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1993

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 6

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es dem Vf. nicht immer gelingt, die Bedeutung Tholucks im
theologiegeschichtlichen Kontext herauszuarbeiten.

Im /weiten Kapitel, das ..die Entstehung der ,Lehre von der
Sünde'" untersucht, konzentriert sich der Vf. erneut auf biographische
und autobiographische Fragen. Obwohl er die Wichtigkeit
der „Umstellungen, Streichungen und Ergänzungen in der
zweiten Auflage" (41) hervorhebt, zitiert er in der Regel nach
der ersten Auflage. Das liegt an seiner These, daß die Abänderungen
der zweiten Auflage, motiviert vor allem durch die Kritik
von Zeitgenossen, eher „widerwillig" vollzogen worden sind
(vgl. 53, 67, 74).

Im dritten Kapitel analysiert der Vf. die Schrift von 1823 in
beiden Auflagen, die er mit dem Begriff „soteriologische Theologie
" (44) zusammenfaßt. Er stellt den Gedankengang Tholucks
dar und vergleicht den Text der ersten und zweiten Aufl. Eine
theologische Entwicklung sieht er in der „Absage an den Semipe-
lagianismus" (86), den Tholuck in der ersten Aufl. vertreten habe
(73). Auch hier fällt wieder auf, wie wenig der Vf. daran interessiert
ist, die Theologie Tholucks in den Zusammenhang der theologischen
Entwicklungen des 18. u. 19. Jh.s einzuordnen.

Im vierten Kapitel wird ein Vergleich mit Aussagen zur
„soteriologischen Theologie im Römerbriefkommentar (1824
und 1828)" unternommen.

Die letzten beiden Kapitel konzentrieren sich auf das Thema
..Offenbarung und Vernunft" und die Methodologie Tholucks.
In beiden Kapiteln charakterisiert der Vf. die Vorgehensweise
Tholucks als „progressive-finale Methode", die „beim Marginalen
anfängt, sodann Zwischenpositionen erörtert und schließlich
beim Zentralen endet." (4) Mit diesen Methoden gelänge es
Tholuck. ..einen theologischen Anknüpfungspunkt zu finden"
(46), den er aber im Verlauf der Diskussion wieder in Frage stellen
könne. Insofern ist die „Lehre von der Sünde" für den Vf.
„nicht nur ein erbaulicher Traktat" (1), sondern „eine Erwek-
kungsschrift für Akademiker" und als solche „eine anspruchsvolle
Theologie". (151)

So sehr es dem Vf. anzurechnen ist, daß er mit seiner Untersuchung
einen wichtigen Theologen des 19. Jh.s erneut zur
Sprache kommen läßt, so sehr ist es doch zu bedauern, daß er
der theologiegeschichtlichen Einordnung (in der Bibliographie
fehlen wichtige Standardwerke, etwa Mildenberger), sowohl
was die Wurzeln als auch was die Bedeutung Tholucks für die
Theologie des 19. Jh.s betrifft, nur geringe Aufmerkskamkeit
beimißt. Gerade die Besonderheit des Tholuckschen Ansatzes
bei der Sündenlehre hätte in dieser Hinsicht stärker herausgearbeitet
werden können.

Hinweise: S. 69 Anm. 115: Bei dem dem Vf. unbekannten Dichter des
..alten Liedes", aus dem Tholuck die Zeile „O große Noth, Gott selbst ist
todt" zitiert, handelt es sich um Johann Rist, dessen 16-strophiges Lied „O
Ewigkeit, du Donnerwort" in den ..Himmlischen Liedern" von 1642 veröffentlicht
wurde. Tholuck mag den Hinweis auf diesen Kirchengesang Hegel
verdanken, der ihn in den „Vorlesungen über die Philosophie der Religion"
(erstmals 1821 in Berlin) (auch er ohne Nennung des Dichternamens)
erwähnt.

S.l 19 Anm. 77: Der Vf. weist daraufhin, daß Tholuck Gregor von Nyssa
zitiere, versäumt es aber, dieses Zitat bei Gregor zu verifizieren. M.E. handelt
es sich um ein Zitat aus der Schrift ..Gegen Eunomius". Im Abschnitt
„Antworten zu Eunomius zweiten Buches" verwendet Gregor das Beispiel
der Zeichensprache, (vgl. Schaff, Vol. 5: Gregory of Nyssa. New York
1893. 2740.

Philadelphia Michael F. Möller

Visser, C. Ch. G.: Hollands Lutheraner. Geschichte und
Gegenwart. Erlangen: Martin-Luther-Verlag 1991. 184 S. m.
zahlr. Abb. 4<>. ISBN 3-87513-073-1.

Früh gelangten Luthers Gedanken auch in die Niederlande,
zunächst durch den Augustinerorden, dann durch Nachdrucke

und Übersetzungen seiner Schriften. So bildeten sich bald Gruppen
und Gemeinden, in erster Linie in den Handelszentren, wo
die Behörden geneigt waren, auf deutsche und skandinavische
Kaufleute Rücksicht zu nehmen. Bis zum Ende des 16. Jh.s hatten
die Spanier jedoch alle diese Gemeinden ausgelöscht. Lediglich
in den nördlichen Provinzen konnte das Luthertum weiterexistieren
, allerdings ständig bedrängt durch einen militanten
Calvinismus. Neben solchen äußeren Schwierigkeiten bedrohten
immer wieder beträchtliche innere Spannungen, nicht nur theologischer
Art, sondern auch aus finanziellen und sehr menschlichen
Gründen, die Einheit der kleinen lutherischen Kirche in
den Niederlanden. Aus Widerspruch gegen die „moderne"
Theologie der Aufklärung organisierte sich 1791 die Hersteide
Lutherische Kirche mit dem Zentrum Amsterdam. Erst 1952
fand man wieder zusammen. Der Anteil der Lutheraner an der
niederländischen Bevölkerung hatte in dieser Zeit allerdings
erheblich abgenommen 1971 betrug er nur noch 0,3 Prozent.
Auch deshalb beschloß die Leitung dieser Kirche 1985, an den
Vereinigungsgesprächen der beiden reformierten Kirchen in den
Niederlanden aktiv teilzunehmen.

Die reich bebilderte Darstellung dieser bewegten Geschichte
erschien erstmals 1983 in niederländischer Sprache. In 15
Abschnitten schildert der Autor locker, bisweilen freilich eher
annalistisch, die Ereignisse. Die theologiegeschichtlichen Zusammenhänge
werden sehr generell und oftmals allzu pauschal
behandelt; dasselbe gilt von den sozialen und politischen Prozessen
. Deshalb enttäuscht das Buch ein wenig, so informativ es
sicherlieh im Blick auf die innerkirchlichen Vorgänge ist. Denn
angesichts des Zusammenwachsens Europas und der auch dadurch
bedingten und geforderten Annäherung der Kirchen benötigen
wir dringend Darstellungen, die das Leben und Wirken,
die Theologie sowie die Struktur der Kirchen unseres Kontinents
uns möglichst gründlich im nationalen und internationalen
Kontext vor Augen führen.

Gießen Martin Greschat

Ambrosius von Mailand: Der Tod - ein Gut. Freiburg: Johannes Verlag
Einsiedeln 1992. 92 S. 8° = Christliche Meister, 44. Kart. DM 18.-. ISBN 3-
89411-309-X.

Asendorf, Ulrich: Rechtfertigung und Vergottung in Luthers Theologie
und als Brücke zur Orthodoxie (ÖR4I, 1992, 173-189).

Bajohr, Klaus: Fritz. Lieb (1892-1970) - ein vergessener Christ und
Sozialist (JK 53, 1992, 357-361).

Barth, Ulrich: Luthers Verständnis der Subjektivität des Glaubens
(NZSTh 34, 1992, 269-291).

Binder, Tuija: Maria in der finnischen Reformation. Michael Agricolas
Umgang mit der Bibel (In: Kvist, H.-O. |Hg.|: Bibelauslegung und Grup-
penidentität. Abo: Akadeinis Förlag 1992. 7- 19).

Brito, Emilio: Schleiermacher et la doctrine de la Trinite. Reflexions cri-
tiques (RTL 23, 1992, 321-342).

Grote, Heiner: Fortgang der Neuscholastik. Zur Aktualität eines Unmodernen
: Hans Barion (MDkl 42, 1991, 103-106).

Hansson, Karl-Johan: Palmcrons Sangpsaltare. En svensk 1600- tals-
handskrift, dess Ursprung, innehall och plats i spänningsfältet mellan refor-
mert och luthersk tradition. With a Mimmary in English. Abo: Abo Akade-
mis Förlag 1992. 254 S. 8°.

Imbach, Ruedi: Interesse am Mittelalter: Beobachtungen zur Historiographie
der mittelalterlichen Philosophie in den letzten hundertfünfzig Jahren
(ThQ 172, 1992, 196-207).

Koch, Traugott: Die Vernunft in der Theologie - in Auseinandersetzung
mit Martin Luther erörtert (NZSTh 34, 1992, 251-268).

Lüpke. Johannes von: Theologie als „Grammatik zur Sprache der heiligen
Schrift". Eine Studie zu Luthers Theologieverständnis (NZSTh 34,
1992. 227-250).

Maron, Gottfried: Ignatius von Loyola und wir Evangelischen (MDkl 42.
1991.87-91).

Molendijk, A. L.: F^ine „rätselhafte" Freundschaft. Die Korrespondenz
zwischen Heinrich Scholz und Karl Barth (Zeitschrift für dialektische Theologie
, 8, 1992, 75-98).