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Ausgabe:

1993

Spalte:

668-669

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Jubiläumstrauungen 1993

Rezensent:

Winkler, Eberhard

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 7/8

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Schmalstieg, Dieter Olaf: Bibel-Träume. Friedenskuss. Zeichen
im Sand. Himmel auf Erden. Predigten zur Symbolsprache
der Bibel. Mit einem Geleitwort von J. Scharfenberg.
Grand-Lancy/Genf: Servet 1991. 109 S. 8°. Kart. sFr 16.-.

In dem noch immer sehr weit gefächerten Spektrum der Predigtliteratur
versucht das Predigtbändchen von Schmalstieg
einen eigenen Akzent zu setzen: Es handelt sich weder um Predigten
zu einem bestimmten biblischen Buch oder einem bestimmten
Perikopenjahrgang, noch sind die Predigten durch ein
einheitliches Thema miteinander verbunden. Gemeinsames
Merkmal der vorgelegten Texte soll eher ein Gestaltungsprinzip
sein, eine bestimmte Machart: Dem Vf. geht es um eine konzeptionelle
Integration der „Symbolsprache der Bibel". Ich halte
diesen Akzent (nicht nur homiletisch) für äußerst relevant; er
könnte auf lange Sicht dazu beitragen, den auf Kanzeln wieder
und wieder inszenierten redundanten Exzeß zugunsten ergänzungsfähiger
Botschaften abzubauen. Auf diesem Hintergrund
schließe ich mich dem Wunsche Joachim Scharfenbergs (Vf.
des Geleitwortes), solche Bibelauslegung möge „viele Leser
und Leserinnen" finden, vorbehaltlos an.

Sofern ich es hier aber mit wirklichen Predigten zu tun habe,
versuche ich zunächst, in die Rolle der Hörer zu schlüpfen, vor
denen diese Predigten gehalten wurden (bzw. in die Rolle derer,
an die diese Texte - als Lesepredigt - erneut gerichtet werden
könnten). Um eine möglichst authentische Situation zu (rekonstruieren
, habe ich mir einige der Predigten vorlesen lassen. So
mögen die nachfolgenden Bemerkungen eher als „Entgegnungen
" sowohl auf homiletisch-reflektierender, kollegialer Ebene
wie auf Hörer-Ebene gelesen, denn als „nackte" Rezension verstanden
werden.

Beim Hören auf die sehr kurze Predigt „Lebendigwerden"
(77-80) kommt ein Verdacht auf, der sich (erst recht beim Lesen
) weiterer Texte vestärkt: Auf etwa drei Seiten werde ich 17
Mal mit dem Ausdruck Zeichen/zeichenhaft bzw. Symbol/
symbolisch konfrontiert, wieder und wieder darauf aufmerksam
gemacht: Achtung, jetzt kommt bzw. das war ein Symbol. Der
„Verdacht" dabei ist, daß der Vf. den Untertitel seines Buches
allzu ernst genommen, also in der Tat „Predigten zur Symbolsprache
der Bibel", statt symbolsprachliche Predigten verfaßt
hat. Die stereotype Kommentierung des Symbolischen als symbolisch
, des Zeichenhaften als zeichenhaft, trägt aber m.E. (und
nach dem Eindruck, den ich als Hörer habe) gerade nicht dazu
bei, die Symbolsprache der Bibel in der Predigt aufleben zu lassen
. Im Gegenteil, es stört (vgl. etwa auch die Predigt „Brot
zum Leben"). Wenn auf nur 95 Predigtseiten 141 Mal expressis
verbis das Symbolische und Zeichenhafte beschworen wird, ist
es - ob das der Vf. gespürt hat? - offenbar auch nötig, weil die
Sprache selbst zu wenig Symbolisches bei sich führt.

Auf einem anderen Blatt steht, daß die Texte Schmalstiegs
eine erfrischende und ermutigende Anregung sind, es mit der
Symbolsprache in der Predigt zu versuchen. Mit fortschreitender
Rezeption habe ich seine Predigten als religions- und sym-
bolkundliche Miniaturen empfunden, als wertvolle (und in der
Literatur zur Predigtvorbereitung - exegetische Kommentare
eingeschlossen - seltene) Schlüssel für Texte und Situationen.
Diesem Textcharakter entspricht denn auch der etwas konkor-
dante Zug der Darlegung: Manchmal scheint es, als würden
bestimmte, für das jeweilige Symbol relevante Fundstellen der
Bibel abgeschritten (vgl. hierzu z.B. die Predigt Wermut, 81-
85). An einigen Stellen scheint die quantitative Verbreiterung
von Textbelegen den für einen tiefergehenden Symbolisie-
rungsprozeß notwendigen Raum all zu stark zu beschneiden.

Als mit der symbolischen Sprache eher konkurrierend als
zusammengehend empfinde ich (solange es um Predigten gehen
soll) den bisweilen elitär-elaborierten Code des Vf.s.
Gehört es in der Homiletik ohnehin zum „guten Ton", sparsam

mit ausgesprochenen Fremdworten umzugehen, sollte man
doch erst recht von Predigten, die die Symbolsprache der Bibel
aufleben lassen wollen, von Predigten, die darum intimer sein
mögen als andere, diesbezüglich eine besondere Keuschheit
erwarten dürfen. Von daher empfinde ich - um nur aus einer
Predigt zu zitieren - Formulierungen wie „anthropophager Beigeschmack
" (26), „kulturspezifisch begrenzt" (29), „Äquivalente
in anderen Kulturen" (ebd.), das „Zeichen ruft nach
Alphabetisierung" (ebd.) usw. als nicht sehr gelungen. Dabei
sehe ich das Problem weniger in den potentiellen Rezipienten
(schließlich - das geht aus dem Kontext der Widmung des
Buches hervor - sind die Predigten offensichtlich in einer
Genfer Gemeinde gehalten worden), sondern eher in der Text-
Struktur selbst: Semantische und syntaktische Einheiten gehören
oftmals ganz unterschiedlichen Strukturen an, so daß kein
Ganzes wachsen kann.

Schwierig wird das Zuhören für mich vor allem dann (oder:
Ich werde ein schwieriger Hörer), wenn ich das Gefühl bekomme
, daß der Prediger die Wirkung (von der er wünscht und
hofft, daß sie sich bei mir einstelle) herbeiredet: „Das Bild
frappiert, es schlägt zu und trifft. Die Bibel berührt uns an
einem unserer empfindlichsten Punkte" (82). Vielleicht erscheint
solche Argumentation als etwas kleinlich, aber da sich
beim Vf. viele solcher Sätze finden, sei sie wenigstens als
Anfrage formuliert: Wenn das Bild wirklich zugeschlagen hat,
wenn die Bibel den Menschen wirklich an einer empfindlichen
Stelle berührt - muß es dann wirklich noch gesagt werden?
Birgt die Symbolsprache nicht die große Chance, solchen
etwas „platt" anmutenden Lösungen zu entkommen? Eignet ihr
nicht die Kraft, die Hörer in „Lösungsperspektiven", ja, in
„Lösungen" zu verwickeln, statt ihnen zu sagen, daß (z.B.) „der
Funke Hoffnung darauf wartet, daß wir ihn entfachen und als
neuen Lebensschwung wahrmachen" (85).

Gern gehört - und noch einmal gelesen - habe ich die Predigt
von „Sämann und Saat" (67-73). Als einzige in dieser Sammlung
kommt sie nicht nur ohne den Zeichen - und Symbol/>e-
griff aus, sie ist auch in materialer Hinsicht sparsamer, bleibt
bei einem Bild, entfaltet es in vier Sequenzen, angereichert mit
symbolträchtigen Metaphern. Es entsteht hier eine dichte, ergänzungsfähige
Struktur, deren symbolischer Modus nicht nur
dazu anregt, sondern auch dazu „anleitet", den gehörten Text
mit „Texten" (Bildern, Situationen, eigenen Lebens-Sequenzen
usw.) zu verbinden, von denen der Prediger nichts sagen kann
(weil ihm die Details der potentiellen Hörersituationen fehlen).

Etwas verwirrend an einem Buch, daß sich dezidiert (und in
entsprechendem theoretischen Horizont) mit der symbolischen
Perspektive befaßt, ist der faktisch korrelate Gebrauch der Begriffe
Symbol/symbolisch und Zeichen/zeichenhaft. In Anbetracht
der Unterscheidungen, die semiotisch. pastoralpsychologisch
und in anderer Hinsicht zwischen Zeichen und Symbol
gelten, sollte man in einem vor diesen Hintergrund gestelltes
Werk größere terminologische Sorgfalt walten lassen.

Greifswald Wilfried Engemann

Milchner, Hans Jürgen [Hg.(: Jubiläumstrauungen. Einander
weiterhin anvertrauen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
1992. 170 S. 80= Dienst am Wort, 58. Kart. DM22,-. ISBN
3-525-59322-8.

Auf eine Einführung in die homiletische und seelsorgerliche
Situation folgen im Hauptteil Gottesdienstentwürfe und Predigten
für Jubiläumstrauungen von der Silbernen bis zur Eisernen
Hochzeit. Normale und außergewöhnliche Situationen werden
berücksichtigt, z.B. eine mit einer Bildbetrachtimg verbundene
Andacht zur Silberhochzeit bei einer Todkranken. Der dritte