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Ausgabe:

1993

Spalte:

555-556

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Gossmann, Elsbe

Titel/Untertitel:

Schul-Gottesdienst 1993

Rezensent:

Kirste, Reinhard

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555

Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 6

556

Goßmann, Elsbe, u. Reinhard Bäcker: Schul-Gottesdienst.

Situationen wahrnehmen und gestalten. In Zusammenarb. mit
G. Strafe u. [. Vrsovsky. Gütersloh: Mohn 1992. 173 S. 8« =
Gemeindepädagogik, 7. Kart. DM 12,80. ISBN 3-579-
02829-4.

Das Comenius-Institut in Münster verantwortet die Reihe Gemeindepädagogik
, von der bisher im Gütersloher Verlagshaus
sieben Bände erschienen. Es geht um pädagogische Orientierung
für verschiedene Gruppen in den Gemeinden. Der Band 6:
Nachbarschaft von Schule und Gemeinde des ehemaligen Direktors
Hans Bernhard Kaufmann und einer Arbeitsgruppe des
Comenius-Instituts steckt im Rahmen für die Nachbarschaftsverbindungen
von Schule und Gemeinde ab, was auch für den
7. Band gilt.

Von gezielten Fragestellungen ausgehend (vgl. dazu bereits
Ulrich Beckers Vorwort, a.a.O. 8f) beschreiben die Vff. (im
Grande sind es vier) die Voraussetzungen des Schulgottesdienstes
in einem ersten Teil, um an Einzelsituationen die Chancen
und Gefahren in einem zweiten Teil zu erörtern, dem gewissermaßen
als Auflockerungs- (oder weiterer Konkretisierungsteil?)
Erfahrungsberichte („Geschichten") mit dem Schulgottesdienst
aus ganz unterschiedlichen Sichtweisen von Lehrer/innen und
Schulen folgen. So wird die Verantwortlichkeit für Planung und
Durchführung (vom Lehrer bzw. der Lehrerin) klar aufgezeigt.
Für die Leser/innen hilfreich ist auch, daß man einmal die geschichtliche
Entwicklung des Schulgottesdienstes in Deutschland
von der Vorreformation bis heute vorgeführt bekommt.
Dabei merkt man auch, welch belastete Geschichte der Schulgottesdienst
als Schulveranstaltung von Kirche oder als Kirche
in der Schule hat. Die religionspädagogische Bedeutung einer
solchen Feier im Rahmen des Schullebens macht hiereinen Teil
der Belastung wieder wett. Schließlich kann man sich übersichtlich
(auf die jeweiligen Bundesländer bezogen) den rechtlichen
Rahmen klarmachen, der wahrhaftig eine günstige Basis
für die Einrichtung und Durchführung von regelmäßigen Schulgottesdiensten
bietet.

Insgesamt will dieses Buch mit seinem starken praktischen
Erfahrungshintergrund Orientierungen für die eigene Schulgottesdienstarbeit
geben und letztlich auch in schwierigen Situationen
Mut machen. Kirchliche Distanziertheit und Ablehnung
einerseits korrespondieren - so stellen die Vff. immer wieder
heraus - mit großer religiöser Offenheit, deren teilweise vagabundierender
Charakter im Schulgottesdienst zumindest einen
Focus finden kann. Daß der Religionsunterricht in diesem
Zusammenhang in eine Schlüsselstellung gerät, sei nur am Rande
bemerkt, ebenfalls daß die Religionslehrer/innen hier in
besonderer, aber auch Mut machender Weise gefordert sind.

Wer also dies Buch in die Hand genommen hat. um Schulgottesdienstmodelle
zu entdecken und sich in dieser Hinsicht für seine
Praxis anregen zu lassen, wird enttäuscht sein: er/sie findet
nämlich in diesem Band keinen Schulgottesdienst und nur einige
wenige Beispieltexte. Wer sich aber dem Thema Schulgottesdienst
annähern will, wer bereit ist, die eigenen Be-dingungen
und Chancen für den Schulgottesdienst an seiner/ ihrer Schule
ernsthaft zu prüfen, erhält tatsächlich viele Hilfestellungen. Viele
Gesichtspunkte finden jedoch keine systematische Aufarbeitung,
insbesondere wäre eine weitere Klärung des Begriffes Schulgottesdienst
im Sinne von Schülergottesdienst oder Gottesdienst
einer (möglichen sich entwickelnden) Schulgemeinde von
Schüler/innen, Lehrer/innen und Eltern) nötig gewesen. Auch
was das Klima für einen Schulgottesdienst betrifft, geht das Buch
nicht systematisch auf die verschiedenen Situationen ein, vielmehr
anhand von Berichten aus verschiedenen Schultypen. Je
nachdem ob man diesen Teil aus der Perspektive einer Schule
liest, die dem Christentum einen angemessenen Raum gewährt
oder Schulgottesdienst, insbesondere in seiner kirchlichen Nähe

als unpassend oder gar störend empfindet, je nachdem ob die
Kooperation zwischen Kirchengemeinde und Schule einigermaßen
klappt, personale Verbindungen da sind oder der Pfarrer
/die Pfarrrin als Fremdkörper empfunden wird, verschiebt sich
das Beurteilungsergebnis erheblich.

Die Äußerungen von Schüler/innen und Lehrer/innen haben
jedoch insgesamt eine positive Tendenz für den Gottesdienst in
bzw. mit der Schule, allerdings können sie eigene Erfahrungen
eben nicht ersetzen. Auch muß man fragen, ob man Schulgottesdienste
in den Rahmen von „Glauben weitergeben" setzen
sollte (64). Selbst wenn es religionspädagogische Gründe dafür
gibt, klingt doch die Weitergabe des Glaubens so, als sei dieser
etwas Unveränderliches und würde sich in der Situation der
Schule nicht wandeln. Gerade die Fülle unterschiedlicher Gottesdienstbeispiele
in anderen Büchern zeigt, wie sich offensichtlich
an manchen Schulen neue Formen von Spiritualität
entwickeln, die sich tatsächlich zuweilen im Grenzbereich
kirchlicher Religiosität ansiedeln. Diese Frage muß umso deutlicher
gestellt werden, als in vielen Schulen die Zahl der zu keiner
Kirche gehörenden Schüler/innen (man denke an die neuen
Bundesländer, aber keineswegs nur dort!) und die Schüler/
innen einer anderen Religion (überwiegend des Islam) ganz
neue Überlegungen von Besinnung, Meditation. Andacht, Feier
und Gottesdienst in der Schule faktisch erzwingen. Der Rez. als
einer, der seit vielen Jahren mit Freude in diesem Feld arbeitet,
hätte sich gewünscht, wenn die Vff. im Sinne eines ökumenischen
/interkulturellen Lernens im Schulleben Weichen in die
Zukunft gestellt hätten.

Wie dem auch sei: Es ist zu begrüßen, daß ein solches zum
Nachdenken anregendes Buch auf den Markt gekommen ist, in
dem sich eine offene Kirche vorstellt, die ihre Wunschvorstellungen
benennt und hofft (wie es das Zitat von Dom Helder
Camara am Schluß ausdrückt), daß sich ein Traum, den viele
träumen, auch realisieren läßt (a.a.O. 173). Die Chancen der
Realisierung stehen gar nicht einmal schlecht, aber die Schritte
zu einer neuen Praxis sollten nicht zu langsam erfolgen (22), ist
sie doch teilweise schon eingetreten (manchmal sogar an den
Gemeinden vorbei) und an anderen Stellen längst überfällig.

Nachrodt Reinhard Kirste

Kaufmann, Hans Bernhard: Die Christen und die Schule in
staatlicher und in freier Trägerschaft. Neukirchen-Vluyn:
Schriftenmissions-Verlag 1989. 112 S 8» = ABCteam. Kart.
DM 12,80.

Seit Ende des 18. Jh.s hat sich in Deutschland das Faktum
entwickelt, daß „die Schule unter Aufsicht des Staates" steht,
d.h. dominant sind die öffentlichen Schulen, seien sie staatlich
oder kommunal. Danehen gibt es nur einen kleinen Prozentsatz
(6%) von Schulen in nichtstaatlicher Trägerschaft, vorrangig
Schulen in katholischer oder evangelischer Trägerschaft, aber
auch Landerziehungsheime und freie Waldorfschulen (die sich
im letzten Jahrzehnt eines besonderen Zuspruchs eil reuen). Die
vorliegende Veröffentlichung stellt sich aspektreich dem Problem
, welchen Auftrag Christen in staatlichen und nichtslaalli-
chen Schulen haben. Der erste Abschnitt widmet sich dem Thema
„freie Schulen": bildungspolitisch-rcchtlich-pädagogisch
(7-31), wobei Kultusminister und Bildungsforscher zu Wort
kommen und statistische Angaben das Problem deutlich machen
. Die Wiedergabe eines „Studiogesprächs" zeigt die Notwendigkeit
evangelischer Schulen; im Anschluß daran wird
aber auch deutlich, wie unterschiedlich die ev. Landeskirchen
reagieren (dabei ist besonders bedenklich, wie die Bedeutung
landeskirehlieher Schulen positiv, aber die Gründun» evangeli-
kaler Schulen durch engagierte Eltern negativ bewertet wer-