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Ausgabe:

1993

Spalte:

509-510

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Widyapranawa, S. H.

Titel/Untertitel:

The Lord is savior 1993

Rezensent:

Becker, Uwe

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Seite 1

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509

Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 6

510

der Rechtshandlung sei das auf den Schuh übertragene Motiv
des Fußes im Nacken des Feindes oder des Ausziehens des
Schuhs als Zeichen der Unterwerfung (cf. Ex 3,5; Ez 24,17
u.ö.). Das Selzen eines Kindes (inj die Knie (Rt 4,16) hat in Uga-
rith und Hatti Parallelen, wo die Eltern das neugeborene Kind
auf die Knie nehmen und den Namen des Kindes nennen, um so
rechtlich verbindlich zu dokumentieren, daß es sich um ein
rechtmäßiges Mitglied der Familie handelt. Der Vf. schließt seine
Untersuchung mit der Feststellung: "When this contextual
approach was applied in the analysis of the acts, it resulted, for
the most part, in discarding older interpretation because they
were based on historical explanations and not on proper analy-
ses of the literary contexts. In contrast, the contextual approach,
as outlined above, provided a more reliable foundation of under-
standing of these legal symbolic acts" (177).

Der Vf. hat eine sehr übersichtlich angelegte und stets klar
argumentierende Studie vorgelegt, deren Themenstellung ein
Desiderat war. Dennoch bleiben an einigen Stellen auch Alternativen
deutlich möglich, was nicht verwundert, da die symbolischen
Rechtshandlungen mit Ausnahme in Rt 4,7f im AT in
ihrer Bedeutung nicht erläutert werden. Dies sei an der symbolischen
Rechtshandlung des Schuhausziehens in Rt 4,7 und Dtn
25,9 verdeutlicht:

Wenn der Vf. Rt 4.7 auf die Ratiii/icrung einer vertraglichen Transaktion
deutet, so steht er vor der Schwierigkeit, daß es in Rt 4,8 nicht um ein Verlagsrecht
geht und keine Rechtsansprüche transferiert werden, da die Reihenfolge
der Löser von vornherein feststeht. Diese Schwierigkeit löst sich, wird
erkannt, daß in Rt 4.7 nicht die Ratifizierung eines Vertrages, sondern der
Austausch von Besitzrechten vornehmlich an Ackerland durch den Austausch
der Schuhe symbolisiert wird. Entsprechend verzichtet der Löser in Rt 4,8 auf
den Besitzanspruch auf das Erbland Elinielechs. In diesem Sinne ist auch Dtn
25,9 zu interpretieren. Dtn 25,5-10 regell einen Spezialfall der Leviratsinstitu-
tion. Im Falle der noch im ungeteilten Haushalt lebenden Brüder (Dtn 25,5)
lallt der potentielle Erbanteil des Verstorbenen automatisch an den Schwager
der Witwe. Es bedarf also nicht der für ihn nachteiligen Leviratsinstitution,
um das Erbteil zu übernehmen - vielmehr würde er sich langfristig schaden,
wenn er dafür Sorge trägt, daß die Linie des verstorbenen Bruders doch noch
fortgesetzt wird. In diesem Falle des ungeteilten Erbes wird ihm vor dem
Ortsgericht durch das Ausziehen des Schuhs der Besitzanspruch auf das
potentielle Erbe des verstorbenen Bruders entzogen und damit eine Versorgung
der Witwe gesichert. So ergibt sich ein konsistentes Bild der Belege in
Rut 4,7: 4,8 und Dtn 25,9.

Dem Vf. ist für die Monographie, die in der weiteren Arbeit
an der Rechtsgeschichte Israels einen festen Platz haben wird,
zu danken. Sie wird durch eine ausführliche Bibliographie und
ein Register abgeschlossen.

Mainz, Eckart Otto

Widyapranawa, S. FL: The Lord is Savior: Faith in National
Crisis. A Commentary on the Book of Isaiah 1-39. Grand
Rapids: Feldmans; Edinburgh: Handsei Press 1990. XIII, 264
S. 8° = International Theological Commentary. Kart. £6.75.

Der kleine Kommentar zum Protojesajabuch erscheint in
einer Reihe, die sich einerseits um eine bewußt theologische Interpretation
der atl. Bücher in christlichem Kontext bemüht und
andererseits durch ihre internationale Ausrichtung "the paro-
chialism of Western civilization" (X) überwinden möchte.

Bs entspricht tler Konzeption der Reihe, daß sieh der Autor.
Professor für Altes Testament in Indonesien, nicht an ein fach-
wissenschafüiches Publikum wendet. So bietet der Kommentar
im wesentlichen eine versweise vorgehende Erläuterung des
Bibeltextes mit überwiegend erbaulichem Interesse. Eine eigene
Ubersetzung ist der Auslegung nicht beigegeben; eine knappe
Auswahlbibliographie beschließt den Band.

Verständlicherweise steht die Erörterung historischer Fragen
(etwa die Einordnung der Verkündigung Jcsajas in die Zeitgeschichte
(Hier Probleme der Buchentstehung) nicht im Vordergrund
. Ein Maximalbestand der Worte wird für jesajanisch
gehalten; nur gelegentlich ist von einem "editor" der Prophetenworte
(etwa 11.22.77.167) oder von exilisch-nachexilischen
Erweiterungen die Rede (etwa bei Jes 24-27; 34f.). Ein geschlossenes
Bild von der Entstehung des Buches vermitteln diese
eher vagen Andeutungen indes nicht. So hätte sich der Leser,
vielleicht gerade der bibellesende „Laie", zur Orientierung eine
kleine historische Einführung in das Buch und die Botschaft des
Propheten Jesaja gewünscht.

Das Hauptgewicht der Auslegung liegt stattdessen auf der
Erklärung und Deutung einzelner theologischer Begriffe und
Vorstellungen. Fast immer wird eine Beziehung zum Neuen
Testament hergestellt. Häufig stößt der Leser auf meditativ-assoziative
Versuche, die Texte im Horizont gegenwärtiger christlicher
Welterfahrung zu verstehen, wobei sich der Autor vor
einer allzu leichtfertigen Aktualisierung hütet. Ein Beispiel: Aus
der Kultkritik Jesajas (1,10-20) könne die weltweite Christenheit
heute lernen, daß das Herz der Religion in der Liebe bestehe
und sie allein die Voraussetzung für ein friedliches Miteinander
bieten könne (vgl. 7f.). Gleichwohl bleiben solche Vergegenwärtigungen
merkwürdig blaß und allgemein, und man fragt
sich, worin denn jeweils das Spezifikum des jesajanisvhen Textes
liege.

Sosehr der Versuch einer gemeindenahen, theologischen Auslegung
, die nicht bei der Rekonstruktion der Historie stehenbleibt
, zu begrüßen ist, sowenig darf doch auf eine historische
und theologiegeschichtliehe Verankerung der einzelnen Texte
verzichtet werden. Die manchmal mühsame Frage nach dem
historischen Aussageprofil eines Texte bewahrt uns letztlich
davor, unsere eigenen Verständnisse und „Vorurteile" in ihn
hieinzulesen oder ihn als zeitloses Sprachmaterial für gegenwärtige
Glaubenserfahrung zu benutzen. Dieser Gefahr bleibt der
vorliegende Kommentar in vielen seiner gegenwartsbezogenen
Passagen nicht ganz enthoben.

Der Autor hat eine insgesamt engagierte, verständnisvolle
und auf gegenwärtige Glaubenserfahrung zielende Auslegung
vorgelegt, die zwar manches (auch methodische) Desiderat aufweist
, aber dennoch der angesprochenen Lesergruppe eine
brauchbare erste Orientierungshilfe bieten kann.

Marburg/Lahn Uwe Becker

Neues Testament

Bassler, Jouette M. [Ed.]: Pauline Theology. I: Thessalonians,
Philippians, Galatians, Philemon. Minneapolis: Fortress Press
1991. XIV, 289 S. gr.8o. ISBN 0-8006-2488-2.

Wie kann es gelingen, einen Zugang zum Verständnis der
paulinischen Theologie zu finden, der nicht von bestimmten systematischen
Voraussetzungen abhängig ist, sondern aus den
Ausführungen des Apostels selbst gewonnen wird, mit denen er
sich an verschiedene Gemeinden wendet? Mit dieser Frage hat
sich eine Arbeitsgruppe intensiv auseinandergesetzt, die 1985
als "The Pauline Theology Consultation of the Society of Bibli-
cal Literature" gegründet wurde. Referate und Korreferate, die
bei Zusammenkünften dieser Arbeitsgruppe in den Jahren 1986
bis 1988 vorgetragen und diskutiert wurden, sind in diesem
Band zusammengestellt worden. Sie bilden einen ersten Teil
von Studien, die der paulinischen Theologie gewidmet sind;
weitere Arbeiten sollen folgen. In diesem Band sind nur die
Thessalonicherbriefe, der Philipperbrief, der Galaterbrief und
der Philemonbrief Gegenstand der Erörterung; die Besprechung