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Ausgabe:

1993

Spalte:

606-607

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Königsherrschaft Gottes und himmlischer Kult im Judentum, Urchristentum und in der hellenistischen Welt 1993

Rezensent:

Strecker, Georg

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 7/8

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dabei schon in der spezifischen Kombination von Titel und
Untertitel den Versuch eines besonderen Vorgehens: Der an
einen dogmatischen Traktat erinnernde Titel - „I Mistcri della
Fede" - verweist eher auf systematisches Interesse; der Untertitel
-„Teologia del Nuovo Testamento"- zeigt exegetisch-bibeltheologische
Orientierung an. Der Vf. möchte seinen Versuch
auch durchaus im Spannungsfeld dieser beiden Koordinaten verstanden
wissen. Ausgehend von H. Schliers Reflexionen über
..Sinn und Aufgabe einer Theologie des Neuen Testaments"-
unterscheidet er zwei Ebenen des Bemühens um eine „Theologie
des Neuen Testaments": Auf der ersten Ebene gehe es darum
, die nach Herkunft, Form, Bedeutung und Absicht sehr
unterschiedlich gearteten Schriften bzw. Schriftengruppen des
NT auf ihre jeweiligen theologischen Akzente hin zu befragen.
Auf der zweiten Ebene müsse nach der Einheit, die hinter diesen
, z.T. durchaus disparaten theologischen Entwürfen stehe,
gefragt werden. H. Schlier meinte seinerzeit, daß dies am besten
zu realisieren sei. wenn „an Hand einiger großer Themen, z.B.
Gott, Gottes Herrschaft. Jesus Christus, sein Tod und seine Auferstehung
, der Geist, die Kirche, der Glaube, das neue Leben
u.a. die innere Zuordnung der verschiedenen Theologien zueinander
, der verborgene Grund und das geheime Band der einen
tTieologie des NT angedeutet wird."-1 Der Vf., der sein Bemühen
ausdrücklich und ausschließlich auf dieser „zweiten Ebene"
ansiedelt, geht deutlich über Schlier hinaus. Seiner Meinung
nach kommt es bei diesem /weiten, erst eigentlich „theologischen
" Arbeitsschritt darauf an, die die einzelnen Themen und
redaktionellen Tendenzen hintergründig verbindende Basis des
gemeinsamen Glaubens zu erlassen, den die Kirche im „Credo"
systematisiert habe. Durch diesen Ansatz sieht der Vf. sein
Bemühen um die eine Theologie des NT angesichts der Divergenz
der ein/einen Themen auf eine feste Basis gestellt und vor
der willkürlichen Setzung von Prioritäten gesichert. In diesem
Ansatz sieht er zugleich den entscheidenden Unterschied seines
Entwurfs zu anderen Ansätzen, unter denen er sich besonders
mit dem von R. Bultmann, H. Conzelmann und E. Lohse auseinandersetzt
. Er wolle deshalb auch nicht eine Aufstellung der
theologischen Ideen der einzelnen Autoren bieten, vielmehr diese
als /engen des gemeinsamen Glaubens bewerten. Diesen hätten
alle in irgendeiner Weise gleichermaßen bekannt; aber keiner
habe es als notwendig erachtet, ihn nach innen umlassend
darzulegen. Die schriftliehen Zeugnisse würden sich auch
jeweils aus der Notwendigkeit bestimmter Situationen herleiten.
Um diesen im NT faktisch nur als Voraussetzung der einzelnen
Texte erfaßbaren gemeinsamen Glauben zu erheben, habe er all
das in den Zeugnissen gesammelt, was sich auf die Glaubenswirklichkeit
beziehe und dann entsprechend der inneren Logik
des (ilaubens geordnet.

Von daher orientiert sich sein Buch von der Abfolge des Credo
her. Nach einer methodischen Begründung seines Vorgehens
- „Introduzione" (43-100) - legt der Vf. die Leitlinien dieses
gemeinsamen Glaubens in drei großen Teilen dar: L „II Padre"
(102-261) - Q. „11 Figlio" (291-523) - III. „Lo Spirito" (525-
755). Der erste Abschnitt verdeutlicht nacheinander die klassischen
Bereiche der Gotteslehre „II Dio rivelante", II Dio Creatore
degli esseri visibili e invisibili", „II Dio Salvatore" „II Dio
Giudiee". Gleiches gilt für die Darstellung der Christologie: „II
''glio mediatore nella creazione", II figlio salvatore", „II figlio
Mgnore sommo sacerdote e giudiee". Entsprechend ist auch die
Pneumatologie strukturiert: „Lo Spirito rinnova la vita", „Lo
Spirito forma la Chiesa", „Lo Spirito caparra della vita eterna".
Die ein/einen Abschnitte nennen jeweils zunächst den entsprechenden
„Glaubenssatz" und fügen dann auslegend die Belege
an, in denen sich im NT die jeweilige Vorstellung findet, wobei
a's das verbindende Element der durchaus unterschiedlichen
Aussagen der im „Glaubenssatz" angezeigte „gemeinsame
Glaube" verstanden ist. Auf eine Zuordnung im Rahmen eines

Entwicklungsschemas ist bewußt verzichtet, die Texte stehen
taktisch zunächst einmal gleichwertig nebeneinander.

Das Buch ist übersichtlich gegliedert, gut lesbar, mit reicher
Dokumentation der einschlägigen Literatur versehen. Die jeweiligen
Auslegungen sind - auch wenn dies nicht immer durch
Anmerkungen sichtbar gemacht wird - im Gespräch mit der
neueren Auslegung entstanden und bieten eingängige Informationen
über das Verständnis der einzelnen Texte.

Der Vf. hat ein klares theologisches Konzept entwickelt und
dieses in einem durchaus umfassenden Sinn in seinem Buch realisiert
. Bedeutsam ist auch seine energische Frage nach der theologischen
Einheit des NT. Problematisch aber erscheint dem
Rez. freilich der Ansatz überhaupt. Der Bezug auf den vorausge-
setzen „gemeinsamen Glauben" läßt sich wohl an Einzelthemen,
nicht aber in einem Gesamtaufriß der Theologie realisieren. Die
Orientierung an der systematischen Vorgabe des „Credo" löst
das Problem von Einheitlichkeit und Verschiedenheit des NT
eben letztlich doch nicht auf der Ebene des NT. Daß der Vf. ein
hilfreiches Kompendium der Grundlegung des Credo im NT
erstellt hat, soll nicht bestritten werden, fraglich bleibt, ob man
bei seinem Ansatz wirklich von einer Theologie des Neuen Testamentes
sprechen kann. Daß sein Ansatz berechtigte Fragen an
das Bemühen um die Theologie des NT stellt, macht die Auseinandersetzung
mit seinem Buch lohnend.

Krfurt Claus-Peter März

1 W. G. Kümmel. Die Theologie des Neuen Testaments nach seinen
Hauptzeugen Jesus-Paulus-Johannes. Berlin 1969, 12f.

2 In: Besinnung auf das Neue Testament. Freiburg 1964, 2-24.

3 Ebd. 19.

Hengel, Martin, u. Anna Maria Schwemer [Hg.]: Königsherrschaft
Gottes und himmlischer Kult im Judentum, Urchristentum
und in der hellenistischen Welt. Tübingen: Mohr
1991. VII, 495 S. gr.8° = Wissenschaft! Untersuchungen zum
Neuen Testament, 55. Lw. DM 278,-. ISBN 3-16-145667-X.

In diesem Sammelband ist eine Reihe von Aufsätzen zusammengetragen
worden, die sich zum Thema „Gottesreich" im
Zusammenhang mit seiner ntl. und äußernd. Umwelt äußern.
Das Vorhaben versteht sich als eine kritische Ergänzung zu der
Untersuchung von Odo Camponovo, Königtum. Königsherrschaft
und Reich Gottes in den frühjüdischen Schriften, OBO
58, 1984.

Einsetzend bei der jüdischen Überlieferung in ntl. Zeit, untersucht
Klaus W. Müller anhand der Begriffe „König und Vater"
die „metaphorische Rede über Gott in der Umwelt des Neuen
Testaments" und stellt eine Überordnung des Begriffs ..Vater"
über die Metapher „König", welch letztere stärker durch zeitgebundene
gesellschaftliche Verhältnisse bestimmt sei. fest (21-43).

Anna Maria Schw emer trägt in einem umfangreichen Beitrag
über „Gott als König und seine Königsherrschaft in den Sabbatliedern
aus Qumran" vor (45-118). Sie findet in der liturgischen
Ordnung für die Sabbatgottesdienste die Vorstellung von der
kultisch-präsentischen Königsherrschalt Gottes im himmlischen
Heiligtum, die sich den atl. Königspsalmen anschließt und
auch in der ntl. eschatologischen Erwartung vorausgesetezt sei.

Helmut Merkel diskutiert ..Die Gottesherrschaft in der Verkündigung
Jesu" (I 19-161). Er ist der Ansicht, daß nicht die
Worte von der nahen, sondern von der gegenwärtigen Gottesherrschaft
auf die Verkündigung des historischen Jesus zurückgehen
, daß Jesus anders als Johannes der Täufer das Herrsein
Gottes mit der „Ansage einer bedingungslosen Amnestie" verbunden
und daß Jesus „vom Schöpfungsgedanken her jegliche
Einengung des Heils" aulgesprengt habe (161). Solche Thesen
mögen (besonders in Hinsicht auf die heranzuziehenden Texte)