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Ausgabe:

1993

Spalte:

848-849

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Johannes Chrysostomus, Catecheses baptismales 1993

Rezensent:

Haendler, Gert

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 10

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sehen Gemeindeverfassung, indem er den diesbezüglichen Ausführungen
des 1 Kor jede normative Bedeutung abspricht und in
ihnen nur situationsbedingte Reaktionen auf spezifische Vorgänge
in der korinthischen Gemeinde sehen will. Die bestimmende
Grundstruktur sei vielmehr die der Hausgemeinde gewesen
. Die Gastgeber und Organisatoren der verschiedenen Hausgemeinden
, in der Regel wohlhabende Christen mit angesehener
gesellschaftlicher Stellung, sahen sich bei der Ausübung
ihrer Leitungsfunktionen durch den Apostel autorisiert und leiteten
ihre Legitimation von dessen Amtsvollmacht ab (IKor
16,15-18; Rom 16,5). Der Umstand, daß sie als Gastgeber und
Hausherren bei der Eucharistiefeier den Vorsitz innehatten,
führte dazu, daß ihnen Verantwortung für alle Lebensbereiche
der Gemeinde zuwuchs. Maier will nun, über Holmberg hinausgehend
, diese Struktur der Hausgemeinde in allen nachpaulini-
schen Gemeinden weitgehend unverändert wiederfinden, und er
will vor allem sämtliche Erörterungen von Ämterfragen in den
von ihm behandelten Schriften einseitig auf soziale Spannungen
und Konflikte zurückführen, die in den Gemeinden durch
den wachsenden Einfluß der Leiter der Hausgemeinden sowie
deren Konkurrenz untereinander ausgelöst worden seien.

Das ist an sich ein diskutabler Ansatz, dem man schon darum
einen gewissen heuristischen Wert nicht absprechen kann, weil
er geeignet ist, gewisse ideologische Engführungen der bisherigen
Frühkatholizismus-Debatte aufzubrechen. Seine Problematik
dürfte in der Einseitigkeit der Durchführung liegen, die letztlich
eine neue - diesmal soziologische - Engführung zur Folge
hat. Diese Einseitigkeit zeigt sich schon in der kurzen einleitenden
Besprechung der Pastoralbriefe innerhalb des Einführungsteils
(43-47): Daß mit der betonten Einbindung der Ämter in die
Haushalts-Struktur hier eine bereits gegebene soziale Wirklichkeit
nachgezeichnet und legitimiert werden soll, wird zwar zu
Recht betont. Hingegen wird die Spannung zwischen den Aussagen
über Episkopen und Diakone einerseits (lTim 3) und
Presbyter andererseits (lTim 5), die m.E. ein deutliches Indiz
für das Nebeneinander verschiedener Verfassungsformen und
das Bestreben der Past, diese zu vereinigen, darstellt, mit dem
nicht bewiesenen Postulat einer bereits vorgegebenen Äquivalenz
von Episkopen und Presbytern überspielt.

Als relativ fruchtbar erweist sich das gewählte Deutungsmuster
gegenüber dem Hirten des Hermas, auch wenn die Frühdatierung
problematisch ist, mittels derer die These einer noch
unverändert zur Entstehungszeit dieser Schrift in Rom bestehenden
Hausgemeinden-Struktur plausibel gemacht werden
soll. Der soziale Konflikt, um dessen Bewältigung sich Hermas
bemüht, erweist sich durch den Umstand ausgelöst, daß die Leiter
der Hausgemeinden aufgrund von Wohlstand und gesellschaftlicher
Machtstellung auch zu weltlichen Positionen Zugang
finden. Dadurch gefährden sie einerseits die christliche
Gruppenidentität, die durch die sektenhafte Abgrenzung von
der Welt begründet ist, andererseits aber erweist sich der
Zugang zu den Resourcen der weiteren Gesellschaft für die
Gemeinde auf die Dauer als lebensnotwendig (72).

Die Szenerie des Ersten Clemensbriefs wird in einer überraschend
vereinfachten Form dargeboten. Der Umstand nämlich,
daß die römische Gemeinde hier von einer ganz bestimmten
theologischen Position aus in die korinthischen Verhältnisse
einzugreifen sucht, wird nämlich mittels der (wenig überzeugenden
) Behauptung einer aufgrund günstiger Verkehrsverhältnisse
und enger personeller Verflechtung faktischen Identität
beider Gemeinden als unerheblich ausgeklammert. Nicht zwei
verschiedene Konzeptionen gemeindlicher Verfassung sind es
also, die hier aufeinanderstoßen; es geht vielmehr auch hier um
die Bewahrung und Verstärkung der bereits bestehenden Verfassung
, und zwar durch die von deren Infragestellung unmittelbar
Betroffenen selbst. Für den korinthischen Konflikt findet
der Vf. eine denkbar einfache Erklärung: Kritik innerhalb der

Hausgemeindcn an der wachsenden Machtfüllc von deren Leitern
sowie Rivalitäten der Leiter untereinander führten zu einem
Plausibilitätsvcrlust der traditionellen Ordnung bei der jüngeren
Generation. M. kommt hier der These Harnacks vom korinthischen
„Cliquenzank" sehr nahe. Keineswegs vertritt lClem ein
neues Ordnungskonzept; sein Anspruch, die von den Aposteln
sich herleitende Ordnung lediglich zu bekräftigen (IClem 40,1-
5) ist keine theologische Ideologie, sondern entspricht ganz
dem Selbstverständnis der Gemeinde. Er will nur die bestehende
Institution festigen: "Wc may describe Clement as involved
in institution building, or better, institution strengthening activi-
ty" (1 19). So sind denn auch die langen ordnungstheologischen
Ausführungen des Briefes nach der Meinung M.s keineswegs
von grundsätzlicher Bedeutung, sondern wollen als Mittel zum
Zweck der Institutionsstärkung verstanden werden; in ihnen erfolgt
"a theoretical development of the group's symbolic uni-
verse" (123).

Auch die Ignatiusbriefe werden konsequent als ein solcher
sekundärer Legitimierungsversuch bereits bestehender gemeindlicher
Strukturen interpretiert. Das ist von der Grundthese
einer sich durchhaltenden Kontinuität der Gemeindeverfassung
in Ephesus und den klcinasiatischen paulinischen Gemeinden
her durchaus konsequent. Neu ist lediglich die noch im Gang
befindliche Entwicklung hin auf einen die verschiedenen Hausgemeinden
überwölbenden Monepiskopat (179). Diese will
Ignatius fördern, denn sein Anliegen ist es, "to place all aspects
of Community life under local supervision" (177). Konkret mag
die lokale Supervision jeweils dem Leiter der größten Hausgemeinde
, der zugleich Gastgeber der gesamtgemeindlichen gottesdienstlichen
Versammlungen war, zugefallen sein (178 unter
Hinweis auf Rom 16,23). Auch das theologische Einheitsmodell
des Ignatius will der Vf. nur als sekundäre Hilfskonstruktion
ohne grundsätzlichen Charakter gelten lassen. Es sei lediglich
darum gegangen, zu zeigen, daß der Bischof in Verbindung mit
einem heilige Scheu erweckenden sakralen Bereich stehe (185).
Zur Begründung weist der Vf. auf die inneren Widersprüchlich-
keiten des ignatianischen Einheitsmodells hin (182-186). Das
wird freilich nur den überzeugen, der seine Meinung teilt,
wonach theologische Theorie grundsätzlich keine verändernde
und erneuernde Kraft hat, sondern grundsätzlich nur ein variables
Werkzeug zur Erklärung und Legitimierung bestehender
institutioneller Gegebenheiten sein kann.

Abschließend sei noch kritisch angemerkt, daß die Bibliographie
hinter dem inzwischen üblichen Standard formaler Sorgfalt
weit zurückbleibt. Vor allem die deutschen Titel werden vielfach
mit sinnentstellenden, grotesk anmutenden Fehlern wiedergegeben
.

Erlangen Jürgen Roloff

Johannes Chrysostomus: Catecheses Baptismales. Taufkatechesen
, I u. 2. Übers, u. eingel. von R. Kaczynski. Freiburg-
Basel-Wien: Herder 1992. 520 S. 8« = Fontes Christiani, 6,1
u. 2. Lw. DM 46 - u. 39,-. ISBN 3-451-22230-2 u. 3-451-
22231-0.

Über die neue Quellenreihe Fontes Christiani hatte ThLZ 117
(1992) mehrfach informiert (407-412, 6()8f, 7581'.). Für die
jetzt vorgelegten Taufkatechesen des Johannes Chrysostomus
bestanden unterschiedliche textkritischc Voraussetzungen. Die
Taufkatechese 1 aus dem Jahre 387 (109-149) mußte aus der
alten Edition von B. de Montfaucon von 1719 übernommen
werden, der im 19. Jh. J. P. Migne in seiner Patrologie gefolgt
war (PG 49, 231-240). Für die folgenden drei Katechesen (cat
2/1-3, 151-253) waren die Bedingungen optimal durch die
Arbeit, die A. Piedagnel und L. Doutreleau 1990 in Band 366