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Ausgabe:

1993

Spalte:

836-838

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Mealy, J. Webb

Titel/Untertitel:

After the thousand years 1993

Rezensent:

Karrer, Martin

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 10

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den Gruppe von Juden, die in der Wüste das eschatologische
Weltende erwarteten, anschloß. Kraft seiner hohenpriesterlichen
Befugnis wurde er Leiter der Gemeinde und als Ausleger der heiligen
Schriften, als Gesetzgeber, Prophet und Richter - kurz: als
der neue Moses verstanden. Messias wollte er nicht sein; auch
1QH 3,6-18 spricht nicht von seiner Messianität, läßt sich aber
vielleicht von der Erwartung eines in die Mitte der Gemeinde
kommenden Messias verstehen. Höchstens kann man sagen, daß
die Gemeinde nach dem Tode des Lehrers von seiner Messianität
gesprochen hat. Die Gemeinde lebte nicht in einem eschatologi-
schen Zeitalter, sondern in der Erwartung eines Eschaton, und
mehrere der Schriften lassen sich aus der Enttäuschung dieser
Erwartungen heraus verstehen. Schweitzer schließt seinen Aufsatz
ab: "Alas, it was not the eschatological curtain that went up,
but the Kittim's foot that came down on Qumran!"

Seitdem dieser Lehrer der Gerechtigkeit in den Gemeindeschriften
entdeckt wurde, hat man immer versucht, ihn mit verschiedenen
historischen, mehr oder weniger bekannten Personen
zu identifizieren. In diesem Buch gibt Ruth Moskow eine
äußerst phantasievolle und fast detektivische Analyse der Texte
, die dazu führt, daß der Lehrer als Petahia = Mordechai identifiziert
werden kann.

Was aber die westliche Welt besonders interessiert hat, war
immer die Frage, ob diese Gemeinde in der Wüste Juda zu Hause
war und ob ihre Lehrer der Gerechtigkeit etwas zu tun hätten
mit der frühen Christengemeinde, oder deutlicher: Jesus-Gemeinde
. Auch das vorliegende Buch nimmt solche Fragen auf.
Barbara Thiering argumentiert gegen die gewöhnliche Datierung
des CD in die Hasmonäische Zeit und schließt, daß die
Qumran Mss aus der Zeit der Zeitwende stammen und daß sie
eine Auseinandersetzung zwischen Johannes dem Täufer und
Jesus widerspiegeln.

Wichtiger scheint mir O. Wrise: "The Temple Scroll and the
Teacher of Righteousness". Aus einem Vergleich der Damakus-
schrift (CD) mit der Tempelrolle (TR) schließt er, daß CD zu
einer Gemeinde gehört, die von der Gemeinde der 1QS verschieden
ist, daß aber die Gesetzgebung in CD die Quelle war für die
detaillierte Gesetzgebung in TR. Das heißt, daß der Lehrer in CD
eine zukünftige Gestalt ist, während er in TR gegenwärtig ist und
vielleicht auch der Urheber der Rolle. Dieser Lehrer ist der neue
Moses, der als Sprachrohr Gottes absolute Autorität besitzt. Ihm
gehorsam zu sein, ist die Bedingung für Gottes Segen für die
Gemeinde und für das Anbrechen der eschatologischen Heilszeit
mit der Ankunft der beiden Messiasse.

Eine weitere Frage in bezug auf den Lehrer ist, inwiefern er
als Verfasser einiger oder mehrerer oder vielleicht aller Gemeindeschriften
angenommen werden kann. Diese Frage wird
auch in diesem Buch mehr oder weniger ausführlich behandelt.
Es dreht sich namentlich um die Identifizierung des „Ich" in
den Psalmen (1QH). Meiner Meinung nach geht man allzu
rasch davon aus, daß es der Lehrer ist, der in diesen Liedern seine
Erfahrungen und sein ganzes inneres Leben ausdrückt. Der
vorsichtigste ist auch hier Amussin, der meint, daß die Frage
noch nicht beantwortet werden konnte; es scheint ihm aber
wahrscheinlich, daß jedenfalls in einigen der Psalmen der Lehrer
spricht. - Man bemüht sich nicht genug um einen Vergleich
dieses „Ich" mit dem „Ich" in den atl. Psalmen.

Die zweite Hälfte des Buches bringt, wie gesagt, Aufsätze
über verschiedene Themen. Albert-Marie Denise erwähnt die
geringe Rolle, die das Mosegesetz spielt, sowohl in den Qumran-
schriften als auch in den Pseudepigraphen. Das muß damit
zusammenhängen, daß in dem neuen Bund das alte Gesetz erneuert
wurde durch die Ergänzung der Gesetzgebung der Qumrange-
meinde. Eine Parallele dazu sieht Denise in Matth. 5,17.

Robert Eisenmanns Versuch einer ganz untraditionellen Interpretation
des Ausdrucks abeit galuto in 1 QpH XI,6 kommt
mir wenig überzeugend vor. Stanislaw Medala sucht Verbindungen
zwischen dem 4. Esrabuch und den Qumranschriften.
Bilha Nitzan findet den Ursprung der pe.ver-Auslegung in der
alttestamentlichen Historiographie und zieht auch Parallelen
zum Neuen Testament. Jean Riaud schreibt über die von Philo
erwähnten Therapeuten in der Nähe von Alexandria und findet
Ähnlichkeiten mit den Essenern.

Abgesehen von einigen neuen, mehr oder minder glaubwürdigen
Theorien liegt das Hauptgewicht in diesem empfehlenswerten
Buch in der Wiederaufnahme und Weiterführung der
Diskussion über wesentliche Themen der Qumranforschung.

Skodsberg Svend Holm-Nielsen

Mealy, J. Webb: After the Thousand Years. Resurrcction and
Judgment in Revelation 20. Sheffield: JSOT Press 1992. 273
S. 8° = Journal for the Study of the New Testament, Suppl.
Series 70. Lw. £ 35.-. ISBN 1-85075-363-6.

Die recht meinenden Christen wüßten, daß 1000 Jahre im
wiederaufgebauten und geschmückten Jerusalem kämen, antwortet
Justin seinem Dialogpartner Tryphon auf dessen Frage
nach dem weiteren Geschick des zerstörten Jesualem (dial.
80,4). Mit diesem Hinweis beginnt die nachweisbare Auslegungsgeschichte
von Offb 20,3ff. Nicht zufällig konkretisiert er
auf die „recht meinenden Christen": Wie es sich am Ende verhält
, ist bereits umstritten (s. 80,2f).

Es ist, dürfen wir ergänzen, umstritten geblieben bis heute.
Mancher InterpretationsVorschlag ließ sich ausscheiden - angefangen
bei Justins Verbindung der 1000 Jahre mit dem wiedererrichteten
Jerusalem -, doch zu einem komplementären Konsens
über einen gültigen Lösungsvorschlag kam es nicht. Dabei
ist die Provokation dieses Schlüsseltextes des christlichen (und
teils neben- wie postchristlichen) Chiliasmus für die Exegese
geblieben. Von einer neuen Dissertation zum Thema (Mealy
legte sie als PhD in Sheffield vor) erhofft der Leser weiterführende
Perspektiven.

Zu Recht beginnt M. nach einer kurzen Einleitung (Kap. 1)
mit der Auslegungs- und Forschungsgeschichte (Kap. 2 und 3).
Als Haupttypen der Interpretation bestimmt er erstens einen
geschichts- und weltbezogenen Millennarismus (den er maßgeblich
bei Laktanz ausgeprägt sieht), zweitens Augustins
Lösung der „1000 Jahre" von einer drängenden Enderwartung
zugunsten der zeitlich offenen Kirchengeschichte (die M. „a-
millennial" nennt), und zum dritten jüngere Versuche, die 1000
Jahre theologisch-überzeitlich zu verstehen („post-millennial"
genannt). Diese Typisierung bedürfte der Anreicherung. Nicht
angesprochen ist der aufklärerische Impuls gegen „rohen" weltlichen
Chiliasmus, der die Suche nach einer nichtchiliastischen
Textinterpretation mit anstieß (bes. H. Corrodi, Kritische Geschichte
des Chiliasmus, 1781-1783), zur Apk II 203-334 mit
harten antijudaistisehen Tönen). Dem dritten Typ gehört der
wichtigste Auslegungsversuch der letzten Jahrzehnte an, E.
Schüssler-Fiorenzas Deutung von Apk 20,4-6 auf eine eschatologische
Rehabilitierung der sich in der Bedrängnis bewährenden
Christen, die eine datenmäßig nicht zu fixierende Auszeichnung
als „messianische Priester" erführen (Priester für Gott,
1972, 291-344). M. will den dritten Auslegungstyp eigenständig
, unter Berücksichtigung von Momenten des ersten Interpretationstyps
, vorantreiben (vgl. - untereinander leicht divergierend
- 12 und 243).

Als exegetischen Schlüssel betrachtet M. die inneren Linien
der Apk und die durch ihre Schriftanspielungen entstehenden
Kontexte (13, 59ff). Die Frage zeitgeschichtlicher Impulse tritt
zurück, ebenso weitergehende religionsgeschichtliche Erörterungen
. Die exegetischen Kap. 4-9 der Studie erweitern infolgedessen
das Vergleichsmaterial zu Apk 20 nicht wesentlich.