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Ausgabe:

1993

Spalte:

529-531

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Aschoff, Frank

Titel/Untertitel:

Der theologische Weg Johann Friedrich Kleukers 1993

Rezensent:

Voigt, Kerstin

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Theologische Literatur/eitung 1 IX. Jahrgang 1993 Nr. 6

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Lage nach 1945 in Ungarn, wo sich eine kommunistische Diktatur
entwickelte, und der Lage nach 1979 in England, wo Margaret
Thatcher die Regierung übernahm, sind extrem. Es werden
Gründe dafür genannt, „daß sich das Christentum in seinen
unterschiedlichen konfessionellen Ausprägungen im jeweils differierenden
nationalen und politischen Kontext in diesem Jahrhundert
einerseits gewiß als hemmende Kraft, aber andererseits
doch auch als vorantreibende Größe im Blick auf die Verwirklichung
demokratischer Zielsetzungen erwiesen hat" (XI). Die
Auswahl der 11 Themen bedeutet auch eine Begrenzung; andere
Themen hätten die Vielfalt noch vergrößert, z.B.: Die Bedeutung
des polnischen Katholizismus für die Demokratie, die Lage
der Lutherischen „Staatskirchen" in den nordeuropäischen Demokratien
, das Streben nach Demokratie in den katholischen
Ländern Lateinamerikas. Eine Begründung für die Auswahl der
Themen und ihre Reihenfolge wird nicht gegeben. Offenbar haben
chronologische, geographische und konfessionelle Gesichtspunkte
zusammengewirkt, um die Beiträge in folgender Reihenfolge
zu bringen:

Kurt Nowak: Protestantismus und Demokratie in Deutschland. Aspekte
der politischen Moderne (1-18); Armin Boyens: Die ökumenische Bewegung
und die totalitären Ideologien des 20. Jh.s (19-44); Jean-Marie May-
eur: Die französischen Katholiken und die Demokratie im 20. Jh. (45-59);
Juan J. Linz: Staat und Kirche in Spanien. Vom Bürgerkrieg bis zur Wiederkehr
der Demokratie (60-88); Paul Luykx: Niederländische Katholiken und
die Demokratie 1900-1960 (89-110); Willried Loth: Der Katholizismus und
die Durchsetzung der Demokratie in Deutschland (111-133); Mark R. Dor-
sett: Populistischer Konservativismus und elitärer Liberalismus? Margaret
Thatcher und die Führungskräfte der Church of England 1979 bis 1990
(134-149); Hartmut Lehmann: ..Die Freiheit eines jeden, auf seine Weise zu
Gott zu beten". Kirche und Demokratie in den Vereinigten Staaten von
Amerika im 20. Jh. (150-159); Guyla Cseri: Für eine freie Kirche im freien
Staat. Demokratie und Protestantismus in Ungarn von 1945 bis 1948 (160-
186); Lucian Hölscher: Kirchliche Demokratie und Frömmigkeitskultur im
deutschen Protestantismus (187-205); Kurt Nowak: Der Protestantismus in
Ostdeutschland. Erfahrungen und Schwierigkeiten auf dem Weg zur Demokratie
(206-218).

G. H.

Dogmen- und Theologiegeschichte

Aschoff, Frank: Der theologische Wen Johann Friedrich Kleu-
kers (1749-1827). Frankfurt/M.-Bcm-New York-Paris: Lang
1991. IX, 349 S. So = Europäische Hochschulschriften. Reihe
XXIII: Theologie, 436. Kart. DM 93,-. ISBN 3-631-44253-X.

Die von Hans-Joachim Birkner angeregte und 1990 in Kiel
als theol. Dissertation angenommene Arbeit von Frank Aschoff
„erhebt den Anspruch, eine umfassende Würdigung der Person
und des Werkes Kleukers vorzunehmen, wie sie bisher noch
nicht erfolgt ist" (I). Diesem Anspruch wird der Vf. voll gerecht
, gelingt es ihm doch, den in mühevoller und akribischer
Arbeit erschlossenen Nachlaß J. F. Kleukers (24.10.1749-
1.6.1827) in lebendiger, klarer Darstellung dem Leser nahezubringen
. Klcuker (= K.) gehört zu den zahlreichen „vergessenen
Theologen", jedoch hat er an der Wende des 18. Jh.s eine durchaus
bedeutsame Rolle an der Theologischen Fakultät der Universität
Kiel gespielt. Die Zeichung seines theologischen Weges
erweist sich in der vorliegenden Arbeit als gelungen in ihrer
Verbindung von theologischen und biographischen, soziologischen
, kirehen- und literaturgeschichtlichen Elementen, die
jeweils mit großer Umsicht herangezogen werden. Die Kapiteleinteilung
folgt im wesentlichen den verschiedenen Perioden in
K.s geistiger Entwicklung, so daß es gelegentlich Mühe bereitet,
den eigentlichen biographischen Daten zu folgen. Im I. Kap. (1-
17) der Arbeit wird zunächst der Frage nachgegangen, worin
sieh K.s Bedeutung im Urteil der Nachwelt zeigt. Der Vf. stellt 4

Schwerpunkte heraus, die in ihrer inneren Verknüpfung dann in
den folgenden Kapiteln genauer bestimmt werden. Es sind das:

1. K.s Verbindung mit wichtigen Persönlichkeiten der deutschen
Literatur und Philosophie (Herder. 1 lamann, Jacobi, Lava-
tcr. Claudius u.a.);

2. seine religionswissenschaftliche Leistung, die insbes. in
seiner Erforschung des Parsismus liegt;

3. sein Wirken als Apologet der Offenbarungstheologie;

4. seine Neigung zur Theosophie.

Das 2. Kap. (18-28) zeichnet K.s Kindheit. Schulzeit (1860
bis 1870) und Universitätsjahre (Göttingen, 1870-73) sowie die
ihn prägenden Ereignisse und Personen nach.

Im 3. Kap. (29-43) steht die Beziehung zwischen K. und Herder
im Mittelpunkt, K. ist Ende 1773 Hofmeister in Bückeburg,
als er Herder begegnet, dem er zahlreiche Anregungen zu literarischen
Arbeiten, die Bekanntschaft mit Hamann und seine
Berufung nach Lemgo (Ende 1775) verdankt. Abschließend
geht der Vf. auch den Gründen für die dann rasch zunehmende
geistige Entfernung zwischen beiden Männern nach.

Im 4. Kap. (44-94) werden die Anfänge K.s in Schule (Konrektor
in Lemgo, ab 1780 Rektor in Osnabrück) und Literatur
(Schulprogramme, Leben-Jesu-Darstellung, die erste deutsche
Plato-Übersetzung 1778-97 in 6 Bänden, die Übersetzung der
Salomo zugeschriebenen kanonischen Bücher des ATs und der
Pensees von Pascal, die Übertragung eines Werkes über die
Religion und Philosophie Indiens sowie seine Tätigkeit als Korrektor
der umstrittenen Übersetzung des NTs von C. F. Bahrdt
in 3. Aufl. und als kleiner Respondent im Fragmentenstreit) dargestellt
. Dabei erhält die K. widerfahrene lit. Kritik Raum, und
der Vf. gibt en passant interessante Einblicke in die deutsche
Literaturgeschichte. Das Kap. schließt mit der Darstellung von
K.s Mitarbeit im Lavater-Kreis und seinen daraus erwachsenen
Publikationen.

Das 5. Kap. (95-119) beschreibt die theosophische Periode in
K.s Leben, die 1783 einsetzt. Seine Mitgliedschall im Bund der
llluminaten, die Werkkommentierung des franz.Theosophen L. C.
de Saint-Martin. die preisgekrönte Abhandlung über die Stellung
der Kabbala in der Religions- und Philosophiegeschichte sowie
sein Engagement für die Publikation rel. Außenseiter prägen die
Jahre bis 1786; dann erfolgte K.s Bruch mit der Freimaurerei.

Seiner Wendung zur biblischen Apologetik ist das 6. Kap.
(120-188) gewidmet. 1785 hatte K. seine Dissertation vorgelegt,
doch seine literarische Auseinandersetzung mit damaligen philosophischen
und theologischen Autoritäten führte dazu, daß
seine Bemühungen um eine Anstellung im akademischen Amt
mehrfach fehlschlugen. K.s Freundeskreise (um F. H. Jacobi,
Düsseldorf; Fürstin Gallitzin. Münster und Hamann, Königsberg
) sowie die ihm daraus erwachsenen literarischen Projekte
werden unter Nutzung der Korrespondenz mit Umsicht dargestellt
. Dabei erweist sieh K.s Briefwechsel als eine vortreffliche
Quelle, aus der heraus mancherlei bisher ungeklärte Sachverhalte
schlüssig beantwortet werden können. K.s theologische Promotion
erfolgte 1791 in Helmstedt, 1798 erhielt er seine Berufung
zum o.Prof. der Theologie nach Kiel.

Der nun folgenden Kieler Periode widmet sieh das 7. Kap.
(189- 229). Zunächst werden die Umstände, die zu K.s Berufung
führten, auf ihrem zeitgeschichtlichen Hintergrund (Agendenstreit
1797/98 in Schleswig-H.) aufgeklärt. Danach wird ein
Überblick über K.s Lehrtätigkeit gegeben, die hauptsächlich
exegetische Kollegien umfaßte. Sein Stand innerhalb der Fakultät
war sowohl unter den Kollegen als auch gegenüber den Studenten
kein leichter. Es sehließt sich an ein Überblick über K.s
akademische Funktionen, seine literarische Tätigkeit und seine
Bestrebungen um Reform des theol. Prüfungswesens. Den Abschluß
dieses Kapitels bilden Untersuchungen zu K.s Rolle in
der Angelegenheit von Graf F. L. zu Stolbcrgs Konversion
sowie im sog. Hermes-Streit.