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Ausgabe:

1993

Spalte:

843-844

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Gregorius Nyssenus, Lettres 1993

Rezensent:

Winkelmann, Friedhelm

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Seite 1

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843

Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 10

844

more of the Synoptic Gospels" (XXII). Bemerkenswert ist z.B.
die Studie von H. Thyen, in der weniger von literarkritischcn
als vielmehr von literaturwissenschaftlichen Positionen her die
Benutzung der Synoptiker bei Jo aufgezeigt wird. Diese Annahme
wird durch das Zusammenspiel von literarkritischer und
literaturwissenschaftlicher Argumentation, wie sie auf dem
Kolloquium zutage trat, stark gefördert.

Freilich fehlte es auch nicht an Stimmen, die eine direkte
oder auch nur indirekte Beeinflussung des 4. Ev.s durch die
Synoptiker nicht angezeigt sehen (wie etwa H. Weder, D. M.
Smith, M.-E. Boismard, A. Dauer, R. T. Forma). Indessen ist
die lange Zeit vorherrschende Ansicht, Jo setze die Synoptiker
nicht voraus, in Frage gestellt (und damit zugleich die - auch
aus anderen Gründen zweifelhaft gewordene - Hypothese der
Semeia-Quelle).

Der Band enthält insgesamt 38 Beiträge, 20 in Englisch, 11
in Deutsch, 7 in Französisch. Sie werden die weitere Debatte
um die Bearbeitung der Jesus-Tradition im JoEv bereichern.
Ein Index der erwähnten modernen Autoren sowie zu den angeführten
und behandelten Bibelstellen (in der Reihenfolge NT -
AT) und zu den (atl. und ntl.) Apokryphen rundet das wichtige
Buch ab.

T. H.

Kirchengeschichte: Alte Kirche

Gregoire de Nysse: Lettres. Introduction, Texte critique, Tra-
duction, Notes et Index par P. Maraval. Paris: Cerf 1990. 346
S. 80 = Sources Chretiennes, 363. fFr 224.-.

Die vorliegende Edition erreicht folgende Fortschritte in
Textbearbeitung und -konstituierung über die Ausgabe von
Giorgio Pasquali (GNO 8,2, Berlin 1925, Leiden 19592) hinaus
: ad Ep. 1 Nachkollation von 2 Handschriften (ansonsten
Übernahme der Edition von P. Gallay: Gregor von Nazianz.
Briefe, Berlin 1969, 177-183); ad Ep. 2 neue Edition auf der
Grundlage der weiten handschriftlichen Überlieferung; ad Epp.
4-30 Nachkollation der Handschriften, Korrektur von Fehlern,
Vervollständigung des kritischen Apparates, nach Möglichkeit
Vermeidung von Conjekturen, sofern sie nicht unumgänglich
sind. Die notwendigen Ausführungen zur Überlieferung findet
man 53-80. Die Edition gewinnt noch durch einen kenntnisreichen
und präzisen Kommentar. Er wird durch eine Karte, die
viele der im Ortsregister genannten Namen lokalisiert, ergänzt
(339ff.) - eine große Hilfe für den Benutzer.

Der Umfang des Briefcorpus Gregors von Nyssa ist nicht
unumstritten. Ep 1 hatte Gallay - dem damaligen Forschungsstand
entsprechend - in die Sammlung der Briefe des Gregor
von Nazianz als Ep. 249 aufgenommen. Der Forschung Mara-
vals (Anal. Boll. 102, 1984, 61-70) ist es zu verdanken, daß sich
wieder die herkömmliche Zuweisung des Briefes an Gregor von
Nyssa durchgesetzt hat (53-59). Auch Ep. 2 (die berühmte Kritik
an den Wallfahrten nach Jerusalem) und Ep. 3 haben eine
eigene handschriftliche Überlieferung, die namentlich bei Ep. 2
weitverzweigt, und über die Maraval 60-69 informiert. Zu den
Authentizitätsproblemen dieser beiden Briefe hatte sich der
Editor schon in Rev. Mist. Phil. Rel. 66 (1986) 131-146 und
Rev. Sc. Rel. 61 (1987 ) 74-89 ausführlich geäußert. Epp. 26-28
zählen herkömmlicherweise als Epp. 347. 348. 342 des Basilei-
os. Pasquali hatte sie als fraglich in seine Edition der Briefe des
Gregor von Nyssa aufgenommen. Maraval beruft sich für diese
Zuweisung auf eine Studie von Paul Maas (72, 80, 301, 307),

deren bibliographische Auflösung nur auf S. 75 gefunden werden
kann, da sie in das Literaturverzeichnis (9-13) nicht aufgenommen
wurde. Bei Epp. 29 und 30 (dieser ein Brief seines
Bruders Petros an Gregor) schließt sich der Editor Pasquali an.
Er basiert bei der Textkonstituierung auch wie dieser auf Codd.
Vatic. 1773 und 1907 statt Codd. Patm. 46 und Londin. 52. Das
Siegel S wird im Band für zwei verschiedene Handschriften
verwendet (56 u. 73), was durchaus irreführend sein kann.

Die Angaben in der Clavis Patrum Graecorum II, Turnhout
1974, Nr. 3167, sind nach dieser neuen Edition zu korrigieren
und zu vervollständigen.

Leider hat Maraval auf Stemmata verzichtet, die bei der zum
Teil komplizierten Überlieferung für den Benutzer sehr nützlich
wären. Der Conspectus siglorum ist keinerlei Ersatz dafür
(79f.). Zudem sind hier die Angaben über die Bezeugung der
Epp. 4-30 nicht differenziert genug. Hier wäre eine Unterteilung
in Epp. 4-25. 26-28. 29/30 sinnvoll gewesen.

Das erste Kapitel (16-52: Gregoire de Nysse d 'apres los lettres
) zieht den biographischen Extrakt aus den Briefen. Als Einstieg
in die Lektüre der Briefe selbst ist dieser Abschnitt, der
eine gute Kenntnis der Forschungslage verrät und genügend
Hinweise auf weiterführende Literatur gibt, sehr zu empfehlen.

Aufs Ganze gesehen ist dieser Band wieder ein weiterer
gelungener Beitrag zur Reihe »Sources Chretiennes«.

Berlin/Rostock Friedhelm Winkelmann

Kraft, Heinrich: Einführung in die Patrologie. Darmstadt:
Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1991. VII, 257 S. 8« =
Die Theologie. Kart. DM 39,80. ISBN 3-534-02441-9.

„Die Patrologie ist eine Disziplin der historischen Theologie.
Ihr wesentlicher Gegenstand sind die Kirchenväter mit ihren
Schriften, ihrer Gedankenwelt und ihren Lebensumständen."
Damit leitet Kraft sein Buch ein und hat den Gegenstand, den er
darstellen will, schon auf der ersten Seite mystifiziert. Kirchenväter
sind immerhin Personen; diesen Begriff erklärt K. übrigens
sehr schön (8-13). Aber es bleibt offen, ob es nun eine
Literaturgeschichte sein soll, was m.E. die vom Wort „Patrologie
" gegebene Erwartung ist, oder ob es sich um Theologic-
oder eine Neufassung der Dogmengeschichte handelt. Der „Gedankenwelt
" und den „Lebensumständen" wird jedenfalls so
viel Raum gewidmet, daß ich das Buch am liebsten eine altchristliche
Geistesgeschichte nennen möchte. Denn daß die
behandelten Personen auch bestimmte Schriften geschrieben
haben, deren literarische Form auch zu beschreiben wäre, tritt
zu oft in den Hintergrund.

Zum Nachschlagen eignet sich die „Einführung" überhaupt
nicht. Vielleicht will sie das auch gar nicht. Die geläufigen
Hilfsmittel werden nicht angegeben.

Die „Einführung" ist gut lesbar und originell. Zu originellen
Merkwürdigkeiten gehören folgende Grundsätze der Darstellung
: „Die Theologie der Mysterien war den Griechen allgemein
bekannt" (37). Das wichtigste Kennzeichen des Mittelpiatonismus
„ist, neben dem Synkretismus, die Überzeugung, daß
die Wahrheit zwar der menschlichen Erkenntnis unzugänglich
sei, weil sie nicht als Wahrheit erkannt werden könne, daß sie
sich aber durch einen Offenbarungsakt dem Menschen erschließe
und in ihrer Evidenz ihm das fehlende Wahrheitski ite
rium liefere" (37). Deswegen sind die Apologeten und Gnosti-
ker - in dieser Reihenfolge - Mittelplatoniker. Übrigens erfährt
man im Kapitel „die Apologeten"(39-50), daß Tertullian, Laktanz
und Augustin qualitätsvolle Apologien geschrieben haben;
außerdem gab es einen Theophilus von Antiochien. Und die
literarische Form, an die die Apologeten anknüpften, soll seit
Aristoteles übliche Protreptikos sein.