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Ausgabe:

1993

Spalte:

503-505

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Keel, Othmar

Titel/Untertitel:

Göttinnen, Götter und Gottessymbole 1993

Rezensent:

Jaroš, Karl

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Theologische Literaturzeitung I 18. Jahrgang 1993 Nr. 6

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denz dazu auch theologisch gesehen werden muß - die Beobachtung
der Interdependenz beider Pole zeichnen eine theologische
Arbeit an einem historischen Thema letztlich aus. Ein wenig zu
kurz kommt bei v.H. die Literarkritik und damit die gesicherte
zeitliche Einordnung der Quellentexte. Aber vielleicht müssen
wir Abschied nehmen von der Vorstellung, ein(e) einzelne(r)
könne in einer Arbeit alle Probleme lösen.

Bochum Peter Mommer

Keel, Othmar, u. Christoph Uehlinger: Göttinnen, Götter und
Gottessymbole. Neue Erkenntnisse zur Religionsgeschichte
Kanaans und Israels aufgrund bislang unerschlossener ikono-
graphischer Quellen. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1992.
XIV, 526 S. m. Abb. 8° = Quaestiones Disputatae, 134. Kart.
DM 58,-. ISBN 3-451 -02134-X.

Die beiden Autoren stellen mit der vorliegenden Quaestio
disputata Nr. 134 einen Band von beachtlichem Umfang vor.

Der Untertitel des Buches: „Neue Erkenntnisse zur Religionsgeschichte
Kanaans und Israels aufgrund bislang unerschlossener
ikonographischer Quellen" verspricht fast Ungeheuerliches
. Der Uneingeweihte könnte angesichts dieses Titels
von einer maßlosen Übertreibung sprechen; aber das Buch hält,
was es verspricht. Vorweg sei gesagt, daß es sich hier um die
bedeutsamste und wohl auch wichtigste Studie handelt, die in
der 2.Hälfte unseres Jh.s zur Religionsgeschichte Kanaans und
Israels publiziert wurde.

O. Keel hatte schon vor über 20 Jahren die Idee, die Kleinkunst
zur Erforschung dieser Religionen heranzuziehen und als
Quellenmaterial ernst zu nehmen. 1981 initiierte er ein Großprojekt
zur Erforschung der palästinischen Stempelsiegel, das
fünf Jahre vom Schweizerischen Nationalfonds für wissenschaftliche
Forschung finanziell getragen wurde. Mit der vorliegenden
Studie wird nun erstmals eine Gesamtinterpretation dieses
wichtigen Materials vorgelegt.

Der Band gliedert sich in 10 Hauptabschnitte: E. Ausgangspunkt
(1- 6). EL Weichenstellungen (7-20). III. Die Mittlere
Bonzezeit II B: das Gleichgewicht der Geschlechter (21-54).
IV. Die Späte Bronzezeit: der ägyptische Kolonialismus und
das Überhandnehmen politischer und kämpferischer Gottheiten
(55-122). V. Die Eisenzeit E: der verborgene Gott, triumphierende
Götter und der Segen der Fruchtbarkeit (123-148). VI.
Die Eisenzeit II A: das Zurücktreten anthropomorpher Gottheiten
und ihre Substitution durch Attribute und Wirkgrößen (149-
198). VII. Die Eisenzeit II B: Baal, El, Jahwe und „seine
Aschera" im Horizont ägyptischer Sonnen- und Königssymbolik
(199-321). VIII. Die Eisenzeit II C: Die Astralisierung der
himmlischen Mächte, das Wiederaufleben der Göttin und die
orthodoxe Reaktion (322-429). IX. Eisenzeit III: Abgrenzungen
(430-452). X. Zusammenfassung (453-475).

Ein oft gehörter Vorwurf an die „ikonographische Methode"
lautet, daß Bilder gedeutet werden, die nicht aus dem unmittelbarem
palästinischen Milieu entstammen. Die vorliegende Studie
entkräftet diesen Vorwurf insofern, als nur palästinisches
Quellenmaterial verwendet wird. Biblische Texte werden zur
Stützung von Thesen der Autoren kaum herangezogen, da sich
ja gerade dies als problematisch erweisen würde. „Eine Religionsgeschichte
Kanaans und Israels muß daher diachron primär
dem für bestimmte Perioden (!)...zur Verfügung stehenden
Quellenmaterial erarbeitet werden. Eblaitische, mariotistische
oder ugaritistische Engführungen sind für ein sachgerechtes
Verständnis dieser Geschichte besonders im 1. Jt. ebensowenig
hilfreich wie die - durch dezidierte theologische Positionen
bedingte - verzerrte Darstellung der Religionsgeschichte Israels
und Judas durch die deuteronomistische Schule" (12).

Eine der wichtigsten Fragen der Religionsgeschichte und
Biblischen Theologie ist die nach dem Monotheismus Israels.
Die unterschiedlichen Positionen von der fundamentalistischen
und dogmatistischen Auffassung eines mosaischen Monotheismus
bis zur Annahme, daß ein solcher erst in der Makkabäer/cit
existiert, kommen einerseits über Behauptungen, andererseits
über strittige Datierungen und Interpretation biblischer Texte
nicht hinaus. Einen Ausweg aus dieser Sackgasse können nur
Primärquellen leisten, die eindeutig datierbar sind. Bei dem untersuchten
Bild- und Inschriftenmaterial handelt es sich um solche
Primärquellen!

In der Mittleren Bronzezeit II B zeigt sich eine Verschmelzung
ägyptischer und vorderasiatischer Einflüsse, wie die Darstellung
der nackten Göttin mit den Zweigen zeigt. Der sexuelle
Aspekt ist besonders betont. Der syrische Wettergott wird mit
Horus identifiziert und als Triumphator dargestellt. In der Späten
Bronzezeit werden die weiblichen Gottheiten durch männliche
Götter (Ptah, Seth, Baal u.a.) verdrängt. Nur in der Volkskunst
(Terrakotten) sind die Darstellungen nackter Göttinnen
weiter vertreten und repräsentieren Formen privater, häuslicher
Religiosität.

In der folgenden Eisenzeit I geht diese Form privater Frömmigkeit
weiter. Der weibliche Aspekt findet jedoch seine Fortsetzung
in Symbolen und Wirkgrößen (säugendes Muttertier,
Baum, Skorpion). Andererseils signalisiert die Eisenzeit I den
Drang nach Beherrschung (Baal-Seth Tradition). In der Eisenzeit
II A werden nun auch die anthropomorphen Gottesdarstellungen
durch Symbolsysteme ersetzt. Der Stier als Attribut des
Wettergottes tritt in den Vordergrund. Die Göttin verliert weiter
an Bedeutung: die Sexualsymbolik weicht allgemein der Regenerationssymbolik
, bis schließlich die nackte Göttin durch den
Typ der die Trommel schlagenden Verehrerinnen verdrängt
wird (9.Jh.).

Für die Eisenzeit II B werden neben der Ikonographie auch
die epigraphischen und onomastischen Zeugnisse miteinbezogen
. Wie nicht anders zu erwarten lassen sich im Nord- und im
Südreich je eigene Entwicklungen verfolgen. Auffällig ist das
völlige Fehlen anthropomorpher Darstellungen der Göttin
(dafür Darstellung des stilisierten Baumes, der von Mischwesen
flankiert ist). Dies bestätigt auch die Deutung der „Ascherainschriften
" von Kuntilet Agrud und Hirbct el-Qom, in denen
Aschera nicht die Göttin meint, sondern ihr Kultobjekt (Baum,
Pfahl). Jedenfalls „bietet weder die ikonographische noch die
epigraphische Dokumentation Anlaß, in Jahwes Aschera eine
göttliche Paredros zu erkennen" (318). Im privaten religiösen
Bereich herrschen nicht mehr persönlich gedachte Gottheiten
vor, sondern Schulzmächte wie geflügelte Sonnenscheiben,
geflügelte Skarabäen, Uräen u.a. Jahwe ist daher vermutlich in
Israel als Höchster Gott und Himmelsherr verehrt worden. Ob
für Jtlda im 7. Jh. das Gleiche zutrifft, läßt sich z.Z. noch nicht
deutlich machen. Es wäre aber übertrieben, aus dem vorher
Gesagten den Monotheisus zu postulieren. Wohl aber handelt es
sich um eine Übergangsphase zur Monolatrie.

In der Eisenzeit II C verschwinden solare Bildmotive aus
Ägypten (assyrische Expansion) und es läßt sich eine Astralisierung
des religiösen Symbolsystemes erkennen. Jahwe nimmt
lunare Züge an. Im 7. Jh. wird die Göttin wieder anthropomorph
dargestellt. Es fehlt jedoch auch für das 7. Jh. ein Beleg, daß die
Göttig (Aschera) eine Paredros Jahwes gewesen sei.

Die Reform Joschijas als orthodoxe Antwort auf diese Zustände
läßt sich unschwer aus den judäischen Namenssiegeln
(Ende 7. Jh./Anf. 6. Jh.) ohne ikonischen Dekor erkennen In
der Eisenzeit III ist es geradezu die Sorge der orthodoxen Kräfte
, die Göttin in ihrer Existenz zu leugnen.

Die Bedeutung dieser Studie liegt vor allem darin, daß
wenn auch noch in fragmentarischer Weise, wie es die VIT. selber
sagen (4691T) - auf Grund primärer Quellen das religiöse