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Ausgabe:

1993

Spalte:

680-681

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Rittner, Reinhard [Hg.]

Titel/Untertitel:

Rechtfertigung in: Lehrverurteilungen - kirchentrennend? 1993

Rezensent:

Jacob, Friedrich

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 7/8

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waren nötig für die Gespräche, die die etwa 700 Seiten des
ersten Bandes füllen (wenn man von dem seiner Zeit vorauseilenden
Dokument zwischen den Altkatholiken und den Angli-
kanern vom Jahr 1931 absieht). Um den etwa gleichstarken 2.
Band zu füllen, genügten bereits 8 Jahre.

Die Zahl der Dialogpartner hat sich kaum geändert. Neu hinzugekommen
sind nur die Evangelikaien. War der Zeitabschnitt
, den der erste Band dokumentiert, vor allem von bilateralen
Dialogen mit Rom bestimmt, so zeigt der zweite Band,
daß die bilateralen Gespräche mit Rom sich nur um die Gespräche
mit dem Baptistischen Weltbund und den Evangelikaien
vermehrt haben, während sich die Zahl der bilateralen
Gespräche der nichtkatholischen Kirchen und Gemeinschaften
untereinander verdreifacht hat. Statt 5 Gesprächen ohne die Katholiken
im ersten Band, sind es im zweiten 15.

Das Netz der Gespräche ist bedeutend dichter geworden. Als
die Kommission für Glauben und Kirchenverfassung an den
Konvergenzerklärungen von Lima arbeitete, konnte bei ihr die
Befürchtung aufkommen, die bilateralen Gespräche mit Rom
ließen die multilateralen Gespräche mit Genf zum Erliegen
kommen. Die Entwicklung hat diese Befürchtung widerlegt.
Die bilateralen Gespräche mit und ohne Rom erwiesen sich
nicht als Alternative zu multilateralen Gesprächen, sondern als
ihre Voraussetzung und als Hilfe für sie.

Es mag interessieren, daß die katholische Kirche mit allen
Kirchen und weltweiten Christlichen Gemeinschaften auf Weltebene
offizielle Gespräche führt, nur nicht mit den Altkatholiken
, während die Altkatholiken ihrerseits mit den Anglikanern
und den Orthodoxen im Gespräch sind. Umgekehrt sind die
Anglikaner mit vielen im Gespräch, nur nicht mit den Methodisten
, die sich von ihnen abgespaltet haben. Der Baptistische
Weltbund gehört mit vielen seiner Mitglieder nicht dem Ökumenischen
Rat der Kirchen an, aber führt offizielle Gespräche
mit dem Reformierten Weltbund, dem Lutherischen Weltbund
und der Katholischen Kirche, die ihrereits nicht Mitglied im
Ökumenischen Rat der Kirchen ist. Schließlich führen die
Pfingstler und die Evangelikaien, die ihre Schwierigkeiten mit
dem Ökumenischen Rat der Kirchen haben, mit keiner anderen
Kirche Gespräche außer mit der Römischen. Das weltweite
Netz hat also noch Löcher, aber es reißt nicht und hat sich
inzwischen schon ganz beachtlich vergrößert. Noch ein dritter
Gesichtspunkt macht den Weg der Kirchen, die miteinander im
Gespräch sind, deutlich. Beide Bände haben Sachverzeichnisse.
Wenn man sie miteinander vergleicht, bemerkt man, wie die
Themen sich verbreitert haben. Neue Themen sind hinzugekommen
: Modelle der Einheit, Eschatologie, Firmung/Konfirmation
, Heilung, Kirchenräte, Krankensalbung, Lehrverurteilungen
, Rassismus, nichtchristliche Religionen, Religionsfreiheit
. Andere Themen tauchen nicht mehr auf.

Der Leser mag sich nun vielleicht die Frage stellen, warum
so viel Papier bedrucken lassen, wenn sich im Leben der Kirchen
doch nichts ändert? Das macht uns deutlich, daß Gespräche
auf Weltebene im luftleeren Raum schweben, wenn sie
nicht gestützt werden durch Gespräche auf allen Ebenen bis hin
zu den Gemeinden und Familien. Die Gemeindemitglieder sollten
dann aber auch wissen, daß ihre örtlichen Bemühungen um
die Einheit der Christen nicht isoliert stehen, sondern sich im
weltweiten Kontext befinden. Auch dürfte es uns Europäern gut
tun zu erfahren, daß manche Probleme, die uns hier unlösbar zu
sein scheinen, in anderen Erdteilen viel pragmatischer angepackt
werden.

Das Erstellen von Dialogpapieren ist nicht die einzige öku-
mensiche Aufgabe der Christenheit. Die Dokumente wollen
Hilfen bieten, um alte Vorurteile zwischen den Kirchen und
ihren Mitgliedern abzubauen, sie wollen dadurch ermutigen zu
einem gemeinsamen Zeugnis der Christen, „damit die Welt
glaube" (Joh 17). Sie sind dafür notwendiges und hilfreiches,

aber nicht hinreichendes Werkzeug in der Hand der Theologen,
der Seelsorger und der Kirchenleitungen. Sie sind so gut und so
schlecht, wie das letzte Gemeindeglied sie zu spüren bekommt.
Daruni muß es gehen. Die hier vorgestellte, z.Z. zweibändige
Ausgabe ist dazu unentbehrlich, das Standardwerk im deutschen
Sprachraum.

Dresden Michael Ulrich

Rittner, Reinhard [Hg.]: Rechtfertigung in: Lehrverurteilungen
- kirchentrennend? Ein Votum des Konvents und
Beiträge von M. Petzoldt, F. Beißer, F.-O. Scharbau u. H. G.
Pöhlmann sowie ein Anhang zur Geschichte und zur Schriftenreihe
des Konvents. Hannover: Luth. Verlagshaus 1991.
189 S. 80 = Bekenntnis. Fuldaer Hefte, 31. Kart. DM 19,80.
ISBN 3-7859-0613-7.

Das vorliegende 31. Heft in der Schriftenreihe des Theologischen
Konvents Augsburgischen Bekenntnisses verfolgt ein
Thema, das der Aufgabenstellung dieser seit 1948 bestehenden
Arbeitsgruppe besonders angemessen ist. Es geht um das ökumenische
Dokument „Lehrverurteilungen - kirchenlrennend?",
das zwischen 1981 und 85 vom „Ökumenischen Arbeitskreis
evangelischer und katholischer Theologen" im Auftrag der nach
dem Papstbesuch 1980 eingesetzten „Gemeinsamen Ökumenischen
Kommission" erarbeitet wurde. Dabei hat sich der Konvent
vor allem mit dem Problem der Rechtfertigungslehre
beschäftigt, während das Dokument selbst daneben noch die
Themen Sakramente und Amt behandelt. Zur grundsätzlichen
Bedeutung dieser Aufgabe paßt deshalb gut, daß im Anhang des
Heftes die Satzung des Konvents (er „dient der Arbeit an
gemeinschaftlichen Aufgaben lutherischer Theologie in der
Bindung an das Augsburgische Bekenntnis" (167), ein kurzer
Abriß seiner Geschichte, sowie ein Verzeichnis der bisherigen
Veröffentlichungen abgedruckt wird.

Der gewichtigste Teil der Veröffentlichung ist das an den
Anfang gestellte Votum des Konventes zum Rechtfertigungsabschnitt
des ökumenischen Dokuments. Die Grundtendenz ist
vorsichtige, bedingte Zustimmung. Zugestimmt wird dem Versuch
„das Eigene auch im Fremden wiederzuerkennen" (11),
d.h. die jeweiligen Verwerfungen so zu interpretieren, daß in
ihnen Anliegen erkannt werden, die auch von der jeweils anderen
Kirche bejaht werden können. Die entscheidende Bedingung
ist freilich, daß die im Dokument zugrundeliegende Interpretation
des Tridcntinums von der römisch-katholischen Kirche
offiziell akzeptiert wird. Insofern ist von einem „konditionalen
Konsens" die Rede (II). Am deutlichsten werden die Vff.
beim Insistieren auf die Unterscheidung von Rechtfertigung
und Heiligung im Sinne von Ursache und Wirkung: „Für die
evangelischen Kirchen ist...die Unterscheidung zwischen Gottes
Freispruch und der in uns geschehenen Erneuerung heilsnotwendig
" (16). M. Petzoldt bietet im ersten Aufsatz des Bandes
zunächst eine Inhaltsangabe des zu beurteilenden Dokuments.
Er bewertet positiv, daß hier die Methode der Leuenberger
Konkordie einbezogen wird. Auf die Suche nach einem gemeinsamen
Grundverständnis des Evangeliums folgt die Erörterung
der einzelnen Verwerfungen. Freilich das Ergebnis fällt
weit bescheidener aus als in Leuenberg. Für die Außerkraltsei
zung der Verwerfungen reicht die Basis noch nicht aus. Die
Verwerfungen behalten die „Bedeutung von heilsamen Warnungen
" (33). Fr. Beißer untersucht „Die Rcchtfertigungslehre
des Tridentinums und seine (wohl besser „ihre") Interpretation
". Das Ergebnis lautet: „daß diese Auslegung (wie sie vom
Rechtfertigungsdokument vorgelegt wird) vom Wortlaut (des
Tridentinums) her möglich ist" (48). In seinem zweiten Aulsat/
(„In Buße gelebte Rechtfertigung") geht Fr. Beißer den notwen-