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Ausgabe:

1993

Spalte:

607-609

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Patterns of persuasion in the Gospels 1993

Rezensent:

Suhl, Alfred

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 7/8

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zu Gegenfragen führen, gestatten aber doch im ganzen einen
lehrreichen Einblick in das Verhältnis Jesu zur Apokalyptik,
das als Anknüpfung und Widerspruch gestaltet ist.

Trotz des umfassenden Titels „Reich Christi, Reich Gottes
und Weltreich im Johannesevangelium" (163-184) beschränkt
sich der Beitrag von Martin Hengel im wesentlichen auf eine
Analyse von Jo 18,36-38, die eine Beziehung zum Hegesipp-
Bericht über die Zitierung von christlichen Herrenverwandten
vor den Kaiser Domitian vermuten läßt. Jedoch enthält der
Hegesipp-Bericht zwar auch die Vorstellung eines himmlischen
Messiasreiches, ist aber durch allgemein christliches Vokabular
geprägt, so daß der Vergleich mit dem joh. Text wenig austrägt.
Daß letzterer „in seiner Weise hochpolitisch" sei und „auf dem
historisch-politischen Hintergrund seiner Zeit, der Auseinandersetzung
zwischen Juden, Römern und Christen vor und nach
der Tempelzerstörung 70 n.Ch. verstanden werden" müsse
(167), leuchtet nicht ein, da konkrete Anhaltspunkte für diese
These, die auch die Geschichte der joh. Schultradition nicht hätte
außer acht lassen dürfen, fehlen. Doch sollte das Urteil des
Vf.s Zustimmung finden, wonach das joh. Verständnis des
Königtums Christi „mit den traditionellen ,theokratischen"
Idealen des Judentums, ja der antiken Welt überhaupt" radikal
bricht (182).

Das Problem der „Sabbatopferlieder aus Qumran" wird von
H.Löhr noch einmal aufgegriffen, der unter der Überschrift
„Thronversammlung und preisender Tempel" sich mit dem
„himmlischen Heiligtum im, Hebräerbrief" befaßt (185-205): Im
Hebräerbrief wie in den Sabbatopferliedern liegt ein- und derselbe
Motivkomplex vor, der politische mit kultischen Vorstellungen
zur Herrschaft Gottes verknüpft. Dabei ist zu Recht für
die Hebräerbriefexegese erkannt, „daß zeitlich-futurische und
räumlich-transzendente Eschatologie einander nicht ausschließen
, sondern vielmehr implizieren" (205).

Auf die folgenden Beiträge kann nur noch hingewiesen werden
; in ihnen werden wichtige Teilaspekte des Themas zum Teil
sehr eindringend verhandelt: Naoto Umemoto, Die Königsherrschaft
Gottes bei Philon (207-256). - Beate Ego, Gottesherrschaft
und die Einzigkeit seines Namens. Eine Untersuchung zur Rezeption
der Königsmetapher in der Mekhilta de R. Yishma'el
(257-283). - Thomas Lehnardt, Der Gott der Welt ist unser
König. Zur Vorstellung von der Königsherrschaft Gottes im She-
ma und seinen Benedictionen (185-307). - Anna Maria Schwe-
mer, Irdischer und himmlischer König. Beobachtungen zur sogenannten
David-Apokalypse in Hekhalot Rabbati §§ 122-126
(309-359). - Beate Ego, Der Diener im Palast des himmlischen
Königs. Zur Interpretation einer priesterlichen Tradition im rab-
binischen Judentum (361-384). - Christoph Markschies, Piatons
König oder Vater Jesu Christi? Drei Beispiele für die Rezeption
eines griechischen Gottesepithetons bei den Christen in den
ersten Jahrhunderten und deren Vorgeschichte (385-439).

Alles in allem ein komplexes, mit Stellen-, Autoren-, Sach-
und Personenregistern reichlich versehenes Werk, das besonders
Exegeten und Religionswissenschaftlern zur Lektüre und zu kritischer
Weiterarbeit zu empfehlen ist.

Göttingen Georg Streeker

Mack, Burton L., and Vernon K. Robbins: Patterns of Persua-
sion in the Gospels. Sonoma, CA: Polebridge Press 1989. X,
230 S. gr.8° = Foundations & Facets Literary Facets. Kart. $
19.95.

Die vorliegenden Studien reihen sich ein in die Vesuche, die
antike Rhetorik für die Interpretation ntl. Schriften fruchtbar zu
machen. Befaßten diese sich aber bisher nur mit den großen
Formen und der ntl. Briefliteratur, so wird hier der wegweisende
Versuch unternommen, die antike Rhetorik auch für die
Evangelien-Überlieferung auszuwerten. Dabei gingen das "Cla-
remont Chreia Project", das sich mit der Chrie in der antiken
Rhetorik befaßt und von B. L. Mack vertreten wird, und das
SBL-Seminar über die "Pronouncement Stories", vertreten
durch V. K. Robbins, eine glückliche Verbindung ein.

Es geht dem Vf. um "the logic at work in the abbreviation or
expansion of units, or the arrangement of Units in a sequence to
interpret or defend a particular point of view" (1) in den synoptischen
Evangelien. In einer überzeugenden Analyse wird gezeigt
, daß Dibelius' Bestimmung der Gattung "Paradigma" als
Predigtbeispiel den Stoffen ebensowenig gerecht wird wie Bultmanns
litcrarkritische Bemühungen um die „ursprüngliche
Form", deren Geschichte es dann zu verfolgen gilt (4-6 u. 6-10).
Insbesondere erweise sich Bultmanns Begriff des „Apophtheg-
mas" als wenig hillreich, da er in der antiken Theorie der Rhetorik
kaum eine Rolle spielte, wohl aber dem Vorurteil Vorschub
leiste, die „ursprünglichen Einheiten" seien stets nur kurz
gewesen (70- Das führte zwangsläufig zu der Bevorzugung rab-
binischer Parallelen, ließ aber den tiefgreifenden Einfluß der
antiken Rhetorik auf Prägung und Überlieferung der Stoffe
weitgehend außer Betracht (8). „Dibelius' and Bultmanns's
analyses... systematically guided Interpreters away from ancient
rhetorical discussions as they immersed themselves in the
dctails of the synoptic tradition. Dibelius' approach suggested
that rhetorical discussions applied only to speeches in early
Christian literature and made it most natural to carry rhetorical
analyses further with the speeches in Acts. Bultmann, on the
other hand, created a detailed System of Classification with no
reference to Standard rhetorical analysis" (1 Of).

Demgegenüber weisen Mack und Robinson nunmehr überzeugend
nach, daß gerade von dieser antiken Rhetorik her
Wesentliches zum Verständnis sowohl kleinerer als auch größerer
Einheiten in den Evangelien beigetragen werden kann, u.zw.
sehr viel mehr, als Dibelius' gelegentliche Hinweise vermuten
lassen. Dabei spielt insbesondere die Chrie eine wichtige Rolle,
deren Wesen von Dibelius, obwohl er auf sie verweist, gründlich
verkannt wurde (11 ff). Diese konnte nämlich, je nach der
Intention des Autors, sowohl kurz als auch lang sein. Es geht
den Autoren daher darum, "to develop a systematic method for
analyzing both short and long units containing narrative and
speech in Mediterranean literature" (27).

Welche Strategie dabei jeweils verfolgt wird, läßt sich an
Hand der „Progymnasmata" erheben. Hierbei handelt es sich um
Vorübungen, die zur Grundausbildung eines Rhetors gehörten
und in den xiyym genannten rhetorischen Handbüchern vorausgesetzt
werden. Dankenswerterweise wird eine sehr gedrängte,
aber gründliche Einführung in dieses bisher zu Unrecht vernachlässigte
Gebiet an Hand einiger ausgewählter Beispiele geboten
(31-67: Elaboration of the Chreia in the Hcllenistic School).
Zwar werden in diesen Lehrbüchern bis zu vierzehn verschiedene
Themen behandelt; spezielles Gewicht wird jedoch auf die
Einführung und die Übungen zu den Chrien gelegt, denn sie und
ihre Ausgestaltung "are forms of composition that bridge bet-
ween rhetorical speech on the one hand and discursive, narrative
literature on the other. They are also rhetorical and literary activi-
ties that combine interpretation with composition" (32).

Die These, es sei"only by gaining some grasp of the theory
and praxis of rhetoric in a culture dominated by literary educati-
on... possible to understand the rhetorical effectiveness for Gre-
co-Roman ears of compositions like the gospels that were craf-
ted in keeping with its rules" (32), wird in den anschließenden
Einzelstudien eindrücklich unter Beweis gestellt.

Wie erstaunt die Autoren selbst darüber waren, welches Neuland sie mit
ihren Forschungen betraten, ist den Studien deutlich anzumerken. "We öfter
our studies simply to share that astonishment" (67). Dabei geht es um die je
eigenständige Organisation der Nachfolgesprüche Mt 8,19-22 und L 9,57-