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Ausgabe:

1993

Spalte:

35

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Horst, Pieter Willem van der

Titel/Untertitel:

Essays on the Jewish world of early Christianity 1993

Rezensent:

Holtz, Traugott

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 1

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So wäre es interessant, den vom Kommentator gemachten
Beobachtungen mit Analysen von einem rhetorischen Gesichtspunkt
her zu folgen. Dabei könnte auch noch eingehender, als
unser Verfasser es tut (und er macht doch beachtliche Ansätze
dazu!) danach gefragt werden, wie das Argument entwickelt
wird und wie somit der Zuhörer/Leser schrittweise beeinflußt
wird.

So deutet m.E. die Angriffsweise des Vf.s in eine Richtung,
die weiter verfolgt werden sollte. Aber der Hebr-Kommentar
von H.-F. Weiß wird lange ein Meilenstein sein, an dem kein
vernünftiger Hebr-Ausleger vorbeigehen soll, ohne ihm genaue
Aufmerksamkeit zu widmen.

Schließlich nur einige Einzelheiten: Im Übergang von S. 250
zu S. 251 ist eine Zeile ausgefallen; S. 258, Z. 6 und Fußnote
18 wird ein prohibitiver Konjunktiv etwas uneigentlich als Imperativ
bezeichnet; wenn auf S. 752, Z. 4 von unten, im Ausdruck
„Gott des Friedens" der Genitiv nicht nur als qualitativ
bezeichnet wird, sondern auch als ein gen. auctoris, trifft wohl
letzteres kaum zu; S. 15 sollte wohl in dem Kommentarverzeichnis
auch der von O. Michel stehen.

Uppsala Lars Hartmann

Horst, Pieter W. van der: Essays on the Jewish World of Early
Christianity. Freiburg/Schwciz: Universitätsverlag; Göttingen
: Vandenhoeck & Ruprecht 1990. 255 S. gr.8« = Novum
Testamentum et Orbis Antiquus, 14. ISBN 3-7278-0683-4,
ISBN 3-525-53915-0.

Der um die Erarbeitung eines Corpus hellenisticum zum NT
verdiente Autor legt hier eine Sammlung von Studien zur Literatur
und Geschichte des antiken Judentums vor; er konzentriert
sein Interesse bewußt nicht auf dessen "mainstream",
denn gerade in den oft unbeachteten Nischen finden sich nach
seinem Urteil Schätze.

Natürlich PsPhokylides, der Tragiker Ezechiel und andere
"Minor Hellenistic Jewish Authros", TestJob, PsPhilon, Texte
der jüdischen Mystik, Inschriften sowie auch die antikjüdische
und frühchristliche Literatur insgesamt sind Gegenstand seiner
Untersuchungen, die größtenteils straff thematisch ausgerichtet
sind ("catchwords: ethics, women's studies, mysticism, diaspora,
use of Scripture, anthropology"). Die Mehrheit der Arbeiten ist
1978-89 erschienen, einige sind überarbeitet, eine aus dem Niederländischen
übersetzt. Erstmals gedruckt sind die Beiträge
zum (überraschend positiven) Bild von Frauen der Bibel in
PsPhilon und zur Gestalt des Nimrod in der nachbiblischen Literatur
.

Eine straffe Einleitung führt in die Aufsätze und ihren Inhalt
ein (und korrigiert die Datierung des MS British Library 10675.
dessen' Erstübersetzung als bester Zeuge für Shiur Qomah kurz
kommentiert 123-135 vorgelegt wird, vom 10. auf das 18. Jh.).

Die Sammlung der vorzüglichen Arbeiten ist dankbar zu
begrüßen; der Vf. erweist sich erneut als würdiger Schüler seines
großen Lehrers W. C. van Unnik.

T. H.

Kirchengeschichte: Mittelalter

Burrows, Mark Stephen: Jean Gerson and De Consolatione
Theologiae (1418). The Consolation of a Biblical and Refor-
ming Theology for a Disordered Age. Tübingen: Mohr 1991.
XIV, 312 S. gr.8o = Beiträge zur historischen Theologie, 78.
Lw. DM 148 -. ISBN 3-16 145600-9.

Das vorliegende Buch baut auf einer Dissertation auf, die der
Autor 1988 bei der theologischen Fakultät der Universität Prin-

ceton eingereicht hat. Gegenstand der Forschungsarbeit ist die
Theologie Jean Gersons (t 1429), Magister theologiae, später
auch Kanzler der Universität Paris, der sich in Frankreich
selbst und noch weit darüber hinaus für die Beendigung des
Abendländischen Schismas (1378-1417) tatkräftig eingesetzt
und auf dem Konstanzer Konzil (1414-1418) eine wesentliche
Rolle gespielt hat.

Gersons sehr umfangreiches Oeuvre erfreut sich auch in unserer
Zeit noch eines weltweiten Interesses. Ein beredtes Zeugnis
dafür ist die Fülle von neuerlichen Publikationen. Die meisten
dieser Veröffentlichungen sind thematisch angeordnet und
behandeln anhand mehrer Traktate nur einen einzigen Aspekt
von Gersons theologischem Denken. Dabei wird stillschweigend
vorausgesetzt, daß dieses Gersonsche Denken im Laufe
seines ereignisreichen Lebens sich immer gleichgeblieben ist.
Mark S. Burrows hat sich jedoch für eine andere Verfahrensweise
entschieden, indem er seine Aufmerksamkeit auf nur ein
Werk konzentriert, ,De Consolatione Theologiae' (DCT), das
Gerson in der letzten Phase seines Lebens, kurz nach dem Konstanzer
Konzil (1418) und noch ganz unter dem Eindruck der
dort gemachten bitteren Erfahrungen, verfaßt hat.

Die ersten zwei Kapitel von Burrows' Buch haben einführenden
Charakter. Der Autor legt dar, wo er selber in der Gereon-
Forschung steht (Kap. 1) und erörtert die literarische Tradition,
zu der DCT gehört (Kap. 2). Anschließend geht er auf den spezifischen
Charakter der in diesem Werk vorgetragenen Theologie
ein und beschreibt nacheinander den pastoralen und .paideuti-
schen' Einschlag (Kap. 3) sowie die methodischen Grundlagen
(Kap. 4). Erst nach all dieser Vorarbeit werden die inhaltlichen
Aspekte behandelt. In diesem, zweifellos wichtigsten Teil von
Burrows' Buch wird zuerst die Soteriologie (Kap. 5) und anschließend
die Ekklesiologie (Kap. 6) der DCT analysiert. In
einem Schlußkapitel (Kap. 7) faßt der Autor die Ergebnisse und
Schlußfolgerungen seiner Forschungen zusammen.

Die wichtigste These des Buches ist die, daß der späte Gerson
, wie der Inhalt der DCT erkennen läßt, die urpsrünglich von
ihm vorgetragene Gnaden-Theologie modifiziert hat und daß
diese Entwicklung in seinem Denken als eine Reaktion auf Johannes
Hus' (tl415) Lehrsätze verstanden werden muß, mit
denen Gerson auf dem Konstanzer Konzil konfrontiert worden
war. Diese Zäsur in Gersons theologischem Denken ist in der
Forschung bisher unbeachtet geblieben. Namentlich unter dem
Einfluß Heiko Obermans ist Gerson immer unbekümmert in
die Tradition des sog. .gemäßigten Nominalismus' gestellt worden
- einer Strömung, deren geistiger Urheber Wilhelm von
Ockham (f 1349) war und deren Einfluß über Gabriel Biel
(t 1495) bis zur Zeit Luthers spürbar geblieben ist.

Der Terminus ,Nominalismus' ist in diesem Zusammenhang
nicht in epistemologischem Sinne, als eine bestimmte Erkenntnislehre
, zu verstehen. Er verweist auf eine theologische Grundauffassung
über Erlösung und Gnade. Ockham verteidigte eine
Sicht der Prädestination, nach der die menschliche Verantwortlichkeit
keinerlei Abbruch erleide. Um die moralische Autonomie
des menschlichen Subjekts nicht verlorengehen zu lassen,
ging er von einem ,Bund der Verdienstlichkeit' aus: Gott habe
sich freiwillig verpflichtet, des Menschen tugendhaftes Handeln
als verdienstvoll anzusehen und ihm aufgrund dieser
,merita de congruo' seine Gnade nicht vorzuenthalten. Die ewige
Vorherbestimmung legt Ockham aus als eine ,praedcstinatio
post praevisa merita'.

Burrows gelangt zu dem Urteil, daß Gerson dieser ockhami-
stischen Doktrin zweifellos lange Zeit angehangen, ihr aber in
seiner letzten Lebensperiode den Rücken zugewandt habe. So
huldige er, Gerson, in seiner DCT einer .praedestinatio ante praevisa
merita' und sei in seinen Betrachtungen von einem verdienstvollen
Handeln des Menschen nicht mehr die Rede. Aller