
unter dem vorliegenden Titel veranstaltet, aus denen 1992
eine feste Sektion hervorgegangen ist. Die ersten Vorträge werden
hiermit einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht:
Griechische Grammatik und Linguistik rücken wieder stärker in
das Zentrum der wissenschaftlichen Diskussion (7-11).

Der erste Teil des Buches ist thematisch auf den bisher vernachlässigten
, den Verbformen inhärenten Aspekt-Charakter
(„Betrachtungsweisen": B/D/R § 318) konzentriert. Die beiden
Forseher, die dieses Feld jüngst monographisch behandelt
haben, kommen zu Wort: S. E. Porter "In Defence of Verbal
Aspect" (26-45; vgl. ders., Verbal Aspeet in Greek of the NT,
with Reference to Tense and Mood, New York 1989) und B. M.
Fanning "Approaches to Verbal Aspect in NT Greek: Issues in
Definition and Method" (46-62; vgl. ders., Verbal Aspect in NT
Greek, Oxford 1990),eingeleitet von D. A. Carson (18-25) und
gefolgt von zwei Stellungnahmen (D. D. Schmidt, M. Silva: 63-
73.74-82). Ausgangspunkt ist die zur Überwindung drängende
Tatsache, daß die bisherigen Standard-Grammatiken zum NT
die Aspekt-Frage nicht behandeln (74). Als Resultate zeichnen