Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1993

Spalte:

65-67

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Titel/Untertitel:

Christliche Ethik im Dialog 1993

Rezensent:

Honecker, Martin

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

65

Theologische Literaturzeitung 1IX. Jahrgang 1993 Nr. 1

66

auch Positionen Berücksichtigung finden, die sich kritisch mit sen und Standpunkten ausger.chte ,s. Der ^ Beitrag E h -

dem Begriff der sozialen Gerechtigkeit beschäftigen. Schließ- sehe Normativität und Urteilst.ndung (107- J31) (Hattert

lieh wird das ordnungspoli.ische Konzept der sozialen Markt- Fragen normentheoretischer Grundlegung und Schritte etiu-

wirtschaf. als Weg zu größtmöglicher Verwirklichung des scher Urteilsb.ldung (im Anschluß an H. E. Todts Schema).Die

Gedankens der sozialen Gerechtigkeit vorgestellt. folgenden 3 Beitrage behtssen steh im,

Der Vf. erläutert die KonzeptJ im wesentlichen unter Bezug- V. „Sexualität und Küche (133-148 VL B me Jungen zum

nähme auf die Quellen. Nur einige wenige Titel aus der Sekun- theologischen Aspekt der Sexualität (149-162) VII I Ion ose-

därliteratur werden jeweüs mitberücksichtigt. So ist das Ziel der xuahtät: Erscheinung und Bewertung (163-211 jDjta»

Abhandlung weniiir eine kritische Analyse der vorgestellten lität ist das am meisten erörterte ^^".^f8^

Konzepte als eine möglichst geraffte Darstellung ihres Inhalts. zwischen alter und neuer M^l Da R.ngelmg sich^jeuen

Diese Beschränkung ermöglicht die Begrenzung auf einen Um- Sitten" und ..postmoderner Moral befaß, '«^Wahl*««

fang von 123 Seiten - eine Tatsache, die eine breite Leserschaft Paradigmas nahe. Besonders der sehr we t ausgreifende B .trag

ZU einem Etnblick in die z.T. sehr komplizierten Theorien er- zur Homosexualität - er wurde Ursprungich im ZEE 31. 1987

mutiticn dürfte veröffentlicht - ist in der Matcnaldarbietung informativ. Kritik

Für die wissenschaftliche Diskussion würde man sich zuwei- geübt wurde und wird an R.s Position von
len eine genauere Analyse der problematischen und deshalb gehend von H. Thiehcke und in Ablehnung von KJBarüis Ab-
besonders heftig diskutierten Aspekte der jeweiligen Konzepte wertung der Homosexualität als physische, psychische und so-
wünschen. Allan die Auseinandersetzung zwischen Rawls und ziale Krankheit, bekämpf. R. einerseits Vorurte de über Homos-
Nozick. die zu den spannendsten Diskussionen der neueren exualität. Sie ist nicht zu diskriminieren Andererseits geh. R.
sozialphi.osophisehenPForschung gehört und in der Li.era.ur nich, den (nur ^.^J^^^STSfet
mannigfachen Niederschlag gefunden ha., bö.e dafür eine Fülle Beziehungen völlig gleich zu bewerten und gleich zu stellen
von Ansatzpunkten Kramers vergleichende Gegenüberstellung Aufgrund der „artspezi.ischen Interessen an der Fortpflanzung
von Raw.s'und Nozicks Schlüsselideen ist ein hilfreicher An- legitimier, er vielmehr die Familie als natürliche (schop.ung -
fang dazu. Angesichts der Tatsache, daß Kramer sich mit eige- gemäße) Gegebenheit Er tnt. für die . Hochstgeltung cle Ehe^
nen Urteilen im Verlauf der Darstellung weitgehend zurückhält. deren Achtung als ..naturale und kulturelle Normal , . ein
überrascht allerdings seine Feststellung auf der letzten Seite. (2.0) und lehnt deshalb trauungsahnhehe Handlungen ,ur ho-
daß alle Versuche, die soziale Gerechtigkeit einzugrenzen oder mosexue.le Paare ab (2111). Die beiden jüngsten Beitrage stan^-
inhaltlich zu füllen, scheiterten. Gerade im Hinblick auf Rawls" men aus dem Jahre 1989 und betre ten V II. ..Ethische Fragen
innerhalb kürzeste; Zei. zum Klassiker gewordene Gerechtig- und Gentechnologie» (2.3-226) und IX Identität und Lebenskeitstheorie
müßte ein solches Urteil schon näher begründet qualität. Bioethische Perspektiven (227-238).
werden Auch diese Beiträge zeichnen sich durch eine gediegene Ver-
Die Stärke der Abhandlung ist ihre enzyklopädisches Funkti- mittlung von Sachinformationen aus. Rjngeling sucht einen
on. Die Anlage des Buches ermöglicht, sich schnell einen mittleren Weg zwischen einer radikalen Ablehnung gen.echni-
Überblick über markan.e Posi.ionen in der Diskussion um die scher Eingriffe an Pflanzen Tieren. Menschen (wie y.B. Hans
soziale Gerech.igkei. zu verschaffen. Insofern ist es ohne Zwei- Jonas, Erwin Chargaff G. Altncr) und einer unkritischen For-
fel ein wichtiges Hilfsmittel für die wissenschaftliche Arbeit an cierung und Bejahung des biotechnischen Fortschritts. Er pla-
der Hochschule, aber auch eine gute Informationsquelle für die diert für Besonnenheit, sorgfältiges Abwägen von Vorteilen und
Arbeil in Schule und Gemeinde. Nachteilen, Chancen und Risiken und .ordert Sachkompetenz.

Der letzte Beitrag X.„Der diakonische Auftrag der Kirche: VerHeidelberg
Heinrich Bedford-Sirohm such eines Konzepts" (239-260) fällt thematisch aus dem Rahmen
der fundamental- und lebensethischen Themen und der
Reflexion des Wandels der Sitten heraus.
Ringeling, Hermann- Christliche Ethik im Dialog. Beiträge zur Charakterisieren läßt sich R.s eigene Position durch die Be-
Fundamental- und Lebensethik II. Freiburg/Schweiz: Univer- griffe Normativität, Reflexion (Reflexitivität) und Eingehen auf
sitätsverlag- Freiburg-Wien- Herder 1991. XII, 260 S. 8° = eine postkonventionelle, nachtraditionale Moral. ..Ethische Nor-
Studien zur'theologischen Ethik. 32. Karl. DM 39,-. ISBN 3- mativität" (107ff) geht von der Autonomie des sittlichen Sub-
451-22151-9 Jek,s aus- das sich dabei an Grundregeln ethischer Verantwortung
orientiert. Normen haben einen autoritätskritischen Sinn;
Der Sammelband enthält 10 Studien und Vorträge, die alle sie sollen das Moment des Sachlichen (118), im Sinne des Un-
zw isehen 1975 und 19X9 bereits veröffentlicht wurden. Sie sind persönlichen, in die ethische Urteilsfindung einbringen. Norma-
zum Teil bearbeitet und verändert worden. Die ersten vier tivität hat der Versachlichung des ethischen Denkens zu dienen;
Beitrage gelten fundamentalethischen Fragen. das ist die Absicht des Vf.s. Reflexivität besagt: Das Phänomen
L „Neue Sitten und Moralbegriffe" (1-17), ein Beitrag aus der „neuen Moral", des Wertewandels ist analytisch zu Redender
Festschrift für Stephan Pfürtner. der sich mit der neuen ken; dies gilt vornehmlich für die Sexualität und die Kulturform
Moral und dem Wertewandel befaßt und der damit sein Lehr- der Geschlechterbeziehung. Überzeugungswandel und Menta-
amt in Freiburg als katholischer Theologe wegen seiner Äuße- litätsänderung sind nicht in jedem Fall „destruktiv" (so 4 oder
rungen zur Sexualmoral einbüßte. Der umfangreiche Q. Beitrag 238, wo dem „utilitaristischen Individualismus" positive Seiten
„Wege in eine .postmoderne- Moral" (19-75) stammt aus dem abgewonnen werden). Reflexion soll zur Selbstverantwortung
von R. mit hg. Handbuch der christlichen Ethik, Band l, 1979, führen. R.s Überlegungen sind zentriert auf die Subjektivität
474-518 und trug ursprünglich die Überschrift „Christliche des Verantwortungsträgers, nicht auf Institutionen. Ordnungs-
Ethik im Dialog mit der Anthropologie: Das Problem der Iden- formen. Schließlich das Stichwort ..Postmoderne Moral". Evan-
tität". Auch der Beitrag III: „Das Problem des ethischen Korn- gelische Ethik hat sich nie auf ein Naturrechtsprinzip berufen,
promisses" (77-106) stammt aus dem Handbuch der christli- wie die katholische Moraltheologic. innerhalb derer freilich in-
ehen Ethik. Band 3. 1982, 93-116. Das Stichwort „Kompromiß" zwischen auch äußerst kontrovers ist. was Naturrecht überhaupt
ist kennzeichnend für die eigene Position Ringelings, die auf meint. Ihre herkömmlichen Fundamente, die Evidenz der VerVermittlung
und Ausgleich zwischen unterschiedlichen Interes- nunft („Rationalität") oder eine Legitimation durch Berufung