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Ausgabe:

1993

Spalte:

784-786

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Titel/Untertitel:

Liturgik, 1.: Einführung und Geschichte 1993

Rezensent:

Krieg, Gustav A.

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 9

784

sichten (nicht nach dem Konditionalsatz:.....das Fest kann sich nur entfalten
, wenn...", 298), Anstiftungen zu situationsgerechten Abduktionen dank
erkannter Fehlerquellen. Wir nehmen das Unverfügbare nicht vorweg, wir
können aber die Menge der Fehlerquellen verringern. „Kunst" ist zugleich
Mehr und Weniger als ein „Können" im Sinne einer „befreiend-verbindlichen
Darstellung der Christus-Gestalt" (392). Kunst, als Praxisqualität in
der Krisissituation gesehen, vollzieht sich in der Selektion und Kombination
von Konditionen des Möglichen, nicht in der Konstitution der tatsächlichen
Verheißung.

5. Trotz dieser Einwände, die teils semiotischer, teils theologischer
Natur sind, ist das vorliegende - gut lesbare, materiali-
ter hochinformative und ideell wirklich weiterführende - Buch
ein unbezweifelbar neuer und bemerkenswerter Beitrag für die
Grundlegung einer nachidealistischen Theologie überhaupt,
nicht nur einer Ökumensich relevanten Liturgik.

Mainz Rainer Volp

Müller, Gerhard Ludwig: Laßt uns mit ihm gehen. Eucharistiefeier
als Weggemeinschaft. Freiburg-Basel-Wien: Herder
1990. 222 S. 80. geb. DM 29,80. ISBN 3-451-21827-5.

Der Münchner katholische Dogmatiker legt auf Exerzitien
konzipierte Betrachtungen zur Messe vor, die in schlichter
Sprache erstaunlichen theologischen Tiefgang und geistliche
Ausstrahlung entfalten und so ein schönes Beispiel des Praxisbezugs
aller Dogmatik geben. Die Eucharistiefeier wird „als
Weggemeinschaft mit dem Gottes Reich verkündigenden, leidenden
, gekreuzigten, auferstandenen menschgewordenen Sohn
Gottes oder, so könnte man auch sagen, als sakramentale Gestalt
der Nachfolge Jesu" ausgelegt (5).

In der Einleitung, nach Umfang und Gewicht eigentlich ein
grundlegendes Kapitel, wird Christus als Mitte der Geschichte
und zugleich gegenwärtiger Herr dargestellt, dem wir in der
Eucharistie mit ihrem „inneren Gehalt in der äußeren Zeichengestalt
" persönlich begegnen. Es folgen an Hand der Bezeichnungen
Messe/Meßopfer, communio/Brotbrechen, Herrenmahl
und Eucharistie zentrale theologische Aussagen, unter denen
die Deutung des Meßopfers als durch Christus gewirkte sakramentale
Vergegenwärtigung des Kreuzesgeschehens die heute
mögliche ökumenische Verständigung zeigt (24f).

Die vier Kapitel der Auslegung des gottesdienstlichen Geschehens
folgen mit Eröffnung, Wortgottesdienst, Mahlfeier
und Entlassung dem gleichen Schema, das die Erneuerte Agende
als „feststehende Grundstruktur" allen variablen Ausformungsvarianten
zugrunde legt. Auch inhaltlich erkennt man
sehr bald die weitgehenden Konvergenzen.

Im ersten Kapitel heißt es: Gottesdienst ist Versammlung der
Gemeinde, in der sich die biblischen Bilder von der Kirche als
Haus Gottes, Leib Christi und Tempel des Geistes realisieren.
Liturgie wird zur Vergegenwärtigung der Selbstmitteilung Gottes
, angesichts derer Erneuerung des Taufbekenntnisses, Eingeständnis
der Schuld, Huldigung und Lobpreis möglich werden.
Eine feinsinnige Deutung erfährt das Tagesgebet: Die Kollekte
ist „Teilnahme am Dialog der dreifaltigen Liebe Gottes" (57).

Das zweite Kapitel ordnet die Lesungen nach Höhepunkt
(Evangelium als Begegnung mit dem verkündigenden Jesus
und Epistel als Begegnung mit dem verkündigten Jesus) und
Hintergrund (Altes Testament), denen dann als Antwort der
Glaube folgt. Die Predigt gewinnt als „Begegnung mit dem in
unsere Gegenwart hineinsprechenden Christus" neue Bedeutung
, wobei das missionarische Element „Für den Glauben
gewinnen" (109) ebenso wie das kontextuelle „Auf die Lebensfragen
beziehen" ins Blickfeld geraten (113).

Im Übergang zum dritten Kapitel, das die Mahlfeier als „Gemeinschaft
mit dem gekreuzigten und auferstandenen Christus"
auslegt (129), sucht der Vf. das „tiefe(s) Mißverständnis" der

Aufteilung der Heilsvermittlung auf Wort und Sakrament zu
überwinden, indem er dem ihm zugrunde liegenden dualistischen
Menschenbild die Einheit von Wort und Zeichen entgegenstellt
und die „Meßfeier als ein in sich zusammenhängendes
Handlungsgefüge der Kommunikation in Worten und Gesten in
dem von Christus gestifteten Mahl-Symbol" begreift (123, 128).

Eine zweite Zwischenüberlegung setzt sich ausführlich mit
dem Opfercharakter des eucharistischen Mahles auseinander
(139-176). Das Kreuzesopfer kann nicht religionsgeschichtlich
begriffen werden: Nicht „der physische Tod Jesu ist das Opfer,
sondern die Treue Jesu zu seiner Sendung, die sich äußerlich in
der Bereitschaft seiner Lebenshingabe ausgedrückt hat... Der
christliche Opferbegriff kann seinen genauen Sinn nur erhalten
auf dem Hintergrund der Gemeinschaft von Vater, Sohn und
heiligem Geist" (139, 144). Da die Eucharistie aber nicht nur
passiven Empfang der Heilsgabe bedeutet, sondern auch Einbeziehung
in die Nachfolge Jesu, vollziehen wir „in ihr die Bewegung
Jesu zum Vater im Zeichen des Kreuzesopfers mit... Wir
bringen das Opfer des Glaubens, des Gehorsams und der
Labenshingabe dar". Ja, der Vater macht „auch die Kirche zur
Opfergabe, indem sie in Christus zum Zeichen der Heilsgegenwart
Gottes in der Welt wird". Das bedeutet kein zusätzliches
Opfer, „es wird vielmehr die schon geschehene Sündenvergebung
gefeiert" (166ff)-

Das Büchlein bietet beste katholische Dogmatik in allgemeinverständlicher
und zugleich meditativer Sprache, die auch
der evangelische Theologe mit Gewinn und Freude über das
Maß an Gemeinsamkeit zur Kenntnis nehmen kann.

Wien Hans-Christoph Schmidt-Lauber

Volp, Rainer: Liturgik. Die Kunst, Gott zu feiern. 1: Einführung
und Geschichte. Gütersloh: Mohn 1992. 682 S. m. 111
Abb., XX S. gr.8o. geb. DM 98,-. ISBN 3-579-00225-2.

Ob eine liturgiewissenschaftliche Arbeit bei ihrem Erscheinen
als „das Standardwerk der Liturgik" bezeichnet werden
kann (so der Klappentext), mag die Geschichte entscheiden,
zumal der zweite - und sicherlich für das Gesamtverständnis
des Werkes konstitutive - Band 2 noch aussteht. Deutlich ist
jedoch: Volp nimmt mit diesem Opus Anlauf zu einer enzyklopädischen
Betrachtung des Gottesdienstes und begibt sich damit
auf ein Terrain, das gespanntester Sichtung bedarf.

Umfassend ist bereits Volps Einführung in die theologisch-
phänomenologischen bzw. erfahrungswissenschaftlichen Zugangsweisen
zum Gottesdienst, wie er sich neuzeitlichem Bewußtsein
im Sinne einer jenseits „theologischer Basissätze"
(26) angesiedelten Hermeneutik, d.h. als „Reden über den Gottesdienst
" (20), darstellt. Gottesdienst erscheint - vom Alten
wie Neuen Testament her - begründet in visionärer Schau (22),
die in ihren konkreten Ausdrucksweisen „so etwas wie Vertrauen
und als Liebe erkennbare Hoffnung in den Blick nimmt"
(23), d.h. als Ausdruck für die Suche nach einer „Heimat",
„einem Ort der Buße und Versöhnung" und „dem eschatologi-
schen Fest" gelten kann (27), wie auch immer dieser Vorgang
im Spektrum der Gottesdiensttheologie definiert wird (32ff).
Eine umfassende Überschau über die „anthropologischen"
(Gottesdienst als „Ritual" und „Ritus") wie die „theologischen
Eingaben" (Gottesdienst als „Fest der frohen Botschaft", als
Sabbat-Gestaltung, als von Mt 18,20 her interpretierte „Kunst
kommunikativer Vergewisserung") folgen (wobei die theologischen
Eingaben wiederum nicht im Sinne einer positionellen
Theologie erscheinen, sondern phänomenologisch-deskriptiv.
d.h. etwa auch von kommunikationswissenschaftlichen Einsichten
her bestimmt sind). Alledem schließt sich eine konzentrierte