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Ausgabe:

1993

Spalte:

593-595

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Ben-Ḥorin, Shalom

Titel/Untertitel:

Theologia Judaica 1993

Rezensent:

Schreiner, Stefan

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 7/8

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de äußere Zustimmung zu christlichen Glaubenssätzen - etwa
der Auferstehung - die er jedoch (wie z.B. die Rolle Christi im
Sinne eines vorbildhaften Humanuni und deshalb als Offenbarer
Gottes) in seiner eigenen Weise interpretierte. Auch wenn das
heutigem theologischen Nachdenken fremd erscheint, kann R.
seinem Helden immer wieder dessen absolute Aufrichtigkeit
bescheinigen, selbst bei dessen freundlicher Haltung gegenüber
dem Gründer der Basler Missionsgesellschaft, dem erweckliehen
C. F. Spittler (1782-1867).14

Man wird den Band, dessen Ausführungen auf gründlichen
Recherchen, auch in den Archiven, beruhen, mit großem Gewinn
lesen. De Wette verdient als typischer Vertreter einer ein-
flußreichen theologischen Richtung seiner Zeit der weitgehenden
Vergessenheil entrissen zu werden. R. hat hierzu einen
wichtigen Beitrag geleistet.

Druckfehler finden sich nur in wenigen deutschsprachigen
Buchtiteln und Zitaten.

Bochum Henning Graf Reventlow

I Kr ist Hcad des Department of Biblical Studics an der Universität Sheffield
.

- Vgl. sein Werk: Old Testament Criticism in the Nineteenth Century:
England and Germany. London (SPCK) 1984.

• Die Familie ist niederländischer Herkunft.

4 Daß er mehrfach ihr Rektor war, ist ein äußeres Zeichen dafür.

" Dissertatio critico-exegetica qua Deuteronomium a prioribus Pentateu-
chi Libris diversum, alius cuiusdam recentioris auctoris opus esse monstra-
tur... Diss.phil. Jena 1X05 (Neudruck in: Opuscula Iheologica. Berlin 1X30).

(l Kurze Erklärung der Briefe an die Colosser, an Philemon, an die Ephe-
sier und Philipper IKur/gefaßtes exegetisches Handbuch zum Neuen Testament
11.4. Leipzig 1X43 (1X462).

7 Vgl. das Schriftenverzeichnis de Wettes, 273-287, das allein ungefähr
vierzig theologische Veröffentlichungen in Buchform enthält.

Z.T. konnte Rogerson auf Auszüge zurückgreifen, die dem Vf. eines im
übrigen ganz unzulänglichen Werks Uber de Wette. A. Wiegand (bes.: W.
M. L. de Wette 117X0-1849]: Eine Säkularschrift. Erfurt 1879) noch im Original
zur Verf ügung standen.

9 Theodor oder des Zweiflers Weihe: Bildungsgeschichte eines evangelischen
Geistlichen. 2 Bde. Berlin 1822, 18282.

10 In Korrektur seiner früheren Auffassung in Old Testament Criticism,
daß de Wette den Philosophen bereits in Jena gehört habe.

II Lehrbuch der christlichen Dogmatik in ihrer historischen Entwicklung
dargestellt. 2 Bde. Berlin 1X16, 1X212, 18393: Das Wesen des christliehen
Glaubens vom Standpunkte des Glaubens. Basel 1845.

12 Kurzgefaßtes exegetisches Handbuch zum Neuen Testament. Leipzig
1X36-48. Einzelbände bis zu 4 Auflagen!

13 Vgl. u.a. 26X und passim.

14 Gegen den er anfangs polemisiert hatte, vgl. 21 [ff.

Judaica

Ben-Chorin, Sehalom: Theologia Judaica. Gesammelte Auf-
Sätze, II. Hg. von V. Lenzen. Tübingen: Mohr 1992. VII, 309
S. gr.8° Lw. DM 128,-. ISBN 3-16-145801-X.

Seit Jahren schon darf Sehalom Ben-Chorin nicht zuletzt
dank der Vielzahl und Vielfalt seiner deutschsprachigen Veröffentlichungen
, an deren Zustandekommen der Tübinger Verlag
•L C. B. Mohr nicht unwesentlichen Anteil hat, für sich in Anspruch
nehmen, der hierzulande wohl bekannteste von den in
Israel lebenden jüdischen theologischen Schriftstellern der Ge-
genwart zu sein, der mit seinen Arbeiten, seinen Büchern und
Aufsätzen sowie Vortragsreisen zudem das heutige jüdisch-
christiiche/chrisüich-jüdische Gespräch in Deutschland maßgehend
beeinflußt und umgestaltet hat.

Nachdem vor zehn Jahren im selben Verlag der erste Band
seiner gesammelten Aufsätze mit dem Titel Theologia Judaica

erschienen ist (vgl. ThLZ 109, 1984, 29-31), hat der Verlag nunmehr
einen zweiten Band gesammelter Aufsätze vorgelegt, die
eine Fortschreibung der begonnenen Theologia Judaica sein
wollen. Dabei versteht der Autor unter Theologie „die zeitliche
Rede vom ewigen Wort", unter jüdischer Theologie folglich
„die jüdische Weise der zeitlichen Rede vom ewigen Wort".

Im hier anzuzeigenden Band sind insgesamt 48 Aufsätze vereinigt
. Zum überwiegenden Teil handelt es sieh um kleinere,
essayistische Beiträge, die zumeist innerhalb des letzten Jahrzehnts
entstanden sind. Bis auf wenige Ausnahmen sind sie
bereits andernorts als Zeitschriftenartikel oder Beiträge zu Festschriften
publiziert worden. Die Auswahl und die Zusammenstellung
der Texte hat die I lerausgeberin besorgt. Gleichwohl
hat sie der Autor nicht nur autorisiert, sondern will sie zugleich
als „ein Fazit" seiner bisherigen theologischen Bemühungen
verstanden wissen, zu dem er sich angesichts seines vorgerückten
Alters ebenso berechtigt wie verpflichtet fühlt. So haben
denn viele der Beiträge in seinem Sinne programmatischen Charakter
, wie gleich der erste „Die Bedeutung der Bibel für die
Kultur Europas und der Welt" (3-13), in dem der Autor daran
erinnert, daß „drei Städte die Kultur Europas geformt (haben):
Athen, Rom und Jerusalem'''.

Auf alle Aufsätze hier im einzelnen eingehen zu wollen, ist
unmöglich. Allein eine Auflistung ihrer Themen würde den für
diese Anzeige gegebenen Umfang um einiges überschreiten.
Zusammengefaßt sind die Aufsätze in drei Themengruppen: Die
fünf Beiträge der ersten Gruppe „Vom Wirken des göttlichen
Wortes" kreisen um das Problem des übersetzenden Verstehens
des Bibeltextes. Ihre Mitte bildet die Analyse „Franz Rosenzweig
und die Verdeutschung der Schrift" (27-52), neben dem
Blick in die Übersetzerwerkstatt zugleich eine einfühlsame Einführung
in Rosenzweigs Leben und Werk.

Der zweite Themenbereich, „Vom Wesen, Werden und Weisung
des Judentums" überschrieben, umfaßt Arbeiten, in denen
es zunächst um jüdische Selbstverständigung geht und die daher
mit Reflexionen über ..Jüdische Identität und jüdische Lehre"
(65-78), einer Antwort auf die problembehaftcte Frage: Wer ist
ein Jude? beginnen. Im Zentrum stehen folgerichtig zum einen
„Die Problematik jüdischer Theologie" (79-86), nicht nur im
Sinne einer Rechenschaft über das eigene Tun des Autors, sondern
zugleich als der Versuch, die Demarkationslinie zur christlichen
Theologie hin zu ziehen. Den Hauptunterschied sieht der
VI. darin, daß christliche Theologie „eine Identität von Gott und
seinem Wort statuiert" (Inkarnation), während jüdische Theologie
„die Rede vom redenden Gott" bleibt. Und zum anderen
werden Gedanken zum Bezug des Judentums zur Geschichte im
allgemeinen und zum Staat Israel im besonderen ausgebreitet:
„Die ersten vierzig Jahre" (108-118), „Neuanlange jüdischen
Lebens im Lande Israel" (I 19-129) und „Judenstaat oder jüdischer
Staat" (130-144).

Im dritten Teil „Von Wegen, Umwegen, Irrwegen der christlich
-jüdischen Begegnung" schließlich ist es dem Autor um eine
Bilanz des christlich-jüdischen Gesprächs zu tun: „Im dialogischen
Leben - Ernte eines halben Jahrhunderts" (191-202) ist
zugleich die persönliche Rechenschaft über ein halbes Jahrhundert
. Sodann wendet sich der Autor einerseits aktuellen oder
besser: aktuell gewesenen Problemen zu, die das christlich-jüdische
Verhältnis belastet haben (z.B. zum Streif über das Karme-
litinnenkloster in Auschwitz 1228-2301 oder zur Seligsprechung
von Edith Stein [23lfj), und setzt andererseits seine Studien /ti
neutestamentlichen Themen fort, insbesondere zum jüdischen
Jesusbild (259-264, 265-268. 269-272) und dem Problem des
christlichen Antijudaismus (239-241 und 273-279 am Beispiel
der Oberammergauer Passionsspiele).

Sicher sind Ben-Chorins Aufsätze insgesamt noch immer eine
durchaus anregende und aufschlußreiche Lektüre; dennoch ist so
mancher darin geäußerte Gedanke (dies gilt insbesondere im