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Ausgabe:

1993

Spalte:

615-617

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Dokumentation zur jüngsten Entwicklung um Dr. Eugen Drewermann 1993

Rezensent:

Rebell, Walter

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Theologische Literaturzeitung I 18. Jahrgang 1993 Nr. 7/8

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werden wiederum alle Briefteile gefunden, ebenso in 5-7 (Kap.
7 gilt als paränetischer Anhang), in 12-14 (14,33b-36 deu-
teropaulinisch) und in Kap. 15. 11,2-34 und Kap. 16 (V.21f.
und 24 deuteropaulinisch) werden als Nachträge zu den jeweils
voranstehenden Briefcorpora (8,1-11,1 bzw. Kap. 15) verstanden
. P. kommt zu dem Ergebnis, daß zwischen all diesen Einheiten
„keine grundsätzlichen inhaltlichen Diskrepanzen auftreten
, sondern daß ein vergleichbarer Anlaß der Einzeltexte, wie
auch eine gleiche Adressatenschaft und eine je analoge Rolle
des Briefautors aufweisbar sind" (360). Dennoch wird, vor
allem wegen der zwischen 4,18f. und 16,5-9 bemerkten Umori-
entierung hinsichtlich der Reisepläne und wegen der überdurchschnittlichen
Länge des Schreibens, angenommen, „daß der jetzige
erste Korintherbrief aus ursprünglich eigenständigen Briefen
bestand, die... zusammengefügt wurden, so, wie sie ursprünglich
entstanden sind, in chronologischer Reihenfolge"
(366); bei dieser aneinanderreihenden Zusammenstellung sei
die Selbständigkeit der einzelnen Briefe verwischt worden.

Ein abschließender Vergleich zwischen IKor 8-10 und Rom
14f. ergibt, daß sich beidemale „die gleiche Argumentationsstruktur
und die gleiche theologisch-christologische Basis"
(375) finden.

Die von P. vertretene literarkritische Sicht hat den Vorteil, daß
sie keine komplizierte Verschachtelung von Teilen ursprünglicher
Einzelbriefe, sondern eine schlichte Aneinanderreihung
ziemlich selbständiger Schreiben voraussetzt. Wenn der 1 Kor
geteilt werden muß, dann verdient diese Methode eindeutig den
Vorzug. Die Notwendigkeit - nicht: die Möglichkeit - eines solchen
Verfahrens scheint mir aber auch durch P.s Studie nicht
erwiesen zu sein. Folgt man der von P. erarbeiteten brieflichen
Gliederung, dann bleibt als wegen der Textgeschichte zu bevorzugende
Alternative die Existenz eines umfangreichen Briefganzen
mit mehreren in sich relativ abgeschlossenen Briefteilen.

Grundsätzlich erhebt sich freilich die Frage, ob P. wirklich das
den Paulusbriefen adäquate Vergleichsmaterial herangezogen
hat. Er berücksichtigt in seiner Analyse nur private bzw. literarisch
-philosophisch orientierte Briefe, während Paulus ausgesprochene
Gemeindebriefe verfaßt hat. Auf diese im Judentum
verbreitete Gattung (vgl. dazu [. Taatz, Frühjüdische Briefe, Freiburg
-Göttingen 1991 [Rez. von M. Karrer in ThLZ 117, 1992,
193f.|) wird jedoch lediglich nebenbei (96-98) eingegangen.

Die positive Bedeutung der von P. vorgelegten Untersuchung
dürfte in dem Nachweis der inhaltlichen Geschlossenheit von
1 Kor 8,1-11,1 liegen, die insbesondere in der konsequenten Entfaltung
der paulinischen Kreuzestheologie begründet ist.

Leider entspricht die äußere Gestalt des Buches nicht seinem gewichtigen
Inhalt und nicht dem sonstigen Standard der geschätzen Monographienreihe
: Es finden sich zahlreiche und z.T. sinnentstellende Druckfehler, und die
Register sind unvollständig und in den Seitenangaben unzuverlässig.

Berlin Christian Wolff

Rick, Hermann-Joseph |Hg.]: Dokumentation zur jüngsten
Entwicklung um Dr. Eugen Drewermann. Hg. für das Erzbischöfliche
Generalvikariat Paderborn. 2.,erg. u. Überarb.
Aufl. Paderborn: Bonifatius 1992. 449 S. 8°. ISBN 3-87088-
713-3.

Sobel, Alfred: Eugen-Drewermann-Bibliographie. Primär- und
Sekundärliteratur, Rezensionsverzeichnis, Bibliographie zum
Fall Drewermann, Einführung. Wiesbaden-Berlin: Sobel
1992. 101 S. 80. Kart. DM 48,-. ISBN 3-9802928-0-0.

Benedikt, Bernadette, u. Alfred Sobel [Hg.]: Der Streit um
Drewermann. Was Theolog(inn)cn und Psycholog(inn)en kritisieren
. Theologische Anfragen. Wiesbaden-Berlin: Sobel
1992. 172 S. 80. Kart. DM 34,-. ISBN 3-9802928-2-7.

Marcheselli-Casale, Cesare: Von Drewermann lernen. Die

Bibel auf der Couch. Mit einem Vorwort von E. Drewermann
. Aus dem Ital. von C. Locher. Zürich: Benziger 1992.
314 S. gr.8°. Pp. DM 39,80. ISBN 3-545-24105-X.

Die Diskussion um die Theologie von Eugen Drewermann (=
D.) dreht sich im Kreis. Alles Wichtige ist bereits gesagt, Position
und Gegenposition stehen wohl begründet im Raum, die
Fronten sind klar; Annäherungen hat man nicht zu erwarten. In
die Reihe der in der Fachwelt anerkannten theologischen Ansätze
aufgenommen zu werden, hat die Theologie D.s keine Chance
; dafür aber kommt sie bei den „Endverbrauchern" von Theologie
um so besser an - sie vermag Menschen religiös in Bewegung
zu versetzen.

Neues von D. oder über D. ist von den vier hier anzuzeigenden
Büchern nicht zu erwarten. Theologisch Neues wird es in
dieser Angelegenheit wohl auch nicht mehr geben. D. selber hat
im Prinzip schon alles gesagt. Natürlich wird er weiterschreiben
- vielleicht in den nächsten 15 Jahren erneut 20000 Buchseiten
-, aber einen Gedankenfortschritt darf man nicht erwarten, der
müßte nämlich (in der Auseinandersetzung mit theologischen
Quellen) langsam und mühsamerarbeitet werden -dafür jedoch
hat D. gar nicht die Zeit. Er ist gejagt von einer religiösen Botschaft
, die er weitersagen muß, er ist ein Ergriffener, der nicht
schweigen kann und nicht schweigen darf, selbst wenn er dafür
den Preis größter persönlicher Schwierigkeiten bezahlen muß.
D. ist kein wissenschaftlich arbeitender Theologe (mehr), sondern
eine wegweisende, prophetische Gestalt. Sein Werk ist
auch gar nicht dafür konzipiert, in die wissenschaftliche Diskussion
aufgenommen zu werden. Es ist Botschaft, und weil es
Botschaft ist, ist es schnell schreibbar, es quillt förmlich aus
dem Autor heraus, es überwältigt ihn wahrscheinlich selber.

Wie soll man sich in diesem rasch wachsenden Werk überhaupt
noch zurechtfinden? Wie soll man - als bisher Uneingeweihter
- überhaupt den Einstieg finden? Die vier hier anzuzeigenden
Bücher bieten eine gute Hilfe, jedes auf seine Weise.

Die von H.-J. Rick für das Erzbischöfliche Generalvikariat
Paderborn herausgegebene „Dokumentation zur jüngsten Entwicklung
um Dr. Eugen Drewermann" zeigt D. im Kampf mit
der Amtskirche, vor allem mit seinem Haupt-Kontrahenten,
dem Erzbischof Degenhardt. Dokumentiert werden Tonband-
Nachschriften von Gesprächen, Briefe, Zeitschrifteninterviews
u.ä. Obwohl die Dokumentation von einer der beiden zerstrittenen
Parteien vorgenommen wurde, von der Amtskirche, und
obwohl sie natürlich beabsichtigt, D.s Unrecht nachzuweisen,
ist sie objektiv; was ja auch gar nicht anders möglich ist, wenn
die Fakten als solche (also hier vor allem die Gesprächsäußerungen
) einfach nur wiedergegeben werden.

In diesem Buch wird viel schmutzige Wäsche gewaschen.
Man schenkte sich gegenseitig nichts, und das wird minutiös
dem Leser vorgeführt. Inhaltlich wird beständig dasselbe gesagt
, Position und Gegenposition inspirieren sich nicht gegenseitig
, um in einem kreativen Prozeß etwas Drittes, Neues entstehen
zu lassen; sie prallen nur immer wieder hart aufeinander.
Im Grunde bräuchte der Leser nur 20 beliebige Seiten zu lesen,
er wäre dann bereits bestens informiert - zwar nicht über den
Verlauf des Streits, aber über seine Inhalte und seinen Charakter
. Wie das gesamte Werk von D., hat auch der Streit, den es
auslöst, etwas Monomanes an sich.

Das Buch könnte einen interessanten Nebenzweck erfüllen.
Wem die theologisch-diskursiven Bücher D.s zu langatmig
sind, der könnte - um in das Drewermannsehe Denken einzudringen
- zu dieser Dokumentation greifen. Sagt doch D. auch
hier alles, was er zu sagen hat, aber er sagt es im Gespräch, er
sagt es konzentrierter. Er muß auf Nachfragen reagieren, die
auch die Nachfragen des Lesers sein könnten. Die Lektüre isi
ausgesprochen kurzweilig.