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Ausgabe:

1993

Spalte:

729-730

Kategorie:

Religionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Begegnung der Religionen 1993

Rezensent:

Tworuschka, Udo

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729

Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 9

730

kann zeigen, wie vor allem die indischen Theologen Devanan-
dan, M. M. Thomas und S. J. Samartha die Debatte vorangebracht
haben, wenngleich der evangelikale Flügel immer wieder
zu Umkehr und missionarischem Einsatz aufrief.

Der dritte Teil nimmt neuere Entwicklungen, vor allem die
Debatte um die pluralistische Religionstheologie (J. Hick, P.
Knitter, W. C. Smith u.a.) in den Blick, ohne daß die theologischen
Probleme im Detail diskutiert würden. In der Beurteilung
einzelner Autoren oder theologischer Entwicklungen wird man
A. widersprechen müssen - so z.B. wenn er mit J. Miguez-Boni-
no behauptet, es habe bisher keine ernsthaften Versuche gegeben
, die Christologie selbst aus einem dynamischen Verständnis
der Trinitätslehre zu entfalten und somit eine „Theologie in
Beziehung" zu entwerfen" (212). Deutsche und französische
Autoren kommen leider überhaupt nicht zu Wort. Dennoch bietet
das Buch einen guten Überblick über die in Genf zusammenlaufenden
religionstheologischen Bemühungen der letzten Jahrzehnte
. Der Vf. plädiert abschließend dafür, die Diskussion wieder
aufzunehmen, wo sie begann: bei den Positionsbestimmungen
von Edinburgh 1910, in denen bereits eine „neue Dringlichkeit
" des Problems der religiösen Pluralität festgestellt wird, die
eine Wende in der Theologie bewirken könne/müsse, die nur
dem Eintritt des christlichen Glaubens in die griechisch-römische
Welt vergleichbar sei. (216)

München Michael von Brück

Waidenfels, Hans: Begegnung der Religionen. Theologische
Versuche I. Bonn: Borengässer 1990. XI, 377 S., 1 Taf. 8° =
Begegnung, 1. Pp. DM 43,80.

Der Bonner katholische Professor für Fundamentaltheologie
setzt mit dem vorliegenden Band den Auftakt zu einer neuen
vielversprechenden Dialog-Reihe. Den ersten Band sieht er als
„eine Art Zwischenbericht und Quersumme dessen, was ich in
den letzten Jahren in Richtung auf eine Theologie der Religionen
vertreten habe" (7). Alle Beiträge wurden bereits publiziert
und sind vom Autor für diese Publikation in unterschiedlicher
Weise bearbeitet worden.

Der Band ist in drei große thematische Blöcke gegliedert:
„Unterwegs zur Theologie der Religionen" (11-101), „Einzelfragen
im Bereich der Religionen" (102-266), „Zum christlichen
Selbstverständnis" (267-351). Ein Prolog („Wenn die Wurzel
heilig ist, sind es auch die Zweige" 1-10) und ein Epilog („Die
Verantwortung der Religionen für den Frieden der Welt" (352-
359) runden den Band ab.

W. sieht in der „Theologie der Religionen" „eine der wichtigsten
Aufgaben der zeitgenössischen christlichen Theologie" (6).
Diese stellt nicht nur einen neuen Zweig am „großen Baum der
theologischen Fächer und Fragebereiche" dar, sondern betrifft
die Theologie als ganze - eine Erkenntnis, die sich nicht zuletzt
im evangelischen Raum noch weiter herumsprechen sollte.

Im ersten Teil finden sich grundlegende Überlegungen zu
Dialog und Mission. Der Beitrag „Christentum und Weltreligionen
in katholischer Sicht" (28-52) zeichnet die katholischen Positionen
vom Anfang unseres Jahrhunderts (so Romano Guardini
) bis zum 2. Vatikanischen Konzil nach. In dem Beitrag „Die
Diskussion um die ,anonymen Christen' als Beitrag zur Religionstheologie
" (53-74) stellt Waldenfels die im katholischen
Raum einflußreiche Position Karl Rahners vor. Im 4. Kapitel
„Theologie der nichtchristlichen Religionen" zieht der Bonner
Theologe die Konsequenzen aus ,Nostra Aetate' (75-91). Kapitel
5 „Theologie und Religionswissenschaft" enthält nicht in
erster Linie wissenschaftstheoretische Überlegungen, sondern
plädiert mit Nachdruck „für ein konzertiertes Studium der Religionen
an unseren Universitäten" (99).

Die Beiträge des zweiten Teiles befassen sich am Beispiel von
Hinduismus, Buddhismus, Islam sowie den wichtigsten „neureligiösen
Bewegungen" mit „Einzelfragen". Sie geben einen elementaren
Einblick in die „Lebensmitte" (Gustav Mensching) der
genannten Religionen, wobei neuere Entwicklungen, Erkenntnisse
und Daten im Bereich der „neureligiösen Bewegungen" bei der
Überarbeitung des einschlägigen Artikels noch hätten berücksichtigt
werden müssen. Die religionsgeschichtlichen Stärken des
Autors liegen eindeutig in der kenntnisreichen und tiefschürfenden
Darstellung des Buddhismus. Kritische Anmerkungen ergeben
sich allerdings beim Islam. So ist im islamischen Glaubenszeugnis
nicht von „Prophet" (nabi), sondern von „rasul" (Gesandter
) die Rede. Islam ist nicht als „völlige Unterwerfung unter den
Willen Gottes" zu definieren (217), da der Wille nur einer von
vielen Attributen Gottes ist. Weder führende Orientalisten noch
Muslime selbst ziehen im allgemeinen den „Willen" zur Definition
von Islam heran.

Beliebt ist diese „Willenstheologie" insbesondere bei deutschen Schulbuchautoren
. Das Wesen des Islam wird am besten durch den Hinweis auf
Gottes „rahma/Barmherzigkeit" auf den Begriff gebracht (vgl. A. Falaturi).
Noch in anderen Zusammenhängen wird deutlich, daß Waldenfels ein eher
negatives Islambild hat. Wenn der Autor von den diversen „Versuchungen"
der Religionen für Christen spricht, so liegt die des Islam nicht etwa in seinem
Toleranzangebot oder in dem klaren monotheistischen Gottesbild, nicht in seiner
egalitären Soziallehre usw., sondern - unter Berufung auf K. Goldammers
Fanatismus-Artikel in RGG, 2. Aufl. - im Ekstatisch-Fanatischen (275). Die
„blinde Glaubenswut" und der daraus resultierende „Glaubenszwang" (so
Goldammer), der Islam, Zeugen Jehovas, Mormonen u.a. verbinden soll, wird
in der auf Rudolf Otto zurückgehenden Deutungstradition (Das Heilige, Kap.
13,2b) letztlich auf das Wesen Allahs zurückgeführt(„Das Numinose in Allah
wiegt schlechterdings über"), das nicht genügend rationale Momente aufweise
. Übersehen wird dabei die für den Koran grundlegende Überzeugung, daß
Gott der „barmherzige Erbarmer" ist, der „sich zur Barmherzigkeit verpflichtet
" hat. Die Rede vom islamischen Fanatismus gehört - zusammen mit dem
fälschlich sogenannten „heiligen Krieg" usw. - in eine immer noch nicht
genügend aufgearbeitete Vorurteilsgeschichte.

Grundlegende theologische Probleme, die sich bei der Begegnung
mit den Religionen aus dem Absolutheitsanspruch des
Christentums ergeben, diskutiert Waldenfels in den letzten fünf
Beiträgen des Sammelbandes. Ein Abkürzungsverzeichnis, ein
Personen- und Sachregister sowie Quellennachweise runden den
sorgsam edierten perspektivenreichen Sammelband ab.

Bad Münstereifel Udo Tworuschka

Abddullah, Muhammad Salim: Was will der Islam in Deutschland?
Gütersloh: Mohn 1993. 127 S. 8° = Güthersloher Taschenbücher, 797. Kart.
DM 16,80. ISBN 3-579-00797-1.

Baudler, Georg: Opfern und Bestatten. Zur Frage nach der religiösen Ur-
szene (ZKTh 115, 1993, 1-12).

Gins, Kurt: Experimentell-meditative Versenkung in Anologie zur klassisch
christlichen Mystik. Religionspsychologische Untersuchung auf introspektiver
Grundlage. Frankfurt/M.-Berlin-Bern-New York-Paris-Wien:
Lang 1992. 287 S. 8° = Kontexte, 11. Kart. DM 79,- ISBN 3-631-44336-6.

Gruendler, Beatrice: The Developement of the Arabic Scripts. From the
Nabatean Era to the First Islamic Century According to Dated Texts. Atlanta
: Scholars Press 1993. IX, 171 S. 4° = Harvard Semitic Studies, 43. Lw. $
54,95. ISBN 1-55540-710-2.

Hinson, E. Glenn: Chistlicher Fundamentalismus (ÖR 41, 1992,449-463).

Levinson, Pnina Nave |Hg.]: Esther erhebt ihre Stimme. Jüdische Frauen
beten. Ausgewählt Ubers, u. hg. Gütersloh: Mohn 1993. 192 S. 8° = GTB,
538. Kart. DM 24,80. ISBN 3-579-00338-3.

Mertens, Klaus: Fundamentalismus und Religion (StZ 118, 1993, 53-64).

Morgenstern, Matthias: Ins Gefolg einer Mehrheit. Aschkenasische und
sephardische Israelis streiten um ihre Grundsätze (LM 32, 1992, 8-10).

Nayak, Anand: Die Herausforderung des christlichen Glaubens durch östliche
Religionen und New Age (IKZ 82, 1992, 10-25).

Planer-Friedrich, Götz: Wirtschaftliche Prosperität als Religionsersatz
im säkularisierten Europa (ÖR 41, 1992, 305-314).

Schlegelberger, Bruno: Unsere Erde lebt. Zum Verhältnis von Altandiner
Religion und Christentum in den Hochanden Perus. Mit einem Beitrag von
P. T. Hansen. Immensee: Neue Zeitschrift für Missionswissenschaft 1992.
366 S. gr. 8° = Neue Zeitschrift für Missionswissenschaft. Supplemente 41.
Kart. sFr. 46,-. ISBN 3-85824-073-7.