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Ausgabe:

1993

Spalte:

48-49

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Titel/Untertitel:

Die Moderne 1993

Rezensent:

Nowak, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 1

4S

Franckes Gemeinde Glaucha gehalten worden und nur in studentischen
Nachschriften überliefert. Anders als Spener, der seine
Predigten wörtlich konzipierte und seine eigenen Predigtmanuskripte
zum Druck gab, hat Francke frei gepredigt - auch seine
gedruckten Predigtbände beruhen auf studentischen Nachschriften
, die er selbst durchgesehen und von Auflage zu Auflage korrigiert
hat. Natürlich erhoffte man sich eine Edition dieser frühen
, bisher ungedruckten Katechismuspredigten, die einen einzigartigen
Einblick in Franckes religiös-theologische und sozialethische
Gedankenwelt am Beginn seiner Hallenser Wirksamkeit
geben könnten. Diese Hoffnung wird leider enttäuscht.

Angesichts der immensen Zahl überlieferter Franckepredigten
- der von Peschke 1972 herausgegebene Katalog der handschriftlich
und gedruckt in Halle a. S. vorliegenden Franckepredigten
zählt 1692 Stück, dazu kommen zahlreiche Ansprachen -
muß man sich damit begnügen, daß nur ein Bruchteil ediert werden
kann. Vier der im vorliegenden Band dargestellten Katechismuspredigten
sind allerdings von Peschke bereits an anderer
Stelle ediert worden (in: Predigten II, TGP II 10, 558- 613).

Statt einer Edition erhält man also eine ausführliche Inhaltsangabe
dieser Predigten - mit breit eingestreuten Quellenzitaten
, so daß die Darstellung teilweise den Charakter einer Dokumentation
hat. Dabei gleicht der vorliegende Band in der äußeren
Anlage den von Peschke besorgten Texteditionen der Predigten
in der Reihe TGP (Texte zur Geschichte des Pietismus).
Auf Vorwort und Abkürzungsverzeichnis folgt eine Einleitung,
dann das eigentliche Corpus der in diesem Fall 39 einzelnen,
jeweils mit Titel, Datum, Predigttext und Fundort angegebenen
Predigten, schließlich folgen Bibelstellenverzeichnis, Namensverzeichnis
und Sachregister.

Peschke hat schon früher einmal diese Predigten eingehend
dargestellt (E. Peschke, Die frühen Katechismuspredigten
August Hermann Franckes 1693-1695, ThLZ 114, 1989, 561-
578). Der vorliegende Band lehnt sich eng an den Aufsatz von
1989 an. Es wird betont, daß Francke von seiner frühen Hallenser
Tätigkeit an die Glaubenslehre der lutherischen Kirche niemals
in Frage gestellt habe. Sein Anliegen bestehe darin, „die
Menschen zur persönlichen Aneignung der Glaubensartikel zu
bringen". Franckes Drängen „auf persönliche Erfahrung" äußere
sich einmal in der Warnung vor einem bloß historischen
Glauben, einem Wahnglauben, dann im Drängen auf eine „persönliche
Bekehrung, die als zeitlich fixierbares, reales und konkretes
Geschehen jede Illusion ausschließt" (211). Wieweit
Francke in den Predigten wirklich auf eine zeitlich fixierbare
Bekehrung drängt, ist mir freilich nicht einsichtig geworden.
Im Unterschied zu seinem früheren Aufsatz nimmt Peschke
den Vergleich mit Speners Katechismuspredigten nicht wieder
auf, geht andererseits aber weiter, indem er am Schluß deutlich
Martin Schmidt widerspricht, daß bei Francke die Wiedergeburt
eine zentrale Bedeutung habe. „Dominierend ist bei ihm
vielmehr der Gedanke einer Bekehrung, die zu einem ethisch
hochwertigen Leben in der Heiligung führt" (216). Es stehe
dahin, ob es richtig ist, die Eigenart der Franckeschen Katechismuspredigt
gegenüber derjenigen der lutherischen Orthodoxie
dahingehend zu bestimmen, daß Franckes Predigten
„durch ihre existentialtheologische zentral anthropologischpraktische
Ausrichtung" sich von denen der orthodoxen Lutheraner
unterscheiden, die im Katechismusunterricht „durch
weitausholende dogmatische Betrachtungen und durch polemische
Abgrenzung von Häresien die reine Lehre der lutherischen
Kirche zu vermitteln suchen" (214). Hier wirkt vielleicht ein
heute überholtes Bild der lutherischen Orthodoxie weiter. Die
Katechismuspredigten Johann Conrad Dannhauers („Katechismus
-Milch") entsprechen jedenfalls diesem Bild orthodoxer
Katechetik nicht. Als ein Mittel der Erschließung der Predigttätigkeit
Franckes hat der vorliegende Band einen hohen Wert.

Ob man diese Mischform zwischen Edition und Untersuchung
für zukunftsträchtig halten sollte, ist eine andere Frage. Hier
hat der Rez. seine deutlichen Bedenken.

Bochum Johannes Wallmann

Schnabel, Wolfgang: Grundwissen zur Theologie- und Kirchengeschichte
. Eine Quellenkunde. 5: Die Moderne. Gütersloh
: Mohn 1992. 195 S. 4°. Kart. DM 45,-. ISBN 3-579-
00147-7.

Anlage und Zielstellung der Schnabelsehen „Quellenkunde"
sind in dieser Zeitschrift bei der Vorstellung von Bd. 4: Die Neuzeit
. Gütersloh 1990 bereits erörtert worden, so daß das dort
Gesagte nicht wiederholt werden muß (vgl. ThLZ 117, 1992,
280f). Vorgestellt werden im fünften und abschließenden Band
der „Quellenkunde" folgende Werke: Rudolf Otto: Das Heilige
(1917); Karl Barth: Der Christ in der Gesellschaft (1919); ders.:
Das Wort Gottes als Aufgabe der Theologie (1922); ders. Kirchliche
Dogmatik (1932-1967); ders.: Christengemeinde und Bürgergemeinde
(1946); Dietrich Bonhoeffer: Ethik (1939-1943);
Rudolf Bultmann: Neues Testament und Mythologie (1941); Paul
Tillich: Systematische Theologie (1951-1963); Karl Heim: Der
evangelische Glaube und das Denken der Gegenwart (1953-
1957).

Man sieht, die unter dem Leitbegriff „Moderne" vorgestellten
Schriften sind exklusiv protestantisch, und sie sind allesamt
deutschsprachig. Diesem „Germanozentrismus" hat Schnabel
bereits im Band „Die Neuzeit" gehuldigt. Höchst eigenwillig
ist das Moderne-Verständnis, das Bd. 5 zugrundeliegt. „Der
Zeitabschnitt, in dem im Christentum eine breite ökumenische
Bewegung einsetzt und zugleich die Entkirchlichung der Welt
und die Verweltlichung der Kirche zunimmt, soll in neuer Definition
als ,Die Moderne' bezeichnet werden (10). Nun ist
Schnabel zuzugestehen, daß die Moderne in verschiedenen Disziplinen
der Geistes- und Sozialwissenschaften unterschiedlich
verstanden und auch chronologisch different angesetzt wird.
Andererseits hat sich in der Theologie - und um diese geht es
hier - der Konsens herausgebildet, den Übergang von der Neuzeit
zur Moderne auf die 1890er Jahre zu datieren. Auch über
eine Reihe von Charakteristika der Moderne besteht - u.zw.
quer durch die Disziplinen - ziemliche Übereinstimmung. Warum
Schnabel diesen Konsens ignoriert, vermag man schwerlich
zu erkennen. Als „profan- und kirchengcschichtliche Eckpunkte
" der Moderne gelten ihm „einerseits das Ende der alten
europäischen Staatsordnung nach dem Ersten Weltkrieg..., und
andererseits die Beendigung des Ost-West-Konflikts, verbunden
mit der Wiedervereinigung Deutschlands und der deutschen
Kirchen" (10). Recht irritierend ist auch Schnabels Umgang
mit den „geographischen Dimensionen" der Moderne.
Dem Benutzer des Quellenwerkes wird eine stilisierte Landkarte
„Mitteleuropa um 1920/1935" vorgelegt, in der die „Quellenentstehungsorte
" vermerkt sind. Neben großräumigen Bezeichnungen
wie Niederlande, Belgien, Berlin, Prag, Wien usw. findet
man auch Safenwil und Klein-Krössin. In Klein-Krössin
weilte Bonhoeffer im Scpt./Okt. 1940 und schrieb dort das Kapitel
„Ethik als Gestaltung". Wenn schon Klein-Krössin auf
einer Karte Mitteleuropas im Zeitalter der Moderne Platz hat.
warum nicht auch Kloster Ettal? Folgt man Schnabel, soll Bonhoeffer
1945 übrigens in einem Konzentrationslager mit Namen
„Buckenwalde" (100) gewesen sein. Ein Druckversehen -
und dennoch, man faßt es nur schwer.

Zieht man das Beiwerk ab (Einleitung, Einführung, Register
), umfaßt das Quellenkorpus inklusive der „biographischen,
bibliographischen und inhaltlichen Hinweise" zu den Autoren