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Ausgabe: | 1993 |
Spalte: | 874 |
Kategorie: | Praktische Theologie |
Titel/Untertitel: | Religion im Film 1993 |
Rezensent: | G., Ch. |
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873
Theologische Literaturzeitung 1 18. Jahrgang 1993 Nr. 10
874
Wicklung eines Vespergottesdienstes, der mit oder ohne Gemeinde
aus einer Kirche, aus dem Studio, als Meditation und in Mischformen
übertragen wurde; er ist bis heute die spezielle Form von
Gottesdienst in der ARD. Das ZDF pflegt die Übertragung von
Gemeindegottesdiensten und steigerte sie Schritt um Schritt;
1986 kam es mit erneuter Verdoppelung zur umfassenden Ge-
samtversorgung der Zuschauer. Auch in Dritten Programmen des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks werden Gottesdienste aus Kirchen
übertragen. Diese Ausweitung ist auf evangelischer Seite
teils heftig kritisiert worden. Der Vf. hält weder die katholische
noch die evangelische Theorie der Übertragungspraxis für hinreichend
fundiert; der katholische Ansatz (Dienstleistung für alte
und kranke Menschen zur Erfüllung der Sonntagspflicht ohne
gottesdienstliche Experimente) unterschätze die vom Medium
hervorgerufene Differenz zwischen der Messe und ihrer Übertragung
, die evangelische Konzeption (Akzeptanz der vom Fernsehen
als Bild- und Unterhallungsmedium gestellten Inszenierungsbedingungen
) arbeite mit einem theologisch fragwürdigen Gottesdienst
- und Gemeindeverstündnis. Intcressanterweise hat der
monatliche Vespergottesdienst in der ARD mehr als doppelt so
viele Zuschauer wie die sonntägliche Gottesdienstübertragung im
ZDF (1,5 Millionen; max. 730.000). Beachtenswert ist auch die
Feststellung des Vf.s, daß nicht nur längst abgefangene Fische
anbeißen, sondern überdurchschnittlich häufig unregelmäßige
Kirchgänger und kirchlich schwach- oder nichtgebundene Menschen
zuschauen. Die Schwellenangst ist offenbar geringer als
beim Gottesdienstbesuch.
Teil II der Untersuchung (87-170) will den „Hintergrund" des
Engagements der Kirche im Fernsehen erhellen. In einem medientheoretischen
Exkurs, der die außertheologischen Forschungen
zusammenfaßt und systematisiert, beschäftigt sich der Vf. in
Auseinandersetzung mit verschiedenen Autoren mit Begriffs-
klärungen (Kommunikation - Massenkommunikation, Medium -
Kanal), mit Geschichte, Methoden und Perspektiven der Wirkungsforschung
und mit Medienkritik als Kulturkritik; er sieht
keinen Anlaß, „Fernsehen als Medium der Kommunikation aus
ethischen Gründen grundsätzlich abzulehnen". (125) Anschließend
referiert und kritisiert der Vf. neuere theologische Positionen
zum Verhältnis von Kirche und Öffentlichkeit im Blick auf
die Medien und die Übertragbarkeit von Gottesdiensten. Die
überzeugendsten Argumente findet er bei H. E. Bahr, der die
Übertragung einen „unmöglichen Fernsehgottesdienst" nennt,
weil der Gottesdienst durch sie seine Aura verliere und Waren-
Charakter annehme. (152)
Im Teil III (171-275) geht der Vf. selbst den Kodes des
Gemeindegottesdienstes und ihrer Veränderung durch die Übertragung
nach. Er begreift den Gottesdienst in Anlehnung an
empirisch orientierte Praktische Theologie als „interpersonalen
kommunikativen Prozeß" (171), in dem „unterschiedliche
Kodes in mehreren Kanälen zusammenwirken (177) - das Wortgeschehen
mit Spiel, Fest, Ritual und Körpersprache. „Wie
jedes andere interpersonale Ereignis ist auch der Gottesdienst
ganzheitliche leibliche Kommunikation" und kann nicht „auf
verbale Kodes bzw. auf den akustischen Kanal" eingegrenzt
werden. (181) Die elektronische Übertragung verändere den
interpersonalen Gottesdienst. Ausgefiltert würden „die Kanäle
der menschlichen Nähe", also „haptische, olfaktorische und gu-
statorische Kodes" (215). Hinzu träten filmische Kodes (Kameraeinstellungen
, Bildmontagen) und die veränderte Repeztions-
situation in der häuslichen Umgebung. Die Übertragung könne
wohl durch bestimmte verbale, nonverbale, filmische und szenische
Mittel eine Teilnahme am Gottesdienst suggerieren, was
aber „vom interpersonalen Gottesdienst beim Fernsehrezipien-
ten" ankomme, sei „nur noch ein Torso" (234). Der Vf. schließt
sich I. U. Dalferth an und qualifiziert die Übertragung als „Andacht
", sofern sie liturgisch aktiv mitvollzogen wird. (266)
Im abschließenden Teil IV (275-280) werden kurz die Folgen
bedacht. Sie betreffen den Gottesdienst und seine Übertragung.
Der Vf. wendet sich dagegen, aus dem Gottesdienst einen
„Fernsehgottesdienst" zu machen, der sich über die Gemeinde
hinweg an die Zuschauer wendet. Primär sei der Gottesdienst,
nicht die Übertragung. Die „Authentizität des personalen Gottesdienstes
" stelle „die Bedingung für das Gelingen seiner Übertragung
" dar. (275) Unter diesen Voraussetzungen hält der Vf.
Gottesdienstübertragungen im Fernsehen für legitim. Sie „dokumentieren
eine zentrale Äußerung christlichen Gemeindelebens
und veröffentlichen christliche Stimmen als Beitrag zum Zeitgespräch
." Diese „Dokumentation einer zentralen Lebensform
christlicher Gemeinde" könne aber nur „eine Form kirchlicher
Verkündigung" sein. Für eine rundfunkhomiletische „Gesamtkonzeption
" fordert der Vf., „daß Gottesdienstübertragungen
und die Entwicklung außergottesdienstlicher Verkündigungsformen
einander ergänzen." (279f.)
Diesem Ergebnis stimme ich voll und ganz zu. Das Buch, die
gekürzte Fassung einer Mainzer praktisch-theologischen Dissertation
(Volp, Otto), ist m.E. nicht frei von Mängeln inhaltlicher
und formaler Art. Sie können an dieser Stelle relativiert werden.
Auch wer eine andere Position bezieht und das forsche Urteil
nicht immer angebracht findet, wird konzedieren, daß die vorliegende
Untersuchung einen kräftigen Denkanstoß gibt. Sie ermutigt
zum personalen Gottesdienst, zeigt Möglichkeiten und
Grenzen von Gottesdienstübertragungen auf und weist die Notwendigkeit
medienspezifischerer Verkündigungsformen nach.
Die Lektüre ist außer interessierten, vorgebildeten „Laien" vor
allem Pfarrern und Pfarrerinnen, kirchlichen Fernsehbeauftragten
sowie betroffenen Medienschaffenden und Programmverantwortlichen
zu empfehlen. Kirchen und öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten muß klar sein, daß Übertragungen von Gottesdiensten
allein oder im Übermaß eine Sackgasse bzw. einen
Irrweg darstellen. Die privaten Kanäle verzichten auf diese Sendeform
wohl nicht ganz von ungefähr.
Erlangen Gerhard Meier-Reutti
Religion im Film. Lexikon mit Kurzkritiken und Stichworten
zu 1200 Kinofilmen. Erarb. von P. Hasenberg, J. Horstmann,
R. Jacobi, W. Jungeblodt, W. Luley, H. Morsbach, J. Zöller.
Köln: Kath. Institut für Medieninformation 1992. 353 S. 8°.
Kart. DM 39,80. ISBN 3-925-16105-8
Das vorliegende Nachschlagewerk will einen „umfassenden
und repräsentativen Überblick über das Spektrum der Thematisierung
von Religion im Film" (7) geben. Dabei greifen die Hgg. bei
der knappen, stichwortartigen Darstellung der mindestens einstündigen
Filme auf die Kritiken (inklusive Wertungen) des
„film-dienstes", die Zusammenfassungen des zehnbändigen
„Lexikons des Internationalen Films" sowie „Filme in der DDR"
zurück. Insgesamt liegt ein guter Überblick über die in Deutschland
bis 1991 gezeigten Filme vor, der thematische Schwerpunkte
des Filmschaffens mit religiöser Thematik erkennen läßt.
Der praktischen Arbeit dienen die beigegebenen Register (Sachkategorien
, Genreverzeichnis, Personenregister, fremdsprachige
Originaltitel), mit denen das Material erschlossen werden kann.
Ch. G.
Virt, Günter [Hg.|: Historische Verantwortung vor der Gegenwart
. Frankfurt/M.-Berlin-Bern-New York-Paris-Wien:
Lang 1993. 151 S. 8° = Forschungen zur praktischen Theologie
, 11. Kart. DM 49,-. ISBN 3-631-45415-5.
Je drei Vorträge einer Ringvorlesung an der Kath.-theologischen
Fakultät Wien behandelten die historischen Hypotheken