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Ausgabe:

1993

Spalte:

718-719

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Küng, Hans

Titel/Untertitel:

Projekt Weltethos 1993

Rezensent:

Schöpsdau, Walter

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 9

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der Wahrheit hinzuführen, die Jesus durch sein Leben ausdrückt.
Weil „die Wahrheit in dem Sinne, in welchem Christus die
Wahrheit ist, nicht eine Summe von Lehrsätzen ist., ...sondern
ein Leben,"68 darum sucht Drewermann mit Hilfe der Tiefenpsychologie
zu einem Verständnis der Bibel zu gelangen, bei
dem es zu einer Aneignung ihrer jeweiligen Botschaft im eigenen
Leben kommt. Wo es gelingt, in der Begegnung mit Worten
der Schrift „die eigene Seele wiederzufinden,"69 hat die tiefenpsychologische
Auslegung ihr Ziel erreicht und dient der Verkündigung
des Wortes Gottes.

Kierkegaard, Einübung im Christentum, 264. Mit Bezug auf Kierkegaard
urteilt Drewermann: „Die Beziehung des Christen zu seinem Erlöser,
zu Jesus von Nazareth, ist eine personale, keine intellektuelle Beziehung"
(Erlösung von der Angst, aaO., 222).

69 Drewermann, Das Markusevangelium, Bd. I, 112.

Allgemeines, Festschriften

Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde. Bd. 1

Hg. von H. Burkhardt u. U. Swarat mit O. Betz, M. Herbert,
G. Ruhbach, Th. Sorg. Wuppertal-Zürich: Brockhaus 1992.
XII, 660 S. m. zahlr. Abb. 40. Lw. DM 98,-. ISBN 3-417-
24641-5.

Dieses neue Lexikon mit der Abkürzung ELThG „will eine
Stimme des deutschsprachigen Protestantismus sein, und zwar
desjenigen Teils des Protestantismus, der vom Pietismus und
der Erweckungsbewegung geprägt ist und sich für Impulse aus
der weltweiten evangelikalen Bewegung offenhält" (IV). Die
Hgg. und die meisten Autoren des auf drei stattliche Bände mit
ca. 2800 Artikeln veranschlagten Werkes leben in den alten
Bundesländern. Nicht alle sind der evangelikalen Richtung
zuzuordnen. Otto Betz ist für Biblische Geschichte und Theologie
verantwortlich, Gerhard Ruhbach für Kirchen- und ältere
Theologiegeschichte sowie Konfessions- und Sektenkunde, Michael
Herbst und Theo Sorg für Praktische Theologie, während
die Haupthgg. Systematische Theologie, Philosophie, Religi-
ons- und Missionswissenschaften betreuen. Die Hgg., besonders
G. Ruhbach, verfaßten selber zahlreiche Artikel. Das Lexikon
informiert wissenschaftlich seriös und zugleich in allgemeinverständlicher
Form.

Die evangelikale Position beeinflußt die Auswahl der Stichworte
und in maßvoller Weise die inhaltliche Ausführung. Dadurch
erhält das Lexikon ein interessantes Profil. Der Anteil
biographischer Stichworte ist hoch, und natürlich findet man
neben den allgemein für die Kirchengeschichte wichtigen Namen
solche, die speziell für die evangelikale Bewegung wichtig
wurden, über sie hinaus aber weniger bekannt sind, z.B. Fritz
Berger, Klaus Bockmühl, Christian Dietrich. Meist ist den biographischen
Artikeln ein Porträt beigefügt. Wenn dem Stichwort
„Entrückung" doppelt so viel Raum gegeben wird wie
„Brot für die Welt", kann man es damit begründen, daß es leichter
ist, sich in anderen Werken über „Brot für die Welt" zu informieren
als über die Entrückung, die außerhalb evangelikaler
Frömmigkeit kaum Erwähnung findet.

Das Bemühen um sachliche Information zeigt sich in weitgehendem
Verzicht auf Polemik. Im Art. „Bibel", dem umfänglichsten
des Bandes, wird die in der Bibel bezeugte göttliche
Wahrheit als eine geschichtlich sich offenbarende und vermittelnde
verstanden. Die Geschichtlichkeit der Inspiration führt zu
„Unscharfen", die allerdings nur Ränder der Wahrheitsfrage
tangieren. Das Postulat absoluter Irrtumslosigkeit „ist nicht von
den bibl. Gegebenheiten bestimmt, sondern von aus einem idealistischen
Gottesbild abgeleiteten Wunschvorstellungen". Wie
mißverständlich der Begriff „Bibelkritik" nach wie vor ist, zeigt
die Bemerkung des Hg.s Burkhardt, Bibelkritik setze die Haltung
voraus, „daß die Bibel nicht als ein schlechthin besonderes,
sondern nur als ein Buch wie jedes andere anzusehen und zu
behandeln ist". Wenn als Aufgabe der Exegese „die möglichst
genaue Erfassung der eigenen Aussageintention des Bibelworts

aufgrund seiner uns vorliegenden überlieferten Gestalt" angegeben
wird (259), so müßte das mit den Absichten der historischkritischen
Exegese übereinstimmen.

Als Beispiele für heiße Eisen, die im Lexikon angepackt werden
, seien Evolution und Abtreibung genannt. Beim Thema Evolution
wird ausgewogen argumentiert. Eine evolutionäre Entwicklung
kann als gesichert gelten, aber der Mensch „muß als ein
Lebewesen völlig neuer Qualität betrachtet werden". Daß der
Kreationismus in einem evangelikal beeinflußten Standardwerk
indirekt abgelehnt wird, läßt auf eine Dialogfähigkeit hoffen, die
pietistischen Stimmen mehr Gehör verschaffen könnte. Beim
Abtreibungsthema wird dagegen rigoros ge- und verurteilt. Abtreibung
wird nicht nur „objektiv als Mord" eingestuft, sondern
auch behauptet, ihre eingeschränkte oder völlige Freigabe führe
„erfahrungsgemäß zu einer Vervielfachung der Abtreibungszahlen
und zur Pervertierung von Staat, Gesellschaft und Arzttum"
(16). Hier wird nicht informiert, sondern agitiert, denn das Behauptete
wird nicht bewiesen. Die ethische Streitfrage ist unter
Christen nicht, ob ungeborenes Leben zu schützen ist, sondern
wie das am wirksamsten geschehen kann, und es ist keineswegs
bewiesen, daß das Strafrecht dazu wesentlich beiträgt.

Das neue Lexikon ergänzt durch sein theologisches Profil die
vergleichbaren Werke, und es verdient Beachtung über die
evangelikale Einflußsphäre hinaus. Fachleute und Laien werden
es mit Gewinn nutzen, zumal es auch leserfreundlich gestaltet
ist. Druckfehler können nicht ausbleiben, aber der zweite Band
wird im Titelblatt hoffentlich den Hg. Michael Herbst nicht
mehr Herbert nennen.

Gutenberg bei Halle/S. Eberhard Winkler

[KUng, Hans:] Hans Küngs „Projekt Weltethos". Beiträge aus
Philosophie und Theologie. Zum 65. Geburtstag von Hans
Küng. Hg. von B. Jaspert. Hofgeismar: Evangelische Akademie
1993. 118 S. 80 = Hofgeismarer Protokolle, 299. Kart.
DM 15,-. ISBN 3-89281-206-3.

In dieser Dokumentation von vier Beiträgen eines Forums
„Projekt Weltethos", das 1992 in der Ev. Akademie Hofgeismar
stattgefunden hat, ist Küngs Eröffnungsreferat „Weltfrieden
durch Religionsfrieden" der blasseste Beitrag. Ohne den unmittelbaren
dialogischen Bezug auf eine konkrete Religion, wie er
seine Tübinger Dialogvorlesungen („Christentum und Weltreligionen
") auszeichnet, verbleiben seine Ausführungen im Rahmen
allgemeiner programmatischer Überlegungen zu einem
globalen Ethos, das die Religionen „mit ganz anderer Autorität
als jede Philosophie begründen" könnte (23). In einer von ihm
verfaßten Präambel zu einer „Erklärung für ein Weltethos" definiert
Küng: „Mit Weltethos meinen wir keine einheitliche Weltreligion
jenseits aller bestehenden Religionen, erst recht nicht
die Herrschaft einer Religion über alle anderen. Mit Weltethos
meinen wir einen Grundkonsens bezüglich verbindender Werte,
unbedingter Maßstäbe und persönlicher Grundhaltungen. Ohne
einen solchen Grundkonsens im Ethos droht jeder Gemeinschaft
früher oder später das Chaos oder eine Diktatur" (28).