Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1993

Spalte:

824-825

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Lux, Rüdiger

Titel/Untertitel:

Die Weisen Israels 1993

Rezensent:

Preuß, Horst Dietrich

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

823

Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 10

824

Kessler, Rainer: Staat und Gesellschaft im vorexilischen Juda
vom 8. Jahrhundert bis zum Exil. Leiden-New York-Köln:
Brill 1992. X, 246 S. gr.8° = Supplements to Vetus Testamen-
tum, 47. Lw. hfl 140.-. ISBN 90-04-09646-9.

„Die hier vorgelegte Untersuchung ist die leicht überarbeitete
Fassung meiner Habilitationsschrift, die von der Kirchlichen
Hochschule Bethel bei Bielefeld am 13.12.1990 angenommen
wurde." So der erste Satz des Vorwortes der Monographie (1),
die der Schüler von Frank Crüsemann nunmehr der Öffentlichkeit
vorlegt. Da diese Thematik seit jeher und insbesondere in
der überlieferungsgeschichtlichen Schule Albrecht Alts sowie
seines Schülers Herbert Donner als auch in der Interpretation
der Sozialkritik der klassischen Propheten eine Rolle gespielt
hat, ist der Autor nach seiner Einleitung (0.) genötigt, unter 0.1.
die forschungeschichtliche Ausgangslage (3-17) darzustellen
und unter 0.2. die Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes
(18-20) vorzunehmen, wobei die Entwicklung im Nordreich
Israel im wesentlichen ausgegrenzt wird. Ob dies so gänzlich
möglich, berechtigt und zweckdienlich ist, mag dahingestellt
bleiben. Auch die Begrenzung auf die Zeit vom achten vorchristlichen
Jahrhundert bis zum Exil wird vorgenommen, was
auf Grund der Quellenlage durchaus verständlich ist. Dieses
wird unter dem Titel: Quellenmaterial und Aufbau der Untersuchung
(0.3.; 21) begründet.

Eine eingehende Untersuchung dieses Stoffes wird unter dem
Thema: l.Die Sozialakritik der Propheten (22-131) vorgeführt,
zunächst an den Perikopen des Jesajabuches:

1,10-17 (24-26); 1,21-26 (26-29); 3,12-15 (29-34); 5,1-7 (34-35); 5,8-10
(35-37); 5,11-24 (37-39); 10,1-3 (39-42). All diese Textstellen werden für
sich exegetisch auf ihre soziale und geschichtliche Aussage hin durchleuchtet
mit dem Ergebnis (42-44), daß die Konzentration des Landbesitzes in dieser
Zeit in den Händen weniger lag, während die Masse des arbeitenden Volkes,
die „wirtschaftlich Schwachen", in deren Abhängigkeit geraten sind.

Der gleiche Vorgang vollzieht sich unter 1.2. am Michabuch: 2,1-11 (45-
49); 3,1-12 (49-54); 6,9-15 (54-56); 7,1-7 (56-59) mit einer abschließenden
Feststellung (59-61). Ebenso wird das Buch Zephanja (1.3.) durchgegangen
1,2-2,3 (61-67);l,8f (62-64); l,10f (64-65); l,12f (65-66); 3,1-5 (66-67),
auch dies zusammengefaßt unter dem „Ergebnis" (67-68). Es schließen sich
an die sozialen Widersprüche im Buch des Propheten Jeremia (I.4.): 5,1-6
(70); 5,20-29 (70-73); 6,9-15 (74-76); 6,27-30 (76-77); 9,1-8 (77-79); 34,8-
22 (79-80). Ein besonderes Kapitel wird dem Thema „Jeremia und die Könige
" gewidmet: 21,1 lf (80-81); 22,13-19 (81-86). Das „Ergebnis" wird wiederum
zusammengefaßt (86-88). Es folgt die Behandlung des Buches
Habakuk (1.5.): 1,2-4 (89-91); 2,6-19 (91-94); zusammengefaßt in „Ergebnis
" (94-95). Den Abschluß der Revue der einschlägigen Texte bildet die
Behandlung des Buches Ezechiel (1.6.): 11,1-13 (97-99); K. 18 (99-102); K.
19 (102-103); 22,1-16 (103-107); 22,23-31 (107-111); K. 34 (111-114), was
auch hier wieder im „Ergebnis" zusammengefaßt wird (114-116). Der
gesamte Ertrag wird in den Ergebnissen über die ökonomische Entwicklung,
die Rolle des Staates und weitere Fragestellungen aufgearbeitet (117-131).

Wie die Aufzählung der behandelten Texte in ihren Proportionen
zeigt, werden die Perikopen nur kurz und sachlich konzis
unter Berücksichtigung der meist jüngeren Diskussion gewürdigt
. Hinzugefügt werden dankenswerterweise die übrigen atl.
und die epigraphischen Materialien (132). Die sachliche Aufarbeitung
des gesamten Stoffes findet sich im zweiten Teil des
Buches unter den Überschriften des jeweiligen Sachgegenstandes
(132-218). Der Leser wird die Ausführungen mit Interesse
verfolgen, zumal hier eine Reihe von neuen Akzenten gesetzt
wird. Dem Rez. war jedoch beschwerlich, daß bestimmte Begriffe
und Formen des modernen Staatswesens doch zu selbstverständlich
und ohne Definition benutzt werden, so die des
Beamten (z.B. 81, 98, 111, 118, 121, 163, 170, 173 u.ö.), der
Beamtenschaft (125), des Beamtenapparats (184), der Ernennung
von Beamten (202), der hohen Beamten (174, 202), höchsten
Beamten (203), Beamtenkorruption (131), Beamtenbestechlichkeit
(115, 186, 188). Diesen Begriffen stehen dann solche
des Staates gegenüber (126f, 204 u.ö.), Rolle des Staates
(130), Staatsapparat (131, 187), hierarchische Struktur des Staates
(154), Staatseigentum (162), Vertreter staatlicher Macht

(173), Staatsmacht (186), staatliche Autorität (187) und dgl.
mehr. Dieser Staat setzte sich aus Klassen zusammen, war also
eine Klassengesellschaft, wobei die Beamten auch als Vertreter
der Wirtschaft auftreten konnten. Welches und ein wie geartetes
Dienstherrenverhältnis Staat und Beamtenschaft miteinander
verband, bleibt völlig offen. Dies ist wohl bei der gegebenen
Textlage auch nicht festzustellen. Dem Rez. bleibt fraglich, ob
sich der Inhalt des Stoffes dem Leser echt erschließt, von welchem
Staatsverständnis er auch ausgehen mag. Selbst das Kapitel
: Der Staat des vorexilischen Juda im Übergang vom
„frühen" zum „reifen" Staat (154-160) wie auch das: Die Beamten
(169-186) werden zur Klärung der angewandten Klischeevorstellungen
nicht hinlänglich genutzt.

Es ist zwar interessant, die Vergangenheit unter dem Vorzeichen
und in der Begrifflichkeit, den Wertvorstellungen der
eigenen Zeit zu verstehen, doch bleibt fraglich, ob damit die atl.
Textaussage sachentsprechend erfaßt werden kann. Wird der
Gehalt damit exegetisch richtig ergründet? Die Entwicklung
und die Gestaltung der Handelsstruktur und die Wirtschaftsformen
hätten doch etwas differenzierter berücksichtigt werden
sollen. Auch die - wenn auch verschieden deutbaren - archäologischen
Befunde hätten konkreter bedacht werden müssen.

Es ist dem Autor zu danken, daß er die moderne Diskussion
in seinem Literaturverzeichnis gründlich erfaßt hat (234-236),
wenn auch nur an wenigen Stellen Forschungsrückblicke erkennbar
werden. Wichtig ist auch das Register der behandelten
Bibelstellen (237-246). Wünschenswert wäre bei der behandelten
Materie ein Schlagwortverzeichnis gewesen. Man legt das
Buch bereichert, aber auch mit einer Reihe neuer Fragen aus
der Hand. Jeder, der sich diesem Gegenstand zukünftig widmet,
kann an diesem Buch nicht mehr vorbeigehen.

Halle (Saale) Gerhard Wallis

Lux, Rüdiger: Die Weisen Israels. Meister der Sprache, Lehrer
des Volkes, Quelle des Lebens. Leipzig: Evang. Verlagsanstalt
1992. 179 S. m. Abb. 8°. DM 22,80. ISBN 3-374-01407-0.

„Das vorliegende Buch... hat nur eine Absicht: Es möchte
seine Leser dazu verlocken, selbst in dieser faszinierenden Welt
der Sprüche, Gedichte, Reden und Erzählungen Entdeckungen
zu machen" (7). Der Ruf der Weisheit soll weitergetragen werden
, die Weisheit selber Gelegenheit erhalten, sich auszusprechen
. So ist die wissenschaftliche Fundierung des Dargelegten
für den Fachmann klar erkennbar; aber der Vf. denkt primär an
den interessierten Bibelleser, verzichtet bewußt auf Fachdiskussion
und Fachsprache und bietet nur am Schluß ein Verzeichnis
weiterführender Literatur, dazu je eines der Abbildungen und
der Bibelstellen. Auch eine Vorweg-Definition des Begriffs
Weisheit wird abgelehnt. Wenn dann aber doch von der Weisheit
als Lebensprogramm gesprochen wird, mit und in welchem
die Weisen versuchten, „dem Phänomen weniger durch definitive
Abgrenzungen auf die Spur zu kommen als durch die Beobachtungen
, Sammlung, Ordnung und Überlieferung vielfältigster
menschlicher Erfahrungen. Dabei ging es immer wieder darum
, in der Fülle der sich teilweise widersprechenden und widersinnigen
Erfahrungen vorgegebene Ordnungen und Regeln
zu entdecken, ihnen durch kluges Verhalten zu entsprechen und
vor ihrer Vernachlässigung zu warnen" (7f.), so ist dieses trotz
allem ein Definitionsversuch und noch dazu ein zutreffender.

In neun Kapiteln wird der Leser behutsam und einfühlend in
die vielen Christen und NichtChristen wenig bekannte Welt der
Weisheitsschriften eingeführt, wobei Textbetrachtungen und
weiterführende Erwägungen des Auslegers verbunden werden.
Texte aus Spr 1-9 zeigen zuerst den „Ruf der Weisheit" auf. Die
Frage nach den „Quellen der Weisheit" führt dann über die