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Ausgabe:

1993

Spalte:

658-660

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Spiegel, Yorick

Titel/Untertitel:

Wirtschaftsethik und Wirtschaftspraxis - ein wachsender Widerspruch? 1993

Rezensent:

Bedford-Strohm, Heinrich

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 7/8

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plexität der erkenntnistheoretischen Ebene sollte die Theologie
zur Vorsicht veranlassen, ohne die vorrangige Option für die
Armen zu ermäßigen (126).

Raul Vidales schließlich beschreibt „Die Theologie des Imperiums
". Imperium steht hier für das Prinzip der uneingeschränkten
Gültigkeit des totalen Marktes, wie es von dem Nordamerikaner
M. Novak vertreten wird. Angesichts seiner Theologisie-
rung des totalitären Kapitalismuskonzepts - Konzerne sind
Metaphern für die Gnade, die unternehmerische Nächstenliebe
muß inkarnationstheologisch begründet werden - sind Assoziationen
an George Orwell nur zu verständlich (150, 163, 167).

Es sind Positionen wie die von Novak vertretene, die dazu
führen, daß in Lateinamerika Glaube und Wirtschaft häufig als
einander ausschließende Gegensätze erfahren werden. Die Forderung
, wissenschaftliche ökonomische Analysen in die befreiungstheologische
Reflexion einzubeziehen, erscheint dann
leicht als Ausdruck eines Zynismus, der die Armen dem Gott
des Marktes zu opfern bereit ist.

..Verändert der Glaube die Wirtschaft"? Im Blick auf die
Beiträge dieses Sammelbandes müßte die Frage eigentlich umgekehrt
werden, geht es doch vor allem um Kritik an den wirtschaftlichen
und wirtschaftswissenschaftlichen Konsequenzen
theologischer Traditionen (Opfer, Satisfaktion), d.h. um Implikationen
der Wirtschaft für die Reflexion über den Glauben.
Daß der Glaube die Wirtschaft zum Guten verändert, - davon
konnte wohl (noch?) nicht die Rede sein.

Hannover Hermann Brandt

Irrgang, Bernhard: Christliche Umweltethik. Eine Einführung
. München-Basel: Reinhardt 1992. 351 S. 8« = UTB,
1671. Kart. DM 39,80. ISBN 3-8252-1671-3.

Der Titel läßt eine Art Kompendium aktueller Probleme des
Umgangs mit der natürlichen Umwelt aus christlicher Sicht
erwarten. Doch dem Autor, der am Institut für Moraltheologie
der Theologischen Fakultät der Münchner Universität arbeitet,
geht es vor allem um eine theoretische Klärung der Grundlagenprobleme
der Ethik angesichts der ökologischen Krise. So ist
sein Buch eherein Beitrag zu einer präziseren Bestimmung der
Voraussetzungen, von denen aus eine theologische Ethik heute
das Handeln und Verändern an der Natur begründen kann. Leitende
Fragestellung ist dabei, ob die Anthropozentrik als Voraussetzung
für eine angemessene Umweltethik gelten kann oder
ob der Vorwurf berechtigt ist, daß der Anthropozentrismus der
Moderne die Umweltcthik blockiere.

Für die Beantwortung der Leitfrage ist die Unterscheidung
einer materialen von einer methodischen Anthropozentrik wichtig
. Ingang geht es um letztere: „Eine ökologisch orientierte
Ethik geht also von der Einsicht aus. daß der Mensch methodisch
gesellen durch den Rückbezug auf das Subjekt im Wissen
und in der sittlichen Entscheidung im Zentrum der menschlichen
Weltrekonstruktion steht" (71). Das verträgt sich auch mit
der aus der Evolutionstheorie gewonnenen Erkenntnis von der
Randstellung des Menschen im Kosmos. Weder eine Ableitung
von Normen aus der Natur noch ein egoistisch an den Bedürfnissen
des Menschen orientierter Anthropozentrismus darf
< irundlage einer ökologischen Ethik sein. Irrgang versteht seine
Konzeption als eine „ökologisch orientierte Humanität" aus der
Voraussetzung einer christlich geläuterten Anthropozentrik. Mit
letzterem Begriff knüpft er an Rahner an, der Anthropozentrik
und Theozentrik sich gegenseitig bedingen läßt, und wendet sich
gegen Drew ermann. Ebenso muß dann jede Konstruktion eines
Eigenrechts der Natur abgelehnt werden. Umfangreiche Abschnitte
referieren die Position Thomas' von Aquino, dessen
Handlungstheorie die hier vorgetragene Konzeption decke.

Naturrechtliche Argumentationen sind also für eine Umweltcthik
unzureichend, weil sie zu naturalistischen Fehlschlüssen
führen und die Folgenbewertung bei sittlichen Entscheidungen
zu wenig berücksichtigen. Das macht es auch dem evangelischen
Leser leicht, der Argumentation des Vf.s zu folgen. Allerdings
ist bei der Abwehr von Eigenrechten der Natur zu fragen,
ob dabei nicht der alte cartesianische Gegensatz von Subjekt
und Objekt dominierend bleibt. Hier könnte der Bezug auf das
biblische Schöpfungszeugnis weiterführen, das Mensch und
Natur zusammen als Geschöpfe des gleichen Schöpfers verkündigt
. Wenn bei Irrgang bei der Darstellung des alttestamentli-
chen Schöpfungszeugnisses nur auf den Noah-Bund als heute
noch gültig verwiesen wird, scheint mir bei aller historischen
Differenz die ursprüngliche Beziehung zum Schöpfer zu schnell
abgetan zu sein. Aus ihr leitet sich jedoch ein Verhältnis der
Partnerschaft zwischen den Menschen und den anderen Geschöpfen
ab, das für eine ökologische Ethik von erheblicher Relevanz
ist.

Breiten Umfang nehmen im vorliegendem Buch die geistesgeschichtlichen
Überblicke ein, die vom griechischen und römischen
Anthropozentrismus über Scholastik. Renaissance und
Aufklärung bis zum neuzeitlichen Positivismus und zu Nietzsche
führen. Sie geben dem Buch, das als Einführung in die Umweltethik
annonciert ist, fast den Charakter eines philosophiehistorischen
Kurses. Besonders hilfreich ist das neunte Kapitel, in
welchem der Dialog zwischen Theologie und Naturwissenschaft
verfolgt wird. Die Pluralität der Deutungen von Evolution macht
es unmöglich, Kriterien aus der Natur für Eingriffe des Menschen
zu erheben. In der Evolution könne keine eindeutige Te-
leologie festgemacht werden, während Schöpfung anders als
Evolution eschatologisch und damit zielgerichtet ist (301). Naturwissenschaft
und Schöpfungstheologie bleiben von daher
weiter auf verschiedenen Aussageebenen. „Das zentrale Problem
christlicher Umweltethik ist nicht die Natur, sondern der
handelnde Mensch. Allerdings sind es nicht seine Bedürfnisse,
wie im modernen Anthropozentrismus, sondern die sittliche
Idee des Menschen als eines vor Gott in die Verantwortung gerufenen
Wesens" (310).

Wer nicht davor zurückschreckt, sich mit den philosophischen
und theologischen Voraussetzungen einer ökologischen
Ethik zu beschäftigen, findet in diesem Buch viel Material und
eine kenntnisreiche Wiedergabe der Grundfragendiskussion
zwischen Mensch und Natur.

Rostock Joachim Wiebering

Spiegel, Yorick: Wirtschaftsethik und Wirtschaftspraxis - ein
wachsender Widerspruch? Stuttgart-Berlin-Köln: Kohlhammer
1992. 238 S. gr.8». Kart. DM 34,80. ISBN 3-17-011732-7.

Auf dem Felde der Wirtschaftsethik sind in den letzten zehn
Jahren eine Vielzahl von Veröffentlichungen zu verzeichnen.
Zumeist handelt es sich dabei um Aufsätze zu Einzelproblemen
oder um Sammelbände, die oft auf Akademietagungen zurückgehen
. Neuere systematische Gesamtdarstellungen finden sich
in der evangelischen Ethik abgesehen von Arthur Richs zweibändigem
Werk kaum. Umso mehr ist es zu begrüßen, daß Yorick
Spiegel nun einen Gesamtentwurf der Wirtschaftsethik vorgelegt
hat, der die theologisch-ethische Diskussion wesentlich
zu bereichern verspricht.

S. setzt die Schwerpunkte nicht wie Rieh bei den theologischen
und ordnungspolitischen Grundsatzfragen, sondern wendet
sich anhand von zehn Leitlinien, ausgehend von aktuellen
Herausforderungen, zentralen Themen der wirtschaftspolitischen
Debatte zu. Um einen Einblick in den Inhalt von S.s Werk
zu geben, seien diese Leitlinien genannt: Befriedigung der