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Ausgabe:

1993

Spalte:

826-827

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Meer, Willem van der

Titel/Untertitel:

Oude woorden, worden nieuw 1993

Rezensent:

Conrad, Diethelm

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 10

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Umwelt des alten Israel zu einer ersten Kurzvorstellung des
Buches der Sprüche, von Kohelet und Hiob, sowie der wichtigsten
frühjüdischen Weisheitsschriften. Kap. III ist mit Recht der
besonderen Bedeutung der Sprache in den Weisheitsschriften
gewidmet und verhandelt dabei neben den weisheitlichen Textsorten
(Listen, Sprüche, Lehrreden, Weisheitsgedichtc, Lehrerzählungen
) stets mit gut ausgewählten Textbeispielen und Erklärungen
auch die Eigenart und Bedeutung des Parallelismus
membrorum in dessen unterschiedlichen Arten. Danach wird
von den Orten der (zuerst mündlichen, erst später schriftlichen)
Volksweisheit gehandelt (Elternhaus; die - als Ort der Weisheitspflege
bisher viel zu wenig beachtete - Ratsversammlung,
vgl. Hi 29,7-14; die in Israel nicht eindeutig belegbare Schule;
der Königshof mit der Bildungsweisheit).

Das umfangreichste Kap. (V) ist dann den wichtigsten „Themen
der Weisheit" gewidmet. Eingesetzt wird mit dem Zusammenhang
zwischen Tun und Ergehen (anhand der Rezeptionsgeschichte
von Spr 26,27a) sowie den damit verbundenen Gegenerfahrungen
und der Frage, ob und auf welche Weise Gott an dem
Geschehnisbogen vom Tun und Ergehen beteiligt ist. Dann wird
von dem Grundvertrauen gesprochen, das aus dem Wissen um die
Kreatürlichkeit folgt („geschenktes Dasein"), was dann zu Texten
wie Hi 28 und Spr 8,22ff. (die Weisheit als weibliche Person und
die Schöpfung) führt. Mit einem Blick auf die „Spielregeln des
Lebens" innerhalb des Alltags und in dieser „Theologie der Ordnungen
" und die damit z.B. verbundenen Typisierungen bestimmter
Personenkreise (arm - reich; fleißig - faul usw.)
schließt dieses Kapitel, das die Weisheit insgesamt als Schöp-
fungs- und Ordnungstheologie verstehen möchte, welche die
Bewahrung des Lebens im Natur- und Sozialkosmos als Ziel hat.

Unter der Überschrift „Grenzen der Weisheit" wird anschliessend
von den wichtigsten Fragen der Bücher Hiob und Kohelet
gehandelt (Ursprung des Unglücks wie des Bösen; Satan; des
Menschen Leid; Leid und Gott; der Tod als Geheimnis der Zeit,
der Augenblick als Gabe des Lebens). In diesen Zusammenhängen
wird nun aber auch die übliche Rede von der hier begegnenden
„Krise der Weisheit" bestritten; vielmehr würden in diesen
Büchern eher Grenzen der Weisheit abgeschritten. Ob sich dies
angesichts vieler Inhalte von Hiob und Kohelet wird halten lassen
, dürfte die wichtigste Anfrage an das sonst so abgewogene
Buch von R.Lux sein und werden, wo z.B. im Hiobbuch eine
theologische Vertiefung (!) weisheitlichen Denkens gefunden
(117) und Kohelet mit der These vom „Augenblick als Gabe des
Lebens" und ohne die Frage nach möglich orthodoxen Zusätzen
(wohl abgesehen vom nicht erwähnten Epilog I2,8ff.) doch
wohl überinterpretiert wird. Die drei Schlußkapitel stellen dann
nicht nur knapp Jesus Sirach vor (Weisheit und Tora), sondern
gehen auch noch auf Jesus als messianischen Weishcitslehrcr
ein. Ferner wird im Blick auf die eingangs gestellte Frge nach
der Relevanz der atl. Weisheit für die Gegenwart das Verhältnis
von Weisheit und heutiger Wissenschaft kritisch und bedenkenswert
angesprochen (Fortschrittsglaube; Wissenschaftsethik;
Wissenschaftssprache u.a.m.). Und am Ende des Buches stehen
dann noch zwei Predigten mit Koh 3,10-13 und 11,4-7 als Texten
.

Dies ist ein gut zu lesendes Buch. Erste Einführung in die
Weisheitsbücher, nach thematischen Gesichtspunkten geordnete
Betrachtung einzelner Texte und weiterführende Erwägungen
des Auslegers greifen gut ineinander. Der Vf. läßt die Weisheit
ihr eigenes Wort sagen und holt sie nicht in eine allgemeine
Schöpfungs- oder gar Bundestheologie hinein. Trotz der oben
gemachten Einschränkungen zu Krise oder Grenzen der Weisheit
wünscht man dem Buch viele „interessierte Bibelleser",
uber auch der Fachmann wird manches Schöne, Bedenkenswerte
und Anregende darin entdecken.

Ncuendcttelsau Horst Dietrich Preuti

Meer, Willem van der: Oude Woorden worden Nieuw. De

opbouw van het boek Joel. Proefschrift. Kampen: Kok 1989.
X, 346 S. gr.8°. Kart, hfl 49.50.

Die vorliegende Arbeit ist eine Kampener Dissertation, die
von E. Noort betreut wurde. Sie nimmt ihren Ausgangspunkt bei
der Feststellung, daß durch die Jahrhunderte hin bis heute Untersuchung
und Auslegung des Joel-Buches durch viele unterschiedliche
Auffassungen gekennzeichnet sind. Die Hauptprobleme
sind dabei das Verhältnis von Joel 1 und 2, der Aufbau
des Buches und die Datierungsfragen. Vor allem die Ansichten
der Autoren über den Aufbau des Joel-Buches sind von ausschlaggebender
Bedeutung für die Lösung der Datierung und die
Bestimmung der theologischen Aussagen.

Dies zeigt der Vf. in seinem ersten, forschungsgeschichtlichen
Kapitel (1 -26) zur Genüge auf. Dann wird aber die Frage nach
dem Aufbau oder auch der Struktur des Joel-Buches zur entscheidenden
Frage für neue Überlegungen und für einen Neuansatz,
der die alten Fragen nun doch einer Lösung näher bringen soll.
Anhand von zwei neueren Arbeiten weist der Vf. aber den Zugang
sowohl über eine ausschließlich inhaltliche oder thematische
Annäherung (W. S. Prinsloo, The Theology of the Book of
Joel, BZAW 163, Berlin 1985) als auch eine ausschließlich formale
Annäherung über die Kolometrie (O. Loretz, Regenritual
und Jahwetag im Joelbuch), Kanaanäischer Hintergrund, Kolometrie
, Aufbau und Symbolik eines Prophetenbuches, UBL 4,
Altenberge 1986) als zu schematisch ab (26-35). Er erkennt die
Berechtigung und Bedeutung beider Zugangsweisen zwar an, sie
müssen sich aber gegenseitig ergänzen. Dies führt er dann in den
Kap. 2 und 3 seines Buches ausführlich vor.

Zuvor sagt der Vf. in einer methodischen Überlegung (35-39),
daß die hebräische Poesie im Rahmen der westsemitischen Poesie
zu sehen und daß bei einer Analyse poetischer Texte von
Strukturelementen der Poesie auszugehen sei. Diese Strukturelemente
sind bisher vorwiegend an ugaritischen Texten erhoben
worden, werden zunehmend aber auch in hebräischen poetischen
Texten nachgewiesen (O. Loretz, J. C. de Moor). Die poetischen
Einheiten (in aufsteigend komplexerer Reihenfolge) sind
Fuß, Kolon, Vers, Strophe, Canticle, Canto. Der Kern dieser
Einheiten ist der Vers, dessen Eigentümlichkeit es sei, daß er
sich ausdehnen, aber auch zusammenziehen könne. Er ist aber
nicht durch Konsonantenzählen zu ermitteln, wie Loretz das tut.
Er ist also nicht von gleicher Länge, auch wenn eine gewisse
Symmetrie festzustellen ist. Die Verse sind miteinander durch
semantischen und formalen Parallelismus verbunden. Die
Hauptsache ist die Suche nach Versen und deren Abgrenzung,
dann nach den höheren Einheiten, wobei dann andere Sinnelemente
wie Inklusionen, Responsien, aber auch masoretische
Merkmale wie Setuma und Petucha eine Rolle spielen. Neben
der synchronen Untersuchung spielt dann auch die Diachronie,
die Frage von Form und Inhalt eine Rolle, die dann erst zur definitiven
Struktur führt, so daß dann Fragen nach dem Prozeß der
Auffüllung oder der Aktualisierung des Textes gestellt und beantwortet
werden können. Datierung und auch Theologie eines
Textes sind also nicht allein aus seiner Endphase (s. Prinsloo) zu
beschreiben.

In Kap. 2 (40-129) führt der Vf. ausführlich seine formale
Analyse in Abgrenzung der genannten poetischen Einheiten
durch: 6 Cantos, 21 Canticles, usw. Dabei kommt er sowohl zu
gleichen oder ähnlichen Abgrenzungen wie Autoren vor ihm,
aber auch zu ganz anderen. In Kap. 3 (130-252) folgt die inhaltliche
Analyse, die nun auch diachrone Schichten sichtbar macht.
In den Schlußfolgerungen (253-269) wird dies nochmals zusammenhängend
dargestellt. Danach besteht der Kern des Joelbuches
aus 1:5-12,13- 20; 2:18-19c,21 -24; 3:1,3-5b (Phase 1): Aus
Anlaß einer Heuschreckenplage und der damit zusammenhängenden
Trockenheit, die mit dem „Tag des Herrn" verbunden