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1993

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Systematische Theologie: Dogmatik

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 5

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„Entscheidungen" (I, 269; II, 9, 347,423) haben hierbei prägende
Bedeutung:

3.1 „Gott läßt sich nicht für sich in seiner Unterschiedenheit
von der Welt erfassen, sondern immer nur mit der Well zusammen
in seiner Beziehung zur Welt...Weiter kann es in der gegenwärtigen
Situation ... kein Denken Gottes geben, das absehen
könnte von der Hinsicht auf die Zusammenhänge, in denen in der
einfachen Gottesrede von Gott und zu Gott gesprochen wird" (II,
419). Das bedeutet bei der trinitarischen und christologischen
„Festlegung" (I, 269) die Einheit von Theologie und Ökonomie
in gegenseitiger Verschränkung und Durchdringung (I, 107, 131,
182; II, 308, 365, 389,419 Anm. 48, 420 u.a.), was auch die Verknüpfung
von christologischer und pneumatologischer Zeitbestimmung
impliziert (I, 117, 127, 155, 199, 243; II, 327, 331
u.a.). Der Vf. wendet sich damit gegen eine Korrelationstheologie
(I, 53, 122, 220) sowie gegen eine natürliche Theologie mit
doppeltem Zugang zu Gott (I, 231; II, 423).

3.2 Weiter hat als „Grundentscheidung" die Einheit von
Schöpfergott und Erlösergott Geltung (I, 269); gegen eine sote-
riologische Engführung (I, 196, 210, 222) sowie gegen jede
Form von Dualismus (II, 71 Anm. 14, 86 u.a.) und Individualismus
(II, 344) betont der Vf. die Einheit von Innen und Außen (I,
135, 185, 211, 221; II, 402) mit der Leibhaftigkeit des „Gott
zugewandten Lebens" im „Dabeisein Gottes".

3.3. Ferner erfährt die „Biblische Dogmatik" vom kreuzestheologisch
verantworteten Rechtfertigungsglauben her (1,270,
11,393, 401) ihr reformatorisches Gepräge, was die Ablehnung
metaphysischen Denkens einschließt (11,364, 423).

3.4. Endlich wird die „Biblische Dogmatik" in die Gegenwartssituation
eingezeichnet mit zahlreichen aktuellen kirchlichen
Verweisen (Chicago-Erklärung: I, 99f; Magisierung der
isolierten Bibelsprüche: I, 64; EKD-Denkschriften: I, 149 Anm.
47; II, 215 Anm. 55; ökumenische Hinweise: II, 162 Anm. 7,
242 Anm. 187, 353 Anm. 241, 424 Anm. 71 und gesellschaftspolitische
Bezüge: I, 274; II, 148f, 248 Anm. 4, 298 Anm. 244,
69 Anm. 8 u.a.).

4. Von diesen methodischen Voraussetzungen und theologischen
Grundentscheidungen her gestaltet sich der Aufbau von
Fr. Mildenbergers „Biblischer Dogmatik" wie folgt: Nach den
Prolegomena in Bd. I entfaltet der Vf. narrativ im Bd. II die
„Ökonomie als Theologie", um in Bd. III die „Theologie als
Ökonomie" nachzuerzählen. Ökonomie meint die „Restitution
der Wirklichkeit durch Gott", Theologie die „Konstitution der
Wirklichkeit in Gott" (I, 231, 245). Der Vf. greift hier das
Anliegen von E. Schlink (I, 192) und W. Joest (I, 109) auf bei
gleichzeitiger Abgrenzung gegenüber E. Jüngel (II, 48ff, 391),
J. Möllmann (II, 39lf) und auch K. Barth (II, 389f, 391 Anm.
28). Mildenberger selbst versteht sich von E. Fuchs und H.
Diem her (I, 88, 219 Anm. 50, 261; II, 396 Anm. 53) mit Anregungen
von M. Kähler (I, 28, 199 Anm. 70) und D. Ritsehl (I,
171 Anm. 40, 191 Anm. 31 u.a.).

Entsprechend der verknüpfenden Vorordnung der Ökonomie
vor der Theologie entfaltet der Vf. in Bd. 11,1 Kapitel: „Gott in
der wertenden Reflexion des Lebens", 2. Kapitel: „Vom Leben
des sündigen Menschen vor dem heiligen Gott", 3. Kapitel:
„Von der Zuwendung Gottes zum Menschen und des Menschen
zu Gott", 4. Kapitel: „Der dreifache Gottesname". Nach der Vertiefung
in die komplexen methodischen Erwägungen in Bd. I
wendet sich der Leser mit nicht geringer Neugier der Lektüre des
II. Bandes zu, besonders der Frage, welche biblischen Textkomplexe
als Antwort auf welche dogmatischen Themen nachgesprochen
werden. Nun erwähnt der Vf., daß er am Ende des III. Bandes
eine vergleichende Zuordnung von biblischen Texten und
dogmatischen Topoi vornehmen wird (I, 246 Anm. 62); doch
kann sich der Leser - gerade auch durch die Zusammenfassungen
eines jeden Abschnittes - schon ein deutliches Bild selbst
machen.

5. An dieser Stelle können und sollen nur einige knappe
inhaltliche Angaben gemacht werden:

5.1. Gott erweist sich als die „Güte des Lebens" selbst gegen
widerständische und undurchsichtige Erfahrungen, wie die eindrucksvolle
Entfaltung von Ps 73 durch den Vf. zeigt (§ 15);
„Gottes Sein als Dabeisein" (II, 374) bedeutet „jene f ülle des
Lebens, wie sie mit der Zugehörigkeit zu Gott gegeben isl" (II,
95, 102) gegen die Macht der Sünde und des Todes; dies macht
das „Heil in Jesus Christus" offenbar (§ 18), das nicht etwa „die
Befreiung von der Welt, sondern mit der Welt die Befreiung
von der Sünde" (II, 355) meint. Das stellvertretende Sühnopfer
im priesterlichen Dienst Jesu Christi erzählt der Vf. in diesem
dogmatischen Kontext gesamtbiblisch nach (3. Mose 26, Hebr
7-10, deutr. Geschichtswerk, Dcutjes mit Gottesknechtsliedern,
Rö, Hebr, Jo) auf die Erniedrigung und Erhöhung Jesu Christi
hin.

5.2. Der Zuwendung Gottes zum Menschen entspricht die
Zuwendung des Menschen zu Gott; Gottesdienst, Gebet und
Glaube, aber auch die Taufe und die eschatologische Dimension
christlichen Lebens werden mit und durch die biblischen
Texte - wie Ps 22, Hab, Hi, Mt 4, Gen 12-50 und Rom 5-8 - zur
Sprache gebracht.

Diese höchst knappen Andeutungen können und sollen nur
zum eigenen Studium dieser „Biblischen Dogmatik" von den
aufgezeigten methodischen Voraussetzungen her anreizen.

5.3. Das gilt auch für das Kapitel „der dreifache Gottesna-
me", in dem die erzählende und doxologische Struktur der Geschichte
Gottes als Dabeisein Gottes im Bekenntnis des Glaubens
, im Gebet der Hoffnung und im gegenwärtigen Gotleslob
dargelegt wird.

6. Ein interessantes Projekt und ein Erkenntnisgewinn vermittelnder
Versuch stellt Fr. Mildenbergers „Biblische Dogmatik
" dar. Dem theologischen Leser sind die grundlegenden
Überlegungen des Vf.s z.T. schon bekannt aus anderen Veröffentlichungen
Fr. Mildenbergers wie z.B. „Systematisch-theologische
Randbemerkungen zur Diskussion um eine Biblische
Theologie", in: FS W.Joest, hg. Fr.Mildenberger, J.Track. Göttingen
1979, 11-32; der Theologe im Amt erkennt sich in seinem
Auftrag und Anliegen als Prediger durch breite Passagen
dieser Dogmatik wieder. Mit Spannung sehen wir Bd. III „Theologie
als Ökonomie" entgegen; erst dann wird eine wertende
Beurteilung der materialen Darlegungen zu den dogmatischen
Topoi im Detail möglich sein. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt
gilt: Nimm und lies - es lohnt sich.

Wer nur kurz bemessene Zeit für das eigene Studium aufzubringen
vermag, sollte zunächst bei den Zusammenfassungen
der einzelnen Kapitel einsetzen, um sich dann den vorausgehenden
Entfaltungen mit ihren informationsreichen Anmerkungen
zuzuwenden.

Heidelberg Michael Plathow

Adriaanse, H. J.: Karl Barth und das Problem der Modalität (Zeitschrift
für dialektische Theologie, 8, 1992, 29-45).

Brecht, Volker: Das Sittliche als Grundlage der Theologie Wilhelm
Herrmanns (NZSTh 34, 1992, 47-68).

Brinkmann. M. E.: Wie wirklich isl die Wirklichkeil der Menschlichkeil
Gottes bei Karl Barth? (Zeitschrift für dialektische Theologie X, 1992, II-
28).

Chapmann, Mark D.: "Theology within the walls": Wilhelm Hermann's
religious reality (NZSTh 34, 1992, 69-84).

Eicher, P.: Biblischer Realismus „Die Auferweckung der Toten" nach
Karl Barth (Zeitschrift für dialektische Theologie 8, 1992, 47-74).

Körner, Bernhard: Extra ecclesiam nulla salus. Sinn und Problematik
dieses Sat/es in einer sich wandelnden fundamental theologischen Ekklesio-
logie (ZKTh 114, 1992, 274-292).

Koslowski, Peter: Metaphysische Theologie und Dogma. Erik Pelcrsons
Auseinandersetzung mit Gnosis und Mystik (NZSTh 33, 1991, 248-261).