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Ausgabe:

1993

Spalte:

585-587

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Leviticus 1 - 16 1993

Rezensent:

Herrmann, Wolfram

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 7/8

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pluralistische Grundsituation in der Bundesrepublik Deutschland ZU wenig
ernst, überschätzt die Kompetenz des demokratischen Staats in Fragen der
Daseins- und Wertorientierung und unterschätzt die Bedeutung der liturgischen
und diakonischen Dimension von Religion.64

4.4. Das hier vorgetragene Konzept der Nachbarschaft von
Schule und Gemeinde hal auch Konsequenzen für die Gestaltung
der Ausbildung künftiger Religionslehrerinnen und Religionslehrer
und Pfarrerinnen und Pfarrer:

- Zum ersten erfordert die Nachbarschaft von Schule und
Gemeinde eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von Pfarrerinnen
und Pfarrern und Lehrerinnen und Lehrern vor Ort. Dazu ist
es hilfreich, daß beide Gruppen in ihrer Ausbildung möglichst
enge Kontakte haben. Die in den alten Bundesländern häufig
anzutreffende, institutionelle Trennung der Studiengänge entspricht
einer Trennung von Lehrer- und Pfarrerausbildung, die
im Gegensatz zum geistlichen Schulregiment und seinen Nachwirkungen
zwar ein historisches Recht hat, inzwischen aberdys-
funktional zu werden droht. Nach den Ergebnissen des Projekts
..Nachbarschaft von Schule und Gemeinde"65 waren erstaunli-
cherweisc vor allem die Lehrerinnen und Lehrer an einer solchen
Kooperation interessiert. Die Pfarrerinnen und Pfarrer waren
dagegen sehr viel reservierter. Angesichts der gemeindepädagogischen
Probleme ist es aber unerläßlich, daß sich künftige
Planer und Pfarrerinnen intensiv mit dem Lernorl Schule
beschäftigen und die Verantwortung christlicher Gemeinde auch
Rlr die schulische Bildung vor Ort wahrnehmen können.

- Ein guter Ort für solche Begegnungen von künftigen Religionslehrerinnen
und Religionslehrern und Plärrerinnen tind Pfarrern
können Angebote sein, die dem weitgehenden Ausfall religiöser
Erziehung in den Familien Rechnung tragen. Es ist m.E.
eine der wichtigsten Aufgaben theologischer Ausbildungsstätten
, Veranstaltungsformen zu entwickeln, in denen Studierende
gemeinsam f ormen spirituellen Lehens, also der ganzheitliehen
Wahrnehmung von Welt und Leben als Geschenk Gottes, entdecken
können.66

- Schließlich erfordert das Konzept der Nachbarschaft von
Schule und Gemeinde mit der geforderten Interdisziplinarität
des Religionsunterrichts eine enge Zusammenarbeit zwischen
Religionspädagogik und allgemeiner Erziehungswissenschaft
und den Fachdidaktiken. Im Interesse der künftigen Schülerinnen
und Schüler müssen - neben gemeinsamen Forschungen
interdisziplinäre Lehrveranstaltungen stalllinden, in denen gemeinsam
der Grundfrage nach dem Überleben der Menschheit
nachgegangen wird. Wir können uns die „friedliche Koexistenz
auf der Basis der gegenseitigen Irrelevanz" schlichtweg nicht
mehr leisten.

Jugend und Sport, Gemeinsam leben lernen: Modellversuch des Landes
Brandenburg zu einem neuen Lernbereich und Unterrichtsfach „Lebensge-
staltung - Kthik - Religion". Grundsatzpapier für die Öffentliche Diskussion,
o.J.).

64 Vgl. auch die Stellungnahme von I. Baklermann in: ChL 45. 1992,
215-217.

fi<i S. Kaufmann. a.a.O. (Anm. 46).

66 Vgl. Chr. Grethlein. Christliche Lebensformen-Spiritualität, in: Glaube
und Lernen 6. 1991. 1 11-120.

Altes Testament

Milgrom, Jacob: Leviticus 1-16. A New Translation with Intro-
duetion and Commentary. New York-London-Toronto-Syd-
ney-Auckland: Doublcday 1991. XIX, 1163 S. gr.8» = The
Anchor Bible. Lw. $ 42.-.

Diese Kommentierung des Buches Leviticus, dessen Text,
wie der Vf. sagt, in einem sehr guten Erhaltungszustand vorliegt
, wuchs sich zu einem voluminösen Werk aus. schon in
ihrem ersten, die Kapitel 1-16 behandelnden Teil. M. unterscheidet
zwei priesterliehe Oucllcn: P und H. Er nahm die Trennung
in zwei Teilbändc deshalb vor, weil die Kap. 1-16 vornehmlich
P, die Kap. 17-27 dagegen H repräsentieren, aber natürlich
auch wegen des Umfangs.

Mehr als in anderer Hinsicht, geht er redaktionskritisch vor
und arbeitet in erster Linie synchronisch, indem er darauf verzichtet
, das Corpus in literarische Schichten zu zerlegen. Vielmehr
bespricht er jede Einheit als geschlossenes Gebilde und
versucht zu zeigen, wie ihre Abschnitte aufeinander bezogen
sind. Immerhin gebe es Nahtstellen, die ältere Stadien des Werdens
erkennen lassen. Dennoch rechtfertigen stilistische, grammatische
und terminologische Unebenheiten allein nicht die
Annahme von mehr als einer Ouelle. Dazu müßten weitere
Beobachtungen treten, nämlich störende und unvereinbare Ungereimtheiten
und Widersprüche. Erst dann sei die Hypothese
mehrerer Schichten zu bedenken.

Die P zugehörigen Texte meint M. aus vorexilischer Zeit herleiten
zu können. H sei jünger als P und habe dieses Überlieferungsgut
in Leviticus redigiert. Selbst D sei abhängig von P,
worin bereits die Existenz und Legitimität der Profanschlachtung
vorausgesetzt sei. D hänge hierin von P ab und wende sich

gegen H, das sie habe abschaffen wollen. Abgesehen von der
zeitlichen Ansetzung sind die Ausführungen über die Frage,
welches das zentrale Heiligtum war, durchaus lesenswert.

M. äußert sich dann zu Vokabular, Stil und Struktur. In dem
Zusammenhang beklagt er, daß die Einleitungen ins Alte Testament
in ihren Listen über den Sprachgebrauch so gut wie nicht
zwischen P und H unterscheiden, und trägt Gegenargumente
vor. Hinsichtlich ihrer Theologie differieren P und H, außer in
der Auffassung über Heiligkeit und Unreinheit, kaum. H. artikuliere
und führe aus, was in P angelegt bzw. latent vorhanden sei.
An die Stelle der unheilschwangeren Dämonenwelt sei in der
Vorstellung von P der Mensch getreten, der Gott aus dem Heiligtum
treiben könne, indem er es durch seine rituellen und
moralischen Verfehlungen verunreinige. Der Vf. legt Wert darauf
, den Lcv innewohnenden Kontrast zu den sog. heidnischen
Praktiken herauszuarbeiten. Danach geht er auf den speziellen
Charakter des Priesters in der Sicht von P ein und die Art, wie
von Gott geredet wird. Es schließen sich Darlegungen über die
literarischen Schichten, die Redaktion und Ergänzungen in Lev
1-16 an. Es heißt, alle Gesetze, die Mose am Sinai offenbart
wurden, nähmen das Zentrum des Pentateuchs ein und seien
deshalb die Grundlage von Israels Leben.

Schließlich nimmt M. das Wort zu ihm vorangegangenen
Kommentatoren. Er stützte sich, wie er selbst betont, auf die
jüdischen, bislang meist nur Hebräisch oder Arabisch zugänglichen
Exegeten des Mittelalters. Hierin hat vorliegender Kommentar
eine entscheidende Gewichtung.

Angemerkt sei, daß der Autor ein außerordentlich umfangreiches
Literaturverzeichnis mit über 900 Titeln bietet, den Beschluß
79 Seiten Indices bilden und die Abkürzungen, verglichen
mit Schwertner, in nicht wenigen Fällen eigene Wege
gehen (man sollte doch zu einem Übereinkommen finden).

Die Auslegung befolgt bei jedem Passus einen Dreierschritt:
Translation. Notes (Exegetisches zu den einzelnen Versen).