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Ausgabe:

1993

Spalte:

441-444

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Mildenberger, Friedrich

Titel/Untertitel:

Biblische Dogmatik 1993

Rezensent:

Plathow, Michael

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 5

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und der um ihn geführten Diskussion angegangen werden. Der
Schriftsatz ist. nach meinem Urteil, so gut wie fehlerlos. Ein
Personenregister erleichtert das Auffinden von Beiträgen und
Diskussionen zeitgenössischer Theologen. Man bedauert jedoch
, daß ein solch relevanter Beitrag zur theologischen Forschimg
in Offsetdruck erschienen ist. Ein mühevolles Lesen, besonders
der Ziffern und Anmerkungen! Hoffentlich schreckt
dies nicht zu viele von der Lektüre des Buches ab!

I il ml Fritz Holtmann

Mildenbergcr, Friedrich: Biblische Dogmatik. Eine Biblische
Theologie in dogmalischer Perspektive. I: Prolegomena: Verstehen
und Geltung der Bibel. 2: Ökonomie als Theologie.
Stuttgart-Berlin-Köln: Kohlhammer 1991/92. 281 S. u. 433 S.
gr.8». Kart. DM 34,- u. 48,-. ISBN 3-17-01181-0 u. 3-17-
011082-9.

Mildenbergers „Projekt" „Biblische Dogmatik" (1,14) hat die
Absicht, in der Verbindung von Biblischer Theologie und Dogmatik
eine „Aktualisierung der gesamtbiblischen Zusammenhänge
für die gegenwärtige kirchliche Situation" (1,11) darzustellen
; sie will anleiten zu zeitgemäßem Verständnis der Schrill
und zu schriftgemäßem Verständnis der Zeit (1,12). Die Verwirklichung
dieser Absicht basiert auf einer „hochkomplexen
methodischen Problematik" (1,227), die der VI. schrittweise im
Bd. I: ..Prolegomena: Verstehen und Geltung der Bibel" aufzeigt
. ..Geduld und Aufmerksamkeit wird hier... von allen Leserinnen
und Lesern gefordert, von denen, die eine Dogmatik
erwarten, genauso wie von denen, die eher eine Biblische Theologie
suchen" (1,246).

1.1. Die „Biblische Dogmatik" nimmt ihren Ausgangspunkt
bei der Dogmatik (1.12): hierin liegt eine „Vorentscheidung" (I,
228, 243). Der Vf. versteht sich in der dogmatischen Kontextua-
lität. die einerseits von der reformatorischen Tradition und andererseits
von der Aufklärung geprägt ist (1,13). M. Luthers Recht-
fertigungs- und Kreuzestheologie (I, 270; II, 393, 417 u.a.)
sowie D. Hollaz' für den Stand der Lehre vor dem Umbruch der
Aufklärung repräsentatives „Examen theologicum acroamati-
cum" (1707) und I. Kants große Kritiken sowie die Rcligions-
schrifl, die die Veränderung durch die Aufklärung für die Theologie
signalisieren, finden exemplarische Behandlung (II, 21 ff),
desweiteren dann Fr. Schleiermachers Glaubenslehre (II, 33f),
die dialektische Theologie und K. Barths Kirchliche Dogmatik
Im Zusammenhang der gegenwärtigen dogmatischen Diskussion
(P.Tillich, E. Jüngel, W.Pannenberg, E.Herms, R.SIenczka,
G.Ebeling. P. Stuhlmacher. U.Wilckens, H.Gese, B.Janowski
u.a.).

1.2. Die „Biblische Dogmatik" soll jedoch zugleich „von
einer Bevormundung durch die Dogmatik befreit sein" (I, 227);
denn es gilt im Gespräch mit der Biblischen Theologie „eine
Schriftauslegung zu entwickeln, die dem gerecht wird, was die
biblischen Schriften selbst sein und sagen wollen" (I, 227).
Nicht um die bestätigende Einbeziehung biblischer Texte etwa
als einzelne dicta probantia oder als einzelne sedes doctrinae
darf es gehen, vielmehr sollen schwerpunktartig „größere Text-
zusammenhänge" bearbeitet werden wie z.B. die priesterliche
Tradition, die vorexilische prophetische Tradition, der Römerbrief
, der Hebräerbrief, die johanneischc Tradition (I, 25X; II.
900. So kann die dogmatische Reflexion selbst ..in der Auslegung
eines solchen Textzusammenhangs entfaltet werden" (I.
244); so können „die biblischen Texte selbst als Antwort auf die
dogmatischen Fragen nachgesprochen werden" (I, 247). Dabei
nötigen „die biblischen Texte mit ihrem Schwergewicht auf Er-
wählung und Erlösung... gerade auch dogmatisch mit dem Stoffkomplex
anzusetzen, der zur Ökonomie gehört" (I, 244).

1.3. Schließlich stellt sich die „Biblische Dogmatik" in den
kirchlichen Verweisungszusammenhang produktiv und kritisch
hinein, d.h. in die doppelte Referenz (I. 215, 258, 260) von
historisch-kritisch zu bedenkendem Text und gegenwärtigem
Zur-Sprache-bringen, von „erzählter Zeit" und ../.eil der Erzählung
" (1, 173; II, 400) in ihrer Gleichzeitigkeit.

2. F. Mildenbcrger unterscheidet zwischen „einlacher Gottesrede
" und „wissenschaftlicher Theologie" (I, 14). Gegenstand
der letzteren „ist nicht Gott, sondern das Reden von Gott" (II,
44). Mit dieser Trennung nimmt der Vf. auch die Distinktion
zwischen den verschiedenen Sprachebenen auf (I, 14 Anm. 14,
274f). Die „einfache Gottesrede" will „Anstehendes auf Gotl hin
zur Sprache" bringen (1,18): „Was ansteht, soll durch die biblischen
Texte zur Sprache kommen. Solches Sprechen vollzieht
sich aber immer schon in einer Welt, die durch Sprache konstituiert
oder erschlossen ist. Und es geschieht in dieser Sprache,
die Welt konstituiert, wenn es verständlich bleiben soll" (I,18f).
Dabei ist die christologische und die pneumatologische Zeitbestimmung
untereinander verbunden mit dem Innen als geglaubtem
Wort Gottes, das auf das Außen der gegenwärtig anstehen
den Wirklichkeil bezogen ist (I, 117); der gelingende Sprechakt
ist als „Inspiration" (l.2()f) anzusehen und sel/t diese voraus.
Die „Kurzformel für die einfache Gottesrede" (I. 189) besagt
also: Anstehendes, „Zeit", durch die biblischen Texte auf Gott
hin zur Sprache bringen oder die „Erschlosscnheit von Zeit auf
Gott hin durch das biblische Sprechen" (I, 189). Der Vf. betont
damit - im Anschluß an D. Ritsehl (I, 171 Anm. 40, 191 Anm.
31, 218 Anm. 44, 244 Anm. 60, 267; II, 400 Anm. 72) - die
Bedeutung des Erzählens in der „einfachen Gottesrede" und bindet
sie in die verschiedenen Grundformen theologischer Aussagen
ein, die auch E. Schlink schon analysierte (I, 192): „Bekennen
, Bezeugen, Bitten, Danken, Trösten, Ermahnen, Zurechtweisen
, Belehren, Loben, die Doxologie und Erzählen" (I, 20);
situationsunabhängig ist für den Vf. treffend nur das doxologi-
sehe Sprechen im llnterschied zu den anderen Gestalten der
„einfachen Gottesrede", auf die dogmatisches Sprechen im Eingehen
auf das, „was an der Zeit ist" (I, 195), bezogen ist.

In der „Biblischen Dogmatik" als „Hermeneutik der einlachen
Gottesrede" sind somit die biblische Theologie, die dogmatische
Tradition und die kirchliche Gegenwart methodisch
verknüpft. Es handelt sich um die „komplizierten Zusammenhänge
" (I, 229) komplexer Überlegungen. Nicht methodische
„Konsequenzmacherei" (I, 115) oder einen „Methodenmonismus
" (I, 229) setzt die „Biblische Dogmatik" voraus, sondern
den „Kompromiß" im Sinn von „cum promissione", d.h. mit der
Verheißung des vom heiligen Geist gewirkten Kompromisses (I.
249, 52, 97, 113. 115. 171, 229); sie akzeptiert den „offenen
Schluß" (II, 117, 291).

Die wissenschaftliche Theologie wiederum arbeitet der „einfachen
Gottesrede" zu; zugleich steht sie der „einfachen Gottesrede
" als kritisches Korrektiv gegenüber (I, 115, 184).

Das „Modell" der so verstandenen „einlachen Gotlesrede"
erkennt der Vf. im Abendmahl mit seiner „Eindeutigkeit", eben
mit seiner „Bestimmtheit durch das in Jesus Christus fleischge-
wordenc Wort Gottes, die es ermöglicht, daß Zeit auf Gott hin
zur Sprache kommen kann" (I, 216): „Die persönliche Gegen
wart Jesu C hristi bei der Feier, wie sie in den ökumenischen
Dokumenten unserer Gegenwart beschrieben wird, nötigt da/u.
ihn zugleich in der Vergangenheit seines Leidens und Sterbens
und in der Zukunft seiner Wiederkunft gegenwärtig zu denken,
wobei diese Gegenwart nicht das erinnernde Vorstellen des
Innen ist, sondern sieh an das Außen des Ritus von Essen und
Trinken gebunden hat" (I, 224f).

3. Die „Biblische Dogmatik" stellt sieh in den Begriindungs-
zusammenhang von Schrift und Bekenntnis, Bekenntnis und
Dogmatik; nicht hierarchisch, sondern im „Zirkel" sind sie ein
ander zugeordnet (I, 266, 269). Folgende „Grundsätze" und