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Ausgabe:

1993

Spalte:

756

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Coogan, Robert

Titel/Untertitel:

Erasmus, Lee and the correction of the Vulgate 1993

Rezensent:

Augustijn, Cornelis

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Seite 1

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755

Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 9

756

gie in der frühen Kirche und der Schilderung des trinitarischen
Streites gewidmet. Verglichen mit dem ersten Band wird in II/1
der christologische Streit ausführlicher geschildert. Der Vf. geht
nacheinander auf den Fortschritt vom trinitarischen zum chri-
stologischen Problem, auf die beiden großen christologischen
Schulen der Antiochener und der Alexandriner, auf die Ausbildung
der christologichen Dogmas in der Zeit von 428 bis 451,
auf die neuchalcedonische Theologie und besonders auf das
fünfte ökumenische Konzil von 553 ein. Am Schluß des Bandes
finden sich Register der Autoren, der Sachen und der christologischen
Begriffe.

Der Vf. erörtert, bedingt teilweise durch die Forschungslage,
in diesem Band erheblich ausführlicher die Forschungs- und
Deutungsgeschichte als im ersten Band und vermittelt dem
Leser an nicht wenigen Stellen einen guten Einblick in den
komplizierten Forschungsstand. Hier fragt sich allerdings, ob
nicht zuweilen einem Examenskandidaten zu viel zugemutet
wird, während der Fachmann angesichts des begrenzten Raumes
doch lieber zu der größeren Darstellung von Grillmeier
greift, welche die Entwicklung erheblich umfangreicher und
differenzierter würdigen kann. Verglichen mit dem ersten Band
hätte insbesondere die Zeit von ca. 420 bis 451 (23-134) wohl
weniger Raum beanspruchen dürfen. Nicht ganz glücklich erscheint
an manchen Stellen auch die Verquickung von Quellen-
und Stoffdarbietung mit Forschungs- und Problemübersicht.
Um ein Beispiel zu nennen: Was den wichtigen Lehrbrief Leos
I. von 449 betrifft, der ja in die Beschlüsse des Konzils zu Chal-
cedon 451 mit aufgenommen worden ist, so wäre es wohl ratsam
gewesen, zunächst in großen Zügen den Inhalt und dann
die Fragen der Deutung und Wertung zu bieten; statt dessen
wird der Inhalt gleichsam nur zerpflückt dargeboten (86-100).
Ähnliches ließe sich für andere Stoffschwerpunkte sagen.

Gewisse Probleme bieten auch manche Eigentümlichkeiten
des Stils und des Ausdrucks. Es mag noch hingehen, wenn der
Vf. statt von „durchgehenden" stets von „durchfahrenden" Motiven
u.ä. spricht (etwa VII; 79; 113; 184), oder wenn der Vf.
von „Diffikultäten" (63), „restierenden Inhalten" (95) oder teils
von „Humilität" teils von „Demut" (bes. 92- 100) spricht. Es
finden sich jedoch auch an nicht wenigen Stellen geradezu
unverständliche Ausdrucksweisen. Dafür seien einige Beispiele
genannt: „Eschatologizität" (19). „Die moderne Hochspeziali-
stik (seil, ist) ...zur patristischen Hypothetik geradezu verurteilt
" (43). Der Begriff „Christusverhalt" (103) ist unverständlich
. Was ist ein „Zündungsinital" (130)? „Der eschatologische
Einsturz von Gottes Gericht und Gnade..." (133). Müssen solche
Fremdwörter wie „inextrikabel" (142) verwendet werden?
Was meint der Vf. mit „Glaubens- und Lebensverhalt" (169)?
Die Liste solcher Eigentümlichkeiten könnte erheblich verlängert
werden.

Besonders problematisch ist es, wenn Fachbegriffe, die seit
langem üblich sind, entweder vermieden oder durch andere
ersetzt werden. Der Vf. vermeidet es anscheinend durchgehend,
für Antiochener und Alexandriner die seit Jahrzehnten übliche
Kennzeichnung durch „Wort-Mensch"- oder „Wort-Fleisch-
Christologie" zu verwenden, die doch wohl die Unterschiede
der beiden Schulen klar zum Ausdruck bringt. Warum jedoch
etwa für Kyrill von Alexandrien der unschöne Begriff „Gottna-
turigkeit" (67) verwendet wird, bleibt unerfindlich. Gerade bei
der Komplexität der Materie hätte man sich ein Höchstmaß an
begrifflicher Präzision gewünscht.

Manche Fehler bei griechischen Wörtern und Akzenten müssen korrigiert
werden. Ferner sei vermerkt: Leo I. starb 461, nicht 460 (137). Auf S. 138
muß die Zahl „435" in „453" korrigiert werden, auf S. 187 „448" in „648".
Warum wird für die zahlreichen Abkürzungen nicht das Abkürzungsverzeichnis
von S. Schwertner, das sich längst durchgesetzt hat, zugrundegelegt?

Hamburg Bernhard Lohse

Coogan, Robert: Erasmus, Lee and the Correction of the
Vulgate: The Shaking of the Foundations. Genf: Droz 1992.
125 S. gr.8° = Travaux d'Humanisme et Renaissance, 261.

Gegenstand dieser Untersuchung ist der bittere Streit zwischen
Erasmus und seinem englischen Opponenten Edward
Lee, besonders über die erste Edition von Erasmus' Annotatio-
nes zum Neuen Testament. Der Autor behandelt den historischen
Verlauf der Fehde ebensowenig wie die zwischen den
beiden Theologen gewechselten Streitschriften. Er ist an der
dieser Auseinandersetzung zugrundeliegenden Gedankenwelt
des Erasmus interessiert und an der Nachwirkung seiner Exegese
bei den Wortführern der radikalen Reformation. Demgemäß
konzentriert er sich auf Lees Anschuldigungen des Pelagianis-
mus und Arianismus.

Die These des Autors ist klar und einfach: Erasmus hat durch
seine Kritik an der Vulgata die Grundfesten der Kirche und der
Theologie erschüttert. Lee hat als erster diese Gefahr gespürt
und die Weise, wie die nächste Generation die Annotationes des
Erasmus benutzte, zeigte, daß Lee recht hatte.

Um diese These zu unterbauen, weist der Autor darauf hin,
daß Erasmus sich nicht nur an die Theologen sondern auch an
ein gebildetes Laienpublikum wandte. Er bedachte nicht genügend
, daß es auch eine für die Eingeweihten, d.h. die Theologen
bestimmte diseiplina arcana gebe. Dazu gehörten z.B. die Thesen
, Paulus sei vielleicht nicht der Autor des Hebräerbriefes,
der Text des Vater Unsers sei verbesserungsfähig und die Wertschätzung
der Scholastiker unangebracht. Erasmus verbreitete
somit Erkenntnisse, die über die Kompetenz eines guten Teiles
seiner Leser hinausgingen. C. meint das nicht nur als Wiedergabe
der Kritik Lees an Erasmus oder als Analyse einer historischen
Begebenheit, sondern auch als ein Werturteil. Obwohl er
sich nicht auf Lee, sondern auf Erasmus konzentriert, bemüht er
sich nicht um eine Erörterung von dessen eigener Gedankenwelt
und Idealen, wie diese sich in den Annotationes zeigen.

Die Studie fordert mancherlei Kritik heraus. Sie gibt kein
deutliches Bild der Stellungnahme Lees, obwohl der Autor ihm
verständnisvoll, Erasmus dagegen verständnislos gegenübersteht
. Er benutzt nicht immer die neuere Literatur, gebraucht
eine schlechte Menno-Übersetzung, kennt offensichtlich die
genauen Erasmus-Entlehnungen des Servetus nicht, die Carlos
Gilly geboten hat, ist öfters nicht sehr logisch in seinen Auseinandersetzungen
, usw. Leider läßt sich über dieses Buch wenig
Positives sagen.

Amsterdam Cornelis Augustijn

Meyer, Matthias: Feuerbach und Zinzendorf. Lutherus redi-
vivus und die Selbstauflösung der Religionskritik. Hildes-
heim-Zürich-New York: Olms 1992. XX, 242 S. 8° = Theologische
Texte und Studien, 1. Kart. DM 49,80. ISBN 3- 487-
09599-8.

Schon 1982 hatte der Vf. dieser Tübinger Dissertation von
1991 mit einem Beitrag zur Erich-Beyreuther-Festschrift einige
wichtige Hinweise gegeben. Nach einem ganzen Jahrzehnt nun
liegt das Opus abgerundet vor. Es waren nicht nur die Pfarrers-
pflichten, die so viel Zeit und Geduld verlangten. Das Thema
selber verlangte Entdeckerbeharrlichkeit und Erkundungsgespür
und wohl kaum noch zu zählende Stunden vergleichenden
Lesens. Die Niederschrift - Meyer beweist in ihr Gedankenschärfe
, Formulierungsgabe und das Charisma der Verständlichkeit
- kann nur noch ein Finale gewesen sein. Der Vf. gibt
seinen auf 170 Seiten komprimierten Ausführungen einen perfekten
wissenschaftlichen Apparat bei. Er hat sich der Mühe