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Ausgabe:

1993

Spalte:

494-495

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Voigt, Gottfried

Titel/Untertitel:

Licht - Liebe - Leben 1993

Rezensent:

Beißer, Friedrich

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493

Theologische Literaturzeitung I 18. Jahrgang 1993 Nr. 6

494

Kapitel I umfaßt die Zeit von etwa 200 v.Chr. bis zum 4.
Jh.n.Chr. Sie war vom Judentum geprägt und die vorherrschenden
Sprachen waren Griechisch (Septuaginta) und Aramäisch
(frühe Targume). Kapitel 2 behandelt die Zeit vom 4. Jh. bis
etwa 1500. Sie war vom Christentum gekennzeichnet, und die
Sprachen waren für kurze Zeit Griechisch und danach Lateinisch
(Vulgata). Kapitel 3 ist etwa viermal so umfangreich wie
die beiden vorhergehenden Kapitel und umfaßt die Zeit von
1500-1960, unterteilt in den europäischen, hier hauptsächlich
britischen Sprachraum und in den amerikanischen Raum, wobei
die Übersetzungen des Neuen Testaments gesondert von den
Ubersetzungen des Alten Testaments behandelt werden. Diese
dritte Epoche war wesentlich vom Protestantismus geprägt. Die
Sprachen waren Deutsch, sowie mehrere aulblühende Sprachen
Europas, hauptsächlich Französisch, Niederländisch, Spanisch,
Italienisch und Skandinavisch, aber vorwiegend Englisch. Auch
einige jüdische Bibelübersetzungen gehören zu dieser Epoche.
Kapitel 4 berichtet als Übergangskapitel über die Revised Standard
Version, die an die Neuzeit heranführt. Damit ist die Voraussetzung
für Kapitel 5 geschalten, in dem die vierte große
Epoche der Bibelübersetzungen von 1960 bis zur Gegenwart
dargestellt wird. Diese vierte Epoche ist vorwiegend von der
englischen Sprache beherrscht. Doch dominierte hier keine
Denomination oder Religion, sondern im Miteinander von
Judentum, Katholizismus und Protestantismus verläßt man dogmatisch
gefärbte Bibelübersetzungen, sowie eine wörtliche
Reproduktion des Urtextes und versucht vielmehr, dem modernen
Leser die ursprüngliche Intention des Bibeltextes durch die
Übersetzungen nahezubringen.

Kapitel 6 untersucht die Eigenarten und Eigenständigkeit der
vielen Übersetzungen, die aufgrund des großen Verkaufserfolgs
der Revised Standard Version vorgenommen wurden. Kapitel 7
beschäftigt sich mit der vorwiegend maskulinen Sprache, die bei
den meisten Bibelübersetzungen vorherrscht. Die Autoren versichern
, daß diese Sprache sehr oft von den Übersetzern selbst
geschaffen wurde und vom biblischen Text nicht gestützt wird.
Kapitel 8 ist das einzige Kapitel, das wahrscheinlich nur für
Spezialisten der Bibelübersetzungen geschrieben wurde, denn
hier werden Stileigenheiten verschiedener Übersetzungen miteinander
verglichen und darauf hin geprüft, ob sie der Intention
des Urtextes gerecht werden. Auch der kanadische Beitrag zu
den Bibelübersetzungen wird in einem Anhang gewürdigt, wohl
nicht zuletzt tieshalb, weil Orlinsky selbst Kanadier ist. Eine
ausführliche Bibliographie sowie hilfreiche Register runden die
Veröffentlichung ab.

Nach der Lektüre des Buches ist man beeindruckt, wie vielfältig
die Übersetzungspalette ist, die Nordamerika zur Bibelverbrci-
tung beitrug. Allein in den ersten 60 Jahren dieses Jahrhunderls
wurden etwa eintausend Versuche gemacht, Teile der Bibel oder
die ganze Bibel in die englische Sprache zu übersetzen (vgl. 147).
Auch ist man erstaunt, wie oft es zu absichtlichen Tendenzübersetzungen
kam. nicht nur bei baptistisch gesinnten Gruppen, die
bei der neutestamentlichen Taufe den expliziten Hinweis auf das
Untertauchen benötigten (70), der römisch-katholischen Tradition
, der es schwerfiel, die Brüder Jesu zu akzeptieren (175) oder
den Zeugen Jehovas, die die Bezeichnung „Jehova" beibehielten
und die auch nicht davor zurückschreckten. Mitglieder der Kommission
zur Übersetzung der Revised Standard Version einzuschüchtern
, als es deutlich wurde, daß „Jehova" in der RSV nicht
mehr als Gottesname beibehalten wurde (208). Erfrischend hingegen
ist es festzustellen, wie schnell Richard Kardinal Cushing,
der Erzbischof von Boston, 1969 sein Imprimatur zum Neuen
Testament der Today's Engtish Version gab, ohne irgendwelche
Veränderungen anzumahnen.

Ein wichtiges Faktum wird von den Autoren überzeugend
dargestellt: Bibelübersetzungen geschehen im kulturellen und
politischen Kontext ihrer Zeit. Als nach dem Zweiten Weltkrieg

Amerika zur Supermacht aufstieg, übernahm nunmehr Nordamerika
auch die führende Rolle bei den Bibelübersetzungen,
wie sie vorher England im 16. und 17. Jh. innehatte. Dies traf
nicht nur für den Protestantismus zu, sondern zum ersten Mal
seil der Reformation auch für den Katholizismus und erstmals
seit 2000 Jahren ebenso für das Judentum (3091.). Dabei zeigte
sich auch, daß die besten Fachleute ungeachtet ihrer konfessionellen
und religiösen Zugehörigkeit gemeinsam die Übersetzung
der biblischen Schriften bewerkstelligten, um sie nach derzeitigem
Wissensstand so genau wie möglich in die englische Sprache
zu übertragen, ohne sich von vorgefaßten dogmatischen
Gesichtspunkten leiten zu lassen.

Jeder, der an Bibelübersetzungen Interesse hat, wird diese
Veröffentlichung mit Gewinn lesen.

Regensburg Hans Schwarz

Voigt, Gottfried: Licht - Liebe - Leben. Das Evangelium nach
Johannes. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1991. 296 S.
8° = Biblisch-theologische Schwerpunkte, 6. Kart. DM 38.-.
ISBN 3-525- 6128-7.

Es ist nicht leicht, die Gattung dieses Buches zu bestimmen.
M.E. verdiente es sehr wohl den Namen eines Kommentars (der
ihm vorenthalten ist). Es ist freilich eine eigentümliche Art von
Kommentar, die hier vorgelegt wird. Auch wenn überall die
historisch-kritische Arbeit vorausgesetzt und immer wieder
erörtert wird, so bewegt sich doch die Deutung des Vf.S in andere
Richtung. Nicht die historische Distanz wird hier erstrebt,
sondern die Vergegenwärtigung des Evangeliums. Es selbst soll
uns aufgeschlossen werden, soll zur Sprache kommen, soll uns
gewinnen, wie es ja seine eigene Absicht ist (nach 20,31 ist es
geschrieben, „damit ihr glaubt, daß Jesus der Christus ist, der
Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in
seinem Namen.") Voigt charakterisiert dieses Evangelium öfter
als eine Abfolge von „Christus-Meditationen". Er versucht, sie
uns zu verdeutlichen, um uns dadurch in ihre Bewegung mit hineinzunehmen
.

Liefert dieses Buch also eine „erbauliche" oder eine „postmoderne
" Deutung, jenseits der historisch-kritischen Exegese'.'
Auch mit solchen Etiketlierungen würde man ihm nicht gerecht.
Einerseits wird es durchweg gegenüber der historischen Auslegung
verantwortet, andererseits liefert es nicht eine Interpretation
, welche lediglich eine vorgefertigte dogmatische Christolo-
gie wiederholte. Es sucht vielmehr vor allem anderen, das Evangelium
selbst zum Sprechen und uns zum Hören zu bringen.
Was könnte ein Kommentar Besseres leisten?

Auf behutsame und umsichtige Weise nimmt Voigt Stellung
zu den Einleitungsfragen. Seine Auslührungen sind vor allem
deswegen bemerkenswert, weil sie zeigen, daß zahlreiche heute
Uber „Johannes" herrschende Vorurteile keineswegs stichhaltig
begründet sind. Die altkirchliche Überlieferung, die das Evangelium
auf den Jünger Jesu zurückführt, ist nicht weniger glaubwürdig
, als verschiedene neuere Hypothesen, die man an ihre
Stelle setzen wollte. Aufgrund seiner Auslegung nimmt Voigt
auch an, daß im Evangelium Berichte eines Augenzeugen ihren
Niederschlag fanden.

Allerdings darf man solche Zeugenschaft nicht reduzieren auf
ein bloßes Tatsachenwissen. Auch Voigt nimmt an. daß das vorliegende
Evangelium seine einzelnen Abschnitte nicht immer in
einer sinnvollen Abfolge bietet; auch er greift daher zum Mittel
der Umstellungen. Bei den Abschiedsreden, die zwar vermutlich
in Unordnung geraten sind, verzichtet der VI. auf den Versuch
einer anderen Anordnung. Umgestellt werden bei ihm 10,1-18
(hinter 10,29), 10,19-21 (hinter 9,41) und Kap. 5,1-47 (hinler
7,13). Diese Verpflanzung wirft aber m.E. neue Probleme auf;