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Ausgabe:

1993

Spalte:

635

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Titel/Untertitel:

Christen und Juden 1993

Rezensent:

Arndt, Timotheus

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Seite 1

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635

Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 7/8

636

Schwemer, Ulrich [Hg.]: Christen und Juden. Dokumente der
Annäherung. Gütersloh: Mohn 1991. 192 S. kl.8° = GTB/Sie-
benstern, 790. Kart. DM 24,80. ISBN 3-579-00790-4.

Eine Auswahl von Dokumenten zum Verhältnis von Juden
und Christen soll hier „als preiswertes Taschenbuch" zugänglich
gemacht werden. Dabei sind neueste Dokumente erstmals
in einer Sammlung zusammengefaßt. Außerdem „wurde Wert
darauf gelegt, auch Dokumente aus der Zeit des ,3. Reiches'
einzubeziehen, die inhaltliche Zusammenhänge von Worten
während der Zeit des Nationalsozialismus und der Zeit nach
dem Krieg aufzeigen können" (11).

Diese drei Punkte begründen die vorgelegte Veröffentlichung
neben der auf weitestgehende Vollständigkeit bedachten
Sammlung von 186 Dokumentationseinheiten durch R. Rend-
torff und H. H. Henrix „Die Kirchen und das Judentum - Dokumente
von 1945 bis 1985" (Paderborn, München 1988) m.E.
überzeugend.

Darüber hinaus hat der Hg. in einer 34seitigen Einleitung die
in den Dokumenten widergespiegelte Entwicklung analysiert.
Die Kapitel II bis VI dieser Einleitung stellen in 26 Abschnitten
jedes der 33 Dokumente (ausgenommen das württembergische
von 1988 auf S. 155ff) vor. Entsprechende Hervorhebungen
und die Übertragung der Gliederung auf das Verzeichnis der
Dokumente sollten dieses Bezugssystem besser kennzeichnen.
(Warum sind die fünf Dokumente S. 145; 152; 173; 181; 187
nicht in ihrer chronologischen Reihenfolge angeordnet, in der
sie ja auch in der Einleitung Erwähnung finden?)

Die ersten acht Dokumente gehören zu der beziehungsreichen
Kapitelüberschrift „Kirche im ,Dritten Reich'". „Die Kirche
beschäftigt sich allein mit der Erhaltung ihrer eigenen Identität
, zu der offensichtlich ihre judenchristlichen Mitglieder und
nicht die Juden gehören. Hier rächt sich die jahrhundertealte
Tradition der Kirche, Judentum nur als die negative Seite des
Christentums zu begreifen" (19).

Die Eingangsfrage: „,Die Stunde Null' - ein Neuanfang?"
erhält die Antwort: „Neues Denken muß vorbereitet werden. In
der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus konnte
sich dies nicht entwickeln. Es ging zunächst um die Bewahrung
christlicher Lehre nicht um Erneuerung. ,Erneuerung' beanspruchten
ja gerade die ,Deutschen Christen' für sich" (12).
„Nur so erklären sich manche Aussagen nach dem Krieg, die
aus heutiger Sicht überraschen oder sogar ärgern" (14).

Sechs Dokumente auf den Seiten 84-93 spiegeln (mangelnde)
Schulderkenntnis. „Schon im Jahr 1945 zeigt Dibelius den Weg
der Diskussion auf, der bis zum heutigen Tag immer wieder gegangen
wird. Über Schuld reden Christen nicht, ohne nicht zugleich
Vergebung und Befreiung von Schuld zu fordern. Was im
Glauben grundsätzlich richtig ist, kann angesichts konkreter
Schuld zu einer billigen Gnade werden. In diesen so kalt wirkenden
Worten des späteren Bischofs vermißt man einen Hinweis
darauf, daß die Opfer überhaupt in den Blick gekommen sind"
(25).

Der größte Anteil, zwölf Dokumente und Dokumentenauszüge
aus den 25 Jahren 1961 -1985 (94-144), steht unter dem Stichwort
„Annäherung" (vgl. den Untertitel).

Das Gedenkjahr 1988 wird durch drei Dokumente vertreten.

Den Schluß bilden vier Dokumente von 1990 zur theologischen
Neubesinnung

Im Ausblick blieb zu sagen: „Trotz der vielen Erklärungen ist
auch im Jahr 1991 noch nicht davon auszugegehen, daß die
Erkenntnisse des Dialoges zwischen Juden und Christen schon
in die Breite der Kirche hineingewirkt hätten.... Das Feld der
Einübung neuer theologischer Erkenntnisse aus dem jüdisch-
christlichen Dialog läßt keinen kirchlichen Bereich aus" (45).

Dazu sollte dieses Sachbuch reichlich genutzt werden.

Leipzig Timotheus Arndt

Enke, Johann-Friedrich [Hg.]: Das evangelische Pfarrhaus in
der Neuzeit. Eisenach: Lutherhaus Eisenach 1992. 115 S.
8«. DM 9,80.

Im März 1990 wurden auf einer Tagung im Pfarrhausarchiv
Eisenach zum o.g. Thema zehn Vorträge gehalten. Martin
Brecht sprach über „Das pietistische Pfarrhaus am Ende des 18.
Jahrhunderts im Spiegel der Tagebücher Philipp Matthäus
Hahns" (4-17). Hahn gab sehr offen Auskunft über familiäre
und seelsorgerliche Probleme; er war „gewiß kein durchschnittlicher
Pfarrer" (17). Max Adolf Cramer informierte über „Die
Entlassungen von Pfarrern aus dem Dienst. Beispiele für Gründe
und Folgen" (18-24). Es geht primär um konfessionelle
Abweichungen im Raum Württemberg vom 16.-18. Jh. Wolfgang
Ratzmann berichtete über „Junge Pfarrer heute auf der
Suche nach Frömmigkeit" im Raum der sächsischen Landeskirche
(25-30). Gustav Reingrabner formulierte das Thema „Evangelisches
Pfarrhaus in katholischer Umgebung (am Beispiel
Österreich)" (31-44); er setzt ein beim Toleranzpatent Josefs II.
Hans Christoph Rublack schilderte „Die Vertreibung eines Pfarrers
: Georg Christoph Zimmermann 1723" (45-54), der freilich
kein „typischer Vertreter" war, aber auch nicht als „marginale
Existenz" abgewertet werden sollte. Gerhard Schäfer bietet ein
Bild von „Friedrich Christoph Oetinger (1702-1780)"; seine
universalgeschichtlichen Interessen, sein Wirken als Politiker
und Baumeister werden gewürdigt, doch blieb er primär stets
Pfarrer (55-65). Siegfried Sunnus wertete u.a. 441 Briefe Herders
an Frauen aus unter der Überschrift „Weibsbild und Menschenbild
. Das Frauenbild in Herders Anthropologie und in seinen
Briefen an Frauen" (66-83). Eberhard Winkler referierte
über die Frage „Das Pfarrhaus als Vorbild?" (84-91); er zitiert
Stimmen u.a. von Claus Harms und Wilhelm Löhe bis hin zu
Ernst-Rüdiger Kiesow und Friedrich Wintzer. Beate Wuschka
untersuchte Romane des späten 18. Jh.s: „Das evangelische
Pfarrhaus der Aufklärungszeit als Spielball der Poesie: Thüm-
mel ,WiIhelmine' (1764) - Bahrdt ,Rindvigius' (1790)"; dazu
kommt noch Nicolais Roman „Leben und Meinungen des Herrn
Magisters Sebaldus Nothanker" in den Blick (92-107). Den
Band beschließt ein Gesprächsbeitrag von Jürgen Ziemer:
„Pfarrer/Pastorin und evangelisches Eheethos" (108-115).

G. H.

Philosophie, Religionsphilosophie

Anzenbacher, Arno: Einführung in die Philosophie. Überarb.
u. erw. Neuaufl. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1992. 364 S.
8o. Kart. DM 49,80. ISBN 3-210-25149-5.

Die 1981 erschienene 1. Aufl. dieser Einführung in die Philosophie
wurde vom Rez. in ThLZ 106, 1981, 757-759 vorgestellt
und gewürdigt. Über die Neuaufl. dieses Buches sagt der Vf.,
sie sei „zum Teil stark überarbeitet", „Verbesserungen, Aktualisierungen
und Umgestaltungen" hätten sich als notwendig
erwiesen. „Die Gliederung wurde verändert, und einige Abschnitte
wurden völlig neu konzipiert" (5). Damit sind die Veränderungen
, die zugleich Erweiterungen im Umfang von 31
Seiten darstellen, recht genau beschrieben. Zu ergänzen ist
allenfalls, daß das Werk nun nicht mehr die Lizenzausgabe
eines Schulbuchs darstellt. Dies könnte auch den merkwürdigen
Tatbestand erklären, daß zwar dem Umschlag und Vorwort,
nicht aber den Angaben des Titelblatts zu entnehmen ist, daß es
sich um eine zweite Auflage handelt.