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Ausgabe:

1993

Spalte:

834-836

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

The teacher of righteousness 1993

Rezensent:

Holm-Nielsen, Svend

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833

Theologische Literaturzeitung I 18. Jahrgang 1993 Nr. 10

834

(Einleitung in Talmud und Midrasch) noch 5 weitere Auflagen.
Nach einer Pause von mehreren Jahrzehnten und dem Übergang
an C. H. Beck, der auch das Standardwerk Strack-Billerbeck
verlegerisch betreut, wurde 1982 eine von G. Stemberger erheblich
Überarb. 7. Aufl. vorgelegt. Die Übersetzungen ins Französische
, Spanische und Englische, die inzwischen erschienen
sind, lassen erkennen, daß damit im deutschen Sprachraum ein
Werk vorliegt, das an Materialfülle und Gründlichkeit die konkurrierenden
Unternehmen deutlich übertrifft (etwa die Einführung
von Ch. Albeck, vgl. Rez. B. Schaller, ThLZ 96, 1973,
28-32). Nun ist an die Stelle des Strack/Stemberger die ausschließlich
von dem verdienstsvollen Wiener Judaisten G. Stemberger
verantwortete Neufassung getreten.

Einleitung heißt auch hier wie in den Bibelwissenschaften
nicht Einführung, sondern literar- und überlieferungsgeschichtliche
Präsentation, Darlegung von Theorien zur Entstehung und
Sammlung der vorzustellenden Schriften. Die Gliederung ergibt
sich aus dem zu behandelnden Stoff. Auf eine den Grundfragen
geltenden Einleitung (11-112) folgt als zweiter Teil die talmudische
Literatur, also die Mischna (113-152), die Tosefta (153-
166), der palästinensische (167-190) und der babylonische Talmud
(191-223), sowie die außerkanonischen Traktate (224-230).
Im dritten Teil erfolgt die Vorstellung des Midrasch, wobei nach
halachischen (245-271), Auslegungs- (272-283 und 315-318)
und Homilien-Midraschim (284-308), sowie Sammelwerken
(341-349) gegliedert wird. Der Benutzer muß sich darüber im
klaren sein, daß dank der eindeutigen thematischen Grenzziehung
hier nur die rabbinische Traditionsliteratur erfaßt ist. Nicht
zugehörig sind bei Strack-Billerbeck ausgewertete Bereiche,
wie die Targume und die an midraschartigen Stücken reiche he-
terodoxe und jüdisch hellenistische Literatur.

Daß sich der Fortschritt der Rabbinistik in den letzten Jahrzehnten
nicht nur in der Interpretation und Erschließung der einzelnen
Schriften vollzogen hat, wird an Anlage und Inhalt des
einleitenden Teils deutlich. Hier wird der historische Rahmen
beschrieben (das ganze erste Jahrtausend unserer Zeitrechnung),
der „Sitz im Leben" bestimmt (neben der Synagogenpredigt und
in geringerem Maße dem Gerichtswesen der Schulbetrieb im
weitesten Sinn) und eine Skizze der rabbinischen Hermeneutik
unter den Stichworten Aktualisierung der Tora und mündliche
Tora geboten. (25) Wichtig ist die schon von P. Schäfer herausgearbeitete
Erkenntnis, „daß die Lehre von der mündlichen Tora
in rabbinischer Zeit nicht notwendig in ein Schreibverbot mündete
, sondern vor allem als ein nicht unbedingt für die Praxis
relevantes Dogma zu betrachten ist". Daß die „Verschriftlichung
" als erster tiefer Einschnitt in den Traditionsprozeß zu
werten ist, stimmt mit den Erkenntnissen der Formgeschichte
etwa von M. Dibelius überein: Die Niederschrift ist nicht organischer
Fortgang, sondern Anfang eines neuen, rein literarischen
Werdens. Generell bleibt die Einsicht, daß (trotz der Arbeit von
J. Neusner) der methodische Fortschritt der Bibelexegese erst zu
einem geringen Teil Niederschlag bei der Bearbeitung rabbinischer
Texte gefunden hat. Dennoch sind neben Neusners Formenkatalog
(60-62) traditionelle Hilfsmittel wie die mit Beispielen
versehenen Präsentation der rabbinischen hermeneutischen
Grundregeln: der 7 Regeln Hilleis, der 13 Middot des R. Isch-
mael, der 32 Middot des R. Eliezer (27-40), sowie die Liste der
wichtigsten Rabbinen (73-105) unverzichtbar.

Die darstellenden 'feile bieten nicht nur Bestandsaufnahmen,
sondern verweisen immer wieder auf unabgcschlossene Diskus-
Mimen, wie die nach Ursprung und Vorstufen der Mischna
(130). dem Verhältnis von Tosefta und Mischna (156), der Einheitlichkeit
bei der Redaktion des babylonischen Talmuds (195),
der Relativität einer Einteilung der Midraschim nach Schulen
(246).

Angesichts der ungemein reichhaltigen Angaben, die bei
jedem der zahlreichen Unterabschnitte Nachweise von Textausgaben
, Übersetzungen und Sekundärliteratur jedweden Herkunftslandes
verzeichnen, ist es schade, daß in der Mitte Europas
offenbar ein weißer Fleck geblieben ist. So hat der Rez. die
Beiträge von zweier um die Judaistik verdiente Forscher, denen
er sich besonders verbunden wußte, vergeblich gesucht. H.
Bardtkes Übersetzung des Traktates Sopherim, WZ Leipzig
1952/53, 31-49, wird nicht aufgeführt (zu 234). Es fehlen auch
R. Meyers Arbeiten Hellenistisches in der rabbinischen Anthropologie
, 1937 (zu 110), Tradition und Neuschöpfung im antiken
Judentum, SSAW 110, 2, 1965 = Zur Geschichte und Theologie
des Judentums in hellenistisch-römischer Zeit, 1989, 130-187
(zu 11 o. 14). Auch sollte angesichts der zahlreichen einschlägigen
Bezugnahmen das vorzügliche Einführungswerk von Paul
Kahle, Die Kairoer Genisa, (Ost-)Berlin 1962 nicht unerwähnt
bleiben.

B. Schaller hatte in seiner oben genannten Rez. die Auflistung
der Desiderata mit einer Feststellung geschlossen: „Auf eine
Einleitung, die dies leistet, bleibt nach wie vor zu warten." Mit
dem Erscheinen des neuen Stemberger dürfte diese Wartezeit zu
Ende sein.

Halle (Saale) Wolfgang Wiefel

Neues Testament

Kapera, Zdzislaw J. |Ed.J: Mogilany 1989. Papers on the
Dead Sea Scrolls offered in memory of Jean Carmignac. II: The
Teacher of Righteousness. Literary Studies. Krakow: Enigma
Press 1991. 244 S. 8« = Qumranica Mogilanensia, 3. ISBN 83-
900504-3-9.

Das Buch enthält Vorträge, die in einem Symposium in Mogilany
. Polen. 1989 gehalten wurden - zum Gedenken an den verstorbenen
Jean Carmignac, der 1985 in Polen Gastvorlesungen
über Qumranthemen gehalten hatte. Die erste Hälfte des Buches
dreht sich ausschließlich um den Lehrer der Gerechtigkeit,
während die zweite unter dem Titel "Literary Studies" verschiedene
Themen, die sich direkt oder indirekt mit der Qumranolo-
gie berühren, aufnimmt. Von den insgesamt 14 kürzeren und
längeren Artikeln können hier nur die wichtigsten besprochen
werden.

Lea Gluskina schreibt über die Qumran-Arbeit ihres verstorbenen
Gatten, Joseph Amussin, der in der westlichen Welt wohl
nicht so sehr bekannt war, weil es ihm von den sowjetischen
Behörden seit 1960 verboten war, ins Ausland zu reisen, der
aber mehrere Bücher über Qumranprobleme verfaßte und sich in
verschiedenen Artikeln in Sonderheit mit der Gestalt des Lehrers
der Gerechtigkeit beschäftigte. Amussin war vorsichtig in
der Frage über die mögliche Identifikation des Lehrers. Er wägte
die verschiedenen Theorien sorgfältig ab. wobei ihm einige
wahrscheinlicher vorkamen als andere; warnte aber vor der Folgerung
, posse im Sinne von esse zu verstehen. Dasselbe hebt
auch Ilja Schiffmann hervor in "The Teacher of Righteousness
in the Soviet Qumran Studies", besonders in der Auseinandersetzung
Amussins mit K. B. Starkova, die ihre Auffassung
hauptsächlich auf die philologische Analyse der Texte gegründet
hat.

Eine Frage, mit der Qumran forscher sich oft beschäftigt
haben, ist, inwiefern der Lehrer sich selbst als ein Messias aufgefaßt
hat oder vielleicht als ein Vorläufer des Messias. Dieser
f rage geht Frederick Schweitzer in einem längeren Aufsatz
nach. Er faßt den Lehrer auf als einen „dethronisierten" Hohenpriester
, der von Jerusalem floh und sich einer schon existieren-