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Ausgabe:

1993

Spalte:

31-33

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Webb, Robert L.

Titel/Untertitel:

John the baptizer and prophet 1993

Rezensent:

Becker, Jürgen

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 1

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Den fiinfgliedrigen Katalog in 2Kor 12,10 nennt E. (der in
2Kor 10-13 den „Tränenbrief' sieht) einen „allgemeinen Peri-
stasenkatalog", der - ähnlich wie es sich beispielsweise auch
bei Seneca finde - das Gegenüber von Peristase und göttlicher
Kraft ausspreche (179-183). In Weiterführung dieses Ansatzes
stelle sich Paulus dann in 2Kor 4,7-12 (innerhalb des „Versöhnungsbriefes
") als „Werkzeug Christi" vor: „Während die Verkündiger
vom Typ des ,Mose' außerordentliche Phänomene als
,Offenbarung' weitergeben und damit sich selbst zur Schau
stellen, die eigentliche Christusbegegnung aber verhindern,
wird der nach außen wenig eindrucksvolle Paulus von Gott dadurch
als ,Offenbarungsträger' gebraucht, daß er selbst christuskonform
lebt und leidet" (240). Mit dem Katalog in 2Kor
6,4-10, den E. sehr eingehend analysiert (243-330), zeige sich
Paulus den Adressaten als „Tatzeuge" entsprechend der philosophischen
Maxime, daß der Lehrer „in eigener Person Paradigma
' der überlieferten und von ihm vertretenen Lehre werden
" soll (248, von E. am Beispiel vor allem von Epiktet Diss
III 24, HOff erläutert). Dabei sei die pauschal auf eine bestimmte
Tugend (Gerechtigkeit) bezogene Waffensymbolik in
6,7c aus stoisch-kynischer Tradition zu erklären: Der Apostel
stelle sich „als ein Mensch vor, der die Idealhaltung der Gerechtigkeit
internalisiert hat und dessen Reaktionen auf die diversen
Widerfahrnisse des Lebens von dieser Idealhaltung bestimmt
sind" (268); die Hervorhebung gerade der Gerechtigkeit
als Haupttugend verdanke sich der Tradition der „Regenten-
spiegel"(274).

In einer gewissen Nähe zu IKor 4,1 lf stehe der kleine Katalog
von Phil 4,12. Es handele sich ähnlich wie in 2Kor 6,8 um
einen „Adiaphorakatalog", in dem „negativen Extremsituationen
die positiven Entsprechungen" gegenübergestellt würden
(337); mit Hilfe dieser Form des Peristasenkatalogs wolle Paulus
seine „Autarkie" (V. 11) exemplifizieren (343). Auffallend
sei die intensive Verwendung von Begriffen aus der Banken-
und Wirtschaftssprache, die mit den ursrünglich bestehenden
finanziellen Verbindungen zwischen Paulus und Philippi zu tun
habe: Sei Paulus in Gal 6,6 von einer „Gütergemeinschaft"
zwischen dem Lehrer und der Gemeinde ausgegangen, so sehe
er sich - möglicherweise aufgrund der Erfahrungen mit Korinth
- veranlaßt, „die begeisterten Freundschaftsbezeugungen aus
Philippi durch die massive Darstellung seiner Autarkie" zurückzuschrauben
(364) - eine Auslegung, die natürlich die Spätdatierung
des Phil voraussetzt.

Unter der Überschrift „Die Peristasen als Nagelprobe" behandelt
E. als letztes Rom 8,31-39 (365-386). In 8,35 gehe es
„nicht um bereits durchlittene, sondern um potentielle Peristasen
" (373); in Verbindung mit dem Psalmzitat in 8,36 diene dieser
Katalog Paulus dazu, „die Peristasen schriftgemäß als Kennzeichen
des leidenden Gerechten" im Sinne der Rechtfertigung
des Gottlosen zu erweisen (385): Gerade in den Peristasen zeige
sich „das ,Gleichgestaltetwerden' mit Christus" (386).

Die „Zusammenfassung" (387-397) listet die verschiedenen
Ergebnisse klar überschaubar auf; Literaturverzeichnis und
mehrere Register beschließen den Band, auf den jede weitere
Beschäftigung mit den Peristasenkatalogen bei Paulus wird zurückgreifen
müssen.

Bethel Andreas Lindemann

Webb, Robert L.: John the Baptizer and Prophet. A Socio-
Historical Study. Sheffield: JSOT Press 1991. 446 S. 80 =
Journal for the Study of the New Testament, Suppl.Series 62.
Lw.£35.-.

In den letzten Jahren entstanden vielleicht mehr wissenschaftliche
Untersuchungen über Johannes den Täufer als über

Jesus von Nazareth. Angesichts der relativ schmalen Überlieferung
zum Täufer sollte es darum nicht verwundern, wenn Webb
seine Ausführungen so einschätzt: "Many of these contributions
are not startlingly new..., for they build upon and extend the
work of many scholars. But this work does contribute new argu-
ments and new appreciations of the data to support a particular
understanding of John" (379). Dazu hat der Autor die Quellen
(Evangelien und Josephus) neu besprochen und die Sekundärliteratur
ausführlich gesammelt und gründlich bedacht. Doch fällt
auf, daß er so qualifizierte Ausführungen wie z.B. die von H.
Merklein: Jesu Botschaft von der Gottesherrschaft 11983; 31989,
und G. Theißen: Lokalkolorit und Zeitgeschichte in den Evangelien
, 1989, 85ff., nicht benutzte. K. Backhaus: Die „Jüngerkreise
" des Täufers Johannes, 1991, konnte er nicht mehr einsehen.

Worin besteht das besondere Verständnis des Täufers, das
Webb fördern will? Er möchte durch eine sozio-historische Untersuchung
die Rolle des Johannes als Täufer und Prophet analysieren
. Der Täufer wird also nicht von einem besonderen Verkündigungsinhalt
und seiner besonderen Auftrittsweise (Kleidung
, Speise) her erfaßt, sondern in seiner sozialen, kulturellen
und historischen Typik begriffen und in das Prophetentum der
Periode des zweiten Tempels eingeordnet. Auch eine Diskussion
, wie das Verhältnis von Jesus von Nazareth zum Täufer ausgesehen
haben mag, bleibt ausgespart. Wer auf das Besondere
des Täufers abhebt, wird in die Gefahr geraten können, ihn aus
seinem geschichtlichen Umfeld zu stark zu isolieren. Wer das
Typische aufweisen will, wird umgekehrt dem Druck zu widerstehen
haben, den Täufer zu sehr einzuebnen. Den Täufer in
einer Balance zwischen beiden Sichtweisen darzustellen und
diese synchrone Sicht durch die diachrone seiner Rezeptionsund
Wirkungsgeschichte (Backhaus u.a.) sowie seiner religiös-
traditionsgeschichtlichen Herkunft (St. von Dobbeler u.a.) zu
komplettieren, sollte das eigentliche Ziel einer Darstellung sein.

Blickt man auf dieses begrenzte Ziel der Ausführungen von
Webb, so lassen sich seine Thesen so beschreiben: Die Taufe
des Johannes läßt sich sehr schön mit ihren zwei Funktionen
als "repentance-baptism which mediated forgiveness" (194)
aus der Anschauung der Zeit erklären. Im Blick auf die Getauften
möchte Webb folgern, daß der Täufer eine Wiederherstellung
des wahren Israel im Blick hat, also "a restoration of a
corporate body" (198f), so daß die Taufe als ein Initiationsritus
zu verstehen ist. Doch hier schlägt der Blick auf die "secterian
movements" (199) mehr durch, als es der Beschreibung des
Täufers zuträglich ist. Webb muß selbst notieren, daß Johannes
für die Getauften keinen gemeinsamen Gruppennamen benutzt
(202) und diese auch nicht alle gleichzeitig um sich sammelt
(365). Auch die Feststellung, Johannes habe nicht nur in der
Wüste gepredigt, sondern sei zu den Leuten in die Dörfer gegangen
(363), ist reine Phantasie. Der Täufer gleicht hier Ban-
nus (Josephus vita 7-12). Wie zu ihm, so kommen die Menschen
zum Täufer. Sie bleiben eine begrenzte Zeit bei ihm und
gehen dann wieder zu ihren Orten.

Neben der Taufe interessiert Webb das Prophetentum des
Täufers. Darum vergleicht er ihn mit den prophetischen Gestalten
des Frühjudentums. Das Verständnis eines Propheten läßt
er sich dabei recht einseitig von Josephus vorgeben: Prophet
ist, wer Zukunft vorhersagt und bei Josephus als Prophet bezeichnet
ist. Weder das Prophetieverständnis der späten Schriften
des hebräischen Kanons noch etwa der Lehrer der Gerechtigkeit
(1QH) werden für eine Definition ernsthaft herangezogen
. Webb benutzt dann eine phänotypische Einteilung der Propheten
nach "social factors" und "elements of their strategy and
ideology" (317). Dabei gerät Johannes in die Nähe der messiani-
schen Exoduspropheten wie dem Samaritaner (Josephus, Ant
18.85ff) und Theudas (Ant 20,97f). Diese Nähe wird vor allem
durch zwei Hypothesen begründet, nämlich daß der Täufer das